Livereview: VNV Festival - Electric Wizard - The Haunted
                             Samael - Mumakil - When Icarus Falls etc.
29. August 2009, Le Locle
By El Muerte
Das kleine Städtchen Le Locle am Rande der Schweiz zu Frankreich wird dem grössten Teil der Bevölkerung wohl als Uhrenmacherzentrum und Weltkulturerbe bekannt sein - Einige eingefleischte Musikfanatiker haben das Örtchen aber vor allem wegen dem VNV-Festival zur Sehenswürdigkeit auserkoren. Der ursprünglich als Betriebsfest geplante Event steigt nun schon zum sechsten Mal, und kann 2009 erneut durch seinen Spagatakt zwischen extremen Sounds und grösseren Headlinern punkten. Beackerten in der Vergangenheit nationale und internationale Bands wie Neurosis, Storm Of Light, Kehlvin, The Ocean, Switchback, Zatokrev, Berserk For Tea Time, Entombed und Co die drei Bühnen der zentral angelegten Eishalle, so lag es dies Jahr an Electric Wizard, The Haunted, Samael und Konsorten, das Publikum mitzureissen. Wie in den Jahren zuvor, schaffe ich es auch diesmal, die Temperaturen der auf etwa 950 m. ü. Meer gelegenen Stadt zu überschätzen, und frierte mir mitten in der Nach bei knapp 10 Grad den Arsch ab - Kleiner Tipp am Rande also für zukünftige Besuche an diesem sympatischen Event: Packt euch warm ein, ihr werdet es nicht bereuen!

Knapp nach unserem Eintreffen gegen 19h30 stiegen When Icarus Falls aus Lausanne auf's Podest der kleinen Zeltbühne. Obwohl atmosphärischer Post-Hardcore nicht zwingend der passende Sound ist, wenn die Sonne noch auf den Deckel scheint, so konnte die Band doch bereits durch amtlichen Druck überzeugen. Zwar machten sich die meisten Fans der härteren Stilrichtungen nach den ersten Noten gleich wieder vom Acker, doch im Schnitt blieben gut und gerne um die 50 Nasen an Ort und Stelle, um der Band beim Weben des Klangteppichs zu lauschen. Wie auch beim Gig Ende letzten Jahres im Ebullition ruckelten und holperten sich When Icarus Falls zwar noch durch einige Stellen, anonsten schienen sie aber klar ein paar ordentliche Schritte vorwärts gekommen zu sein. Ebenfalls erwähnenswert scheint mir an dieser Stelle übrigens auch der Sound gewesen zu sein, die wenigsten Festivalstartacts da draussen dürfen sich normalerweise über ein so breites Soundgewand freuen.

Knapp nach 20h00 war es dann an Kilowatt, die Marshall-Stage, die Zwillingsbühne der Mesa-Stage, einzuweihen. Die Band in Trio-Formation entpuppte sich als interessante Stoner/Sludge-Combo, die mit Luc Hess (Drums) und Louis Jucker (Bass) zudem noch zwei The Ocean-Musiker im Line-Up vorzuweisen hatte. Relativ unüberraschend waren es dann auch diese beiden Mucker, die die ansonsten ziemlich unspektakuläre Musik vorantrieben. Kilowatt verfügten über ein superbes Rythmikgefühl, und groovten sich schwer atmend durch die 40 Minuten an Songmaterial, während der Sänger/Gitarrist dem ganzen etwas unkreativ hinterherhinkte. Gute 80 Besucher hatten sich bis hierher vor der Bühne eingefunden, wobei die Reaktionen noch etwas verhalten daher kamen.

Eigentlich sollten zu diesem Zeitpunkt bereits Samael auf der Mesa-Stage loslegen, aber weil die Herren Rockstars sich vor Ort spontan dazu entschieden, erst später spielen zu wollen, schob man den lokalen Act Drums Are For Parades auf der Zeltbühne vor - Welcher mir aufgrund akutem Hungeranfall auch glatt entging.

Samael legten dann 50 Minuten später los, und konnten bereits zu Beginn des Sets auf etwa 300 Besucher vor der Bühne zählen. Leider verfügten sie nicht über einen halb so klaren Sound wie die bisherigen Bands, und so verschwammen beinahe sämtliche Songs im überdichten Klanggewirr. Lediglich knapp ein Viertel des dargebotenen Materials, quasi sämtliche groovendere Songs, entfachten eine ansprechende Wirkung. Das Publikum reagierte deswegen ziemlich zurückhaltend, und ein grosser Teil der anfänglich freudigen Stimmung ging im Lauf des Gigs klar verloren. Fronter Vorph konnte mit seinen französisch-sprachigen Ansagen punkten, ansonsten wurde von ihm selber nicht viel Leistung geboten - Am meisten Showpunke gingen klar an Basser Mas, der wie eh und jeh umherhüpfte, als hätte er gerade mal eben um die zwanzig Jahre weniger auf dem Buckel. Was mir persönlich nebst dem schlechten Sound und der arg chaotischen Songauswahl aber wirklich auf den Senkel ging, was Perkussionst/Synthie-Mann Xy's Performance. Wieviel der Sounds ab Band, und wie viel tatsächlich von ihm kommen, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben - Aber Tatsache ist klar, dass er die ganze Perkussions-Geschichte lieber sein lassen sollte. Nicht nur, dass die zusätzlich von ihm bearbeiteten Becken gar nicht mikrofoniert wurden - Er spielte zwischendurch einfach auch grässlich neben dem Beat vorbei. Insofern scheint mir also die Frage nach der Existenzberechtigung durchaus gerechtfertigt. Gut 50 Minuten nach dem Beginn der Show legte das Quartett noch zwei Zugaben nach, bevor dann endgültig Schicht im Schacht war. Der äusserst schale Beigeschmack des Gigs blieb derweil offensichtlich nicht nur mir im Mund hängen: Der Applaus am Ende des Gigs brodelte auf einem absoluten Minimum…

