Livereview: Tokyo Blade - Tarchon Fist
26. Oktober 2009, Pratteln Z7
By Rockslave
Der höchst magere Fanaufmarsch von knapp 50 Nasen bestätigte meine Befürchtung, dass heutzutage kaum jemand noch weiss, wer Tokyo Blade sind. Allerdings sah ich 2002 an gleicher Stelle Metalium vor etwa 30 Nasen (!) aufspielen, die nun schon der eine andere damals gekannt hatte. Aktuell war kürzlich ja Ex-Accept Klampfer Herman Frank zu Gast, wo dem Vernehmen nach auch nur etwa 60 bis 70 Fans nach Pratteln kamen. Was ich damit sagen will, ist, dass es nicht zwingend eine alte Band aus den seligen NWOBHM-Zeiten sein muss, die keine Leute (mehr) mobilisieren kann. Dies freilich sagt aber nichts über die Qualität der Darbietietung aus. Im Zuge der unglaublichen Menge an Bands, die in den letzten paar Jahren unterwegs waren/sind, gilt es eh zunehmend ein gewisses Gespür dafür zu entwickeln, welche überraschenden Momente trotz einer vermeintlich angestaubten Affiche oder schlichter Unkenntnis dennoch möglich sind. So geschehen auch am heutigen Abend, an dem sich Tarchon Fist aus Italien als sackstarke (Support-) Band empfahlen.

Tarchon Fist

Es gibt ja die etwas verächtliche Bezeichnung "Spaghetti Metal", der meist in Verbindung mit Rhapsody, Labyrinth, Macbeth und Konsorten verwendet wird. Gemeint sind also Metal Bands aus der Ecke des melodisch-bombastisch und meist speedig ausgerichteten Symphonic Metal. Daneben gibt es noch eine ganze Menge Vertreter aus dem progressiven Lager wie Icycore, Time Machine oder Vision Divine. Sleaziges und Rock'n'Rolliges exisitert auch nicht zu knapp, aber da ist nichts wirklich Bahnbrechendes dabei. In Sachen solidem Heavy Metal schicken sich Tarchon Fist aus Bologna jedoch an, diesen Zustand wenn nicht gerade vergessen zu machen, dann aber sicher gehörig aufzumischen. Dass dem wirklich so ist, bewies bereits der flotte Opener «Eyes Of Wolf», der trotz unüberhörbaren Maiden-Vibes erstaunlich frisch wirkte. Sänger Luigi Sangermano setzte sich von Anfang gekonnt und ohne Akzent gut in Szene und wurde von den Twin-Guitars seiner Kollegen Luciano Tattini und Fede Mengoli optimal unter-stützt. Dass der Frontmann optisch als vermeintlicher Bruder von Zak Stevens durchging und stimmlich zumindest in den oberen Lagen immer wieder mal an Bruce Dickinson erinnerte, war eigentlich nur mit positiven Attributen besetzt. Mit im Gepäck hatten Tarchon Fist das neue Album «Fighters» und beim Merchstand fand auch der letztjährige und selbstbetitelte Longplayer einige Abnehmer, zu denen ich mich mittlerweile ebenfalls zählen kann. Die Setliste war mit nicht weniger als Dreiviertel aller neuen Songs bestückt, der Rest stammte vom Full Length-Debüt. Dazu kam mit «Breaking The Law» eine von acht auf der Tour abwechslungsweise gespielten Cover-Versionen («Highway To Hell» oder «Running Free» gehörten zum Beispiel auch dazu), die sinnigerweise als «Headshaker» aufgeführt wurde. Was auch angenehm auffiel, waren die nicht wenigen Mitsing-Möglichkeiten und die beindruckenden Backing Vocals. Textlich mit durchaus truemetallischen Inhalten versehen, ver-sprühte die Chose die nötige Prise True Metal, die aber nie kitschig oder aufgesetzt daher kam. Was aber definitiv, nebst den technischen Fertigkeiten, überraschte, waren die innerhalb von gewissen Grenzen recht abwechslungsreichen Songs, die, wie bei «Bad Man Mania» mal mit power-metallischer Energie glänzten oder «Black Cold Fever» mit einem überaus rockigen Charakter auftrumpften. Leisere Töne gibt es grundsätzlich auch, aber die wurden dem Tonträger überlassen. Die leider nicht so zahlreichen Fans merkten jedoch zunehmend, wie gut die Italiener waren und zeigten im Rahmen ihrer Möglichkeiten immer mehr Reaktionen. Wer auf alte Saxon, Iron Maiden und generell traditionellen Heavy Metal der alten Schule steht, wird künftig an Tarchon Fist nicht mehr vorbei kommen. Obwohl erst seit 2005 in dieser Besetzung zusammen, zeigt Signore Tattini (g) als federführender Songwriter mit seinen 44 Jahren deutlich an, dass er nach diversen Wechseln über einige Erfahrung verfügt und diese nun im aktuellen Lineup voll entfaltet werden. Darum Leute: Augen auf, wenn diese Truppe wieder mal in der Schweiz spielt, denn da ist Hingehen absolute Pflicht!

Setlist: «Eyes Of Wolf» - «3 Days In Hell» - «Bad Situation» - «Falling Down» - «Fighters» - «Black Gold Fever» - «Metal Detector» - «Victims Of The Nations» - «Hammer Squad» - «Bad Man Mania» - «It's My World» - «We Are The Legions» - «Headshaker (Breaking The Law)» - «The Game Is Over».

Tokyo Blade
Ehrlich gesagt war ich nach dieser wirklich erfreulich starken Support-Band nicht sicher, ob Tokyo Blade da als Headliner echt noch ein paar Briketts nachlegen können. Dies umso mehr, wenn man weiss, dass von der ursprünglichen, anfangs der 80er gegründeten Formation ja nur noch Gitarrist Andy Boulton übrig ist. Die Liste der ehemaligen Musiker ist ellenlang, was nicht gerade für Kontinuität spricht, respektive gesorgt hat. Dies kann man auch vom Sound her sagen, der sich kaum treffend schubladisieren lässt und die Spannbreite zwischen Glam Rock und Heavy Metal zum Vorschein brachte. Ein gewisser Sänger namens Vic Wright, der 1990 mit Johnny Crash ein Hammer-Album («Neighbourhood Threat») einsang, zierte bekanntlich die 84er Kult-Scheibe «Night Of The Blade», wo der gleichnamige Titeltrack auch heute noch für Gänsehaut sorgt. In die gleiche Kategorie gehört «Sunrise In Tokyo» und weitere Kracher mehr. Wer sich mal durch die alten Scheiben hindurch pflügt, wird vor allem an die ganz alten Saxon, Warrior oder auch an die frühesten Urzeiten von Def Leppard erinnert. Dazu kommen immer wieder Elemente, die etwas später in der Glam-, Plüsch- und Hardrock-Szene erneut auftauchten. Von da her war es also durchaus interessant zu hören und sehen, was die aktuelle Besetzung mit dem jungen Sänger Chris Gillen, Gitarrist Frank Holland, Bassist Frank Sapardi und Drummer Lorenzo Gonzalez zustande brachte! Aber halt..., fehlt da nicht noch einer? Genau..., nämlich der Chef höchstpersönlich! Was wohl vor Ort kaum einer der Zuschauer, mich eingeschlossen (wenn überhaupt) bemerkte, war die tatsächliche Vakanz von Andy Boulton in Pratteln! Dies fiel mir nämlich erst jetzt beim Schreiben der Livereview auf, weil auf der unterschriebenen Setliste nur vier Namen prangen. Mehr Musiker standen aber ja gar nicht auf der Bühne! Komischerweise wurde seitens der Band kein Wort darüber verloren, aus welchem Grund Andy Boulton an diesem Abend nicht mittun konnte oder wollte. Das lässt das Konzert im Nachhinein natürlich in einem etwas anderen Licht erscheinen. Frank Holland machte seine Sache nämlich sehr gut und da kam jetzt niemand drauf (ausser denen, die Andy Boulton wirklich kennen), dass hier was, das heisst ein zusätzlicher Mann, fehlte. Wenn man jetzt aber bedenkt, wie fett oder eben ultrafett der Gitarren-Sound mit zwei Gitarristen hätte sein können, muss man fast eine Träne im Auge ausdrücken. Da war es an sich ein schwacher Trost, wenn man den mega abbangenden Bassisten auf der Bühne rumhampeln sah. Diese quasi Rumpf-mannschaft zeigte sich jedoch auch ohne ihren Häuptling sehr agil und songmässig kam einfach ein Brecher nach dem anderen. Wenigstens machte die erste Reihe (viel mehr als zwei hatte es gar nicht) voll mit und es wurde gar ein grosses Tuch mit dem legendären Schriftzug mitgebracht. Diese Die-Hard Fans waren es denn auch, die nichts anbrennen liessen und trotz der erbärmlichen Zuschauerkulisse dennoch voll auf ihre Kosten kamen. Was mich allerdings überraschte und mir persönlich natürlich nicht gerade gut rein kam, war die Rainbow Cover-Version vom Überhit «Long Live Rock'n'Roll». Den hätte man getrost weglassen können, ja müssen! Aber was solls, denn nach «Sunrise In Tokyo» folgte als Zugabe der finale Doppelschlag mit dem saustarken «Heaven Is Hell» (nicht etwa zu verwechseln mit Black Sabbaths «Heaven & Hell»!) und dem Jahrhundert-Banger «Night Of The Blade». Nach knappen 70 Minuten (mit Master Boulton hätte das bestimmt länger gedauert!) war leider bereits Schicht im Schacht. Doch auch so wussten alle anwesenden Fans, dass sie soeben eine echte NWOBHM-Legende hatten erleben und geniessen dürfen. Hoffentlich beehren uns Tokyo Blade bald wieder und dann möglichst zu fünft beim nächsten Mal!

Setlist: «Lovestruck» - «Someone To Love» - «Lightning Strikes» - «Midnight Rendez-Vous» - «Blackhearts And Jaded Spades» - «Mean Streak» - «Unleash The Beast» - «Dead Of The Night» - «Attack Attack» - «Monkeys Blood» - «Long Live Rock'n'Roll» - «Sunrise In Tokyo» -- «Heaven Is Hell» - «Night Of The Blade».