The Haunted konnten zwar zu Beginn der Show nicht auf den selben Zulauf wie Samael zählen, doch im Gegensatz zu den vier Nachtschattengewächsen aus Sion legten sie während des einstündigen Gigs konstant an Publikum und Reaktionen zu. Das Quintett stand bei der Öffnung des Vorhangs direkt startbereit auf der Bühne, um mit 'Pieces' vom aktuellen Album 'Versus' die Show zu eröffnen. Wie üblich konzentrierten sich Drummer Per und die beiden Björler-Zwillinge (Jonas / Bass und Anders / Gitarre) stoisch auf ihre musikalische Aufgabe, während vor allem Klampfer Jensen und natürlich Fronter Pete die Bühne für sich beschlagnahmten. Die vorderen Reihen des Publikums verhielten sich konstant in Bewegung, der Pit zerbrach desöfteren in Einzelteile, um kurz darauf wieder neu zu entflammen, während weiter hinten klar einfach mal geguckt und zugehört wurde. Pete konnte es auch diesmal nicht lassen, seine Weisheiten am Rande der Songs ins Publikum zu schmettern, aber der Fokus lag klar auf der fein ausbalancierten Mischung aus alten und neueren Songs. Zu seinen Sternstunden zählten diesmal etwa seine Tirade auf Weltbürger, die andauernd die Schweiz mit Schweden verwechselten, einige kleinere Überlegungen zur Chemie der Björler-Zwillinge, sowie das spotthafte Denunzieren einiger sich all zu wichtig nehmender Konzertbesucher. Das letzte Drittel der Show, das mit '99' eingeläutet wurde, verzeichnete klar die stärksten Publikumsreaktion, inkl. zweier sich selbtständig aufbauender Wall Of Death', und Mitgröhl-Zitaten bei 'Bury Your Dead'. Richtig fett kam dabei auch das überraschende und finale 'The Guilt Trip' mit seinem atmosphärischen Refrain. The Haunted haben auch am VNV-Festival mal wieder gezeigt, wie spannend Thrash Metal heutzutage klingen kann, und vermochten dank einiger zurückgeschraubten Momente wie in 'The Drowning' und 'Trenches' den Spannungsbogen optimal zu halten.

Gleich nach The Haunted lag es an Mumakil, das Publikum ein letztes Mal an diesem Abend niederzumähen - Hier allerdings wieder auf der Zeltbühne. Was folgte, war allerdings kaum mehr als ein laues Lüftchen. Die Band, die die letzten Jahre über kontinuierlich ihren Ruf gesteigert hat, vermochte an diesen Abend kaum mehr als das Minimum zu reissen, was allerdings klar zu 100% dem Tontechniker in die Schuhe zu schieben war. Denn obwohl sich die Band voll und und ganz ins Zeug schmiss, kam von der entfachten Energie kaum was im Publikum an, die Show wurde schlicht zu leise und undurchsichtig gefahren. Und anstatt sich mit aller Mühe um einen guten Sound zu kümmern, turtelte der Tontechniker lieber mit seiner Freundin, und checkte abwechlungsweise das Dezibel-Messgerät - Ein Reinfall auf der ganzen Linie. Das Publikum gab sich alle Mühe, der Band die gebührende Ehre zukommen zu lassen, und das Zelt blieb beinahe die ganze Show über proppenvoll - Aber die Tatsachen blieben die gleichen. Schade um den Auftritt und die Band, dem Mischer gehören hier klar die Ohren langgezogen.

Electric Wizard schliesslich sollten das Festival in eine wabernde Wolke aus Doom hüllen, und entgegen ihren Vorgängern von Mumakil gelang ihnen ihr Kunststück beinahe mühelos aus den Hüften geschwungen. Der Sound wurde die Show über konstant besser, und Publikum wie auch die vier Musiker entschwebten ohne Vorwarnung und nur bedingt unter Einfluss weiterer bewusstseinserweiterenden Mittel in die nächsten Sphären - Die Band war klar mehr als geschaffen für das VNV-Festival. Über die folgenden 70 Minuten wurde die Trägheit geradezu zelebriert, und während der Gesangseinsatz auf einem absoluten Minimum gehalten wurde, kam der massive Groove zur vollen Blüte. Meist wurde die Bühne in simplen aber durchdringenden Rot- und Blautönen gehalten, während dicker Nebel um die Musiker aufstieg - Ein Bild, das mit dem schweren Sound Hand in Hand einher ging.

Das VNV-Festival schaffte es auch mit der diesjährigen Ausgabe, den Ruf als kleines aber feines Festival zu festigen - Was vom mitunter von überraschend weit her angereisten Publikum auch bestätigt wurde. Das Rahmenangebot kann aufgrund einer breit gefächerten Anzahl an diversen Ess-, Getränke, und Merch-Stände getrost als breitgefächert archiviert werden, und die Preispolitik bewegt sich seit jeher auf locker bezahlbarem Niveau. Toll ist auch, dass man mittlerweile auch von der offiziellen Seite her auf die kühlen Temperaturen reagiert hat, und zu Niedrig-Preisen auch Glühwein, Tee und Konsorten anbietet. Unter'm Strich also klar eine Empfehlung an dieser Stelle: Wer fernab vom Mainstram einfach etwas gute Musik entdecken möchte, und dabei die Reise in andere Regionen nicht scheut, der ist mit dem VNV-Festival äusserst gut bedient.