Interviews zu führen ist eine Sache, die mir extrem Spass macht. Das
beginnt schon bei den Recherchen und die Spannung steigert sich bis
zu dem Moment, in dem ich den Musiker vor mir habe und die ersten
Fragen stelle. Einen besonderen Reiz üben dabei natürlich grosse,
bekannte Musiker wie Scott Ian von Anthrax aus, die in diesem
Frühling die Schweiz mit ihrem alten Sänger Joey Belladonna
beehrten. Als Journalist strengt man sich da besonders an, weil man
zum einen seinen Idolen begegnen kann, zum andern, weil man diesem
nicht die gleichen Fragen stellen will, wie die Heerscharen von
Journalisten in all den Jahren vorher. Man will es also besonders
gut machen und bereitet sich entsprechend vor. Was dann vor Ort
entscheidet ist, sind zum einen die Fragen, zum anderen die
Grundstimmung des Musikers und schlussendlich die Flexibilität und
die Erfahrung des Journalisten. Und irgendwo schien da an diesem
grauen, verregneten Mittwoch Abend der Wurm drin zu stecken. Als
mich Scott eher kühl begrüsste und nicht richtig anwesend zu sein
schien, stellte ich mich auf ein schwieriges Interview ein, was es
dann auch wurde. Es wurde eine Herausforderung, die bewies, dass man
auch unter solchen Umständen noch einiges retten kann. Aber lest
selbst. P.S: Das Interview habe ich für's Radio Kanal K gemacht, Ihr
bekommt hier also die exklusive, ungeschnittene, unzensierte Version
zu lesen.
MF: Hallo Scott. Ihr hattet schon viele Auftritte mit dem neuen
"alten" Line-Up vor dem heutigen Konzert. Wie waren die bisherigen
Reaktionen?
SI: Die waren bisher grossartig. Wir starteten damit vor gut einem
Jahr und haben jetzt über 100 Konzerte gespielt. Die letzte Tour in
den USA im Januar war toll, und auch die Europa-Shows sind sehr gut.
MF: Die Fans haben das neue Line-Up also akzeptiert?
SI: Ja schon, ich kann es zwar nur anhand der Konzerte beurteilen,
aber die meisten Shows auf diesen Touren waren ausverkauft und die
Stimmung war immer gut, es war stark.
MF: Ich habe im Vorfeld einige Schweizer Anthrax-Fans getroffen,
die mir gesagt haben, dass sie Anthrax nicht ohne John Bush am
Gesang sehen wollen. Wie reagierst du darauf?
SI: Ich denke, das ist okay. Es ist eine Meinung, und ich kann
nichts tun, um diese zu ändern. Es geht in Ordnung.
MF: Ich nahm euch vor sechs Jahren zum ersten Mal wahr, als ich
eine Metallica-Biographie gelesen habe. Ihr habt den Bandraum in New
York mit denen geteilt. Wie war diese Zeit?
SI: (lacht) - Du kannst wahrscheinlich alles darüber im Internet
finden. (lacht) - Ja, es war eine sehr gute Zeit. Wir waren alle
jung und hatten keine Ahnung von nichts. Es war schlicht eine
lustige Zeit, um in einer Band zu sein, und um Musik zu machen.
MF: In eurer Bandkarriere wart ihr drei Mal für den Grammy
nominiert, habt ihn aber nie gewonnen. Wieso nicht?
SI: Ich weiss nicht. Ich denke, wir haben schlicht weniger Stimmen
erhalten als diejenigen, die gewonnen haben. Ich weiss nicht.
MF: Ist es nicht enttäuschend für dich, drei Mal nominiert
gewesen zu sein, und niemals gewonnen zu haben?
SI: Nein, das kümmert mich nicht.
MF: Ist es für dich wichtig, solche Preise zu gewinnen?
SI: Nein, ich meine, was bedeutet schon ein Award? Er bedeutet für
mich nichts. CDs zu machen bedeutet alles für mich. Also gute Songs
zu schreiben und Konzerte zu spielen. Das ist, was mir was bedeutet.
MF: Die Ereignisse des 11. September 2001 waren nicht so schlecht
für deine Band, weil es danach diese Anthrax-Panik gab. Heute sind
mehr als vier Jahre vergangen, wie siehst du rückblickend diese
Zeit?
SI: Ich denke gar nichts darüber. Es war eine sehr schlimme Zeit.
Und ich bin schlicht glücklich, dass wir das überlebt haben. Wir
werden immer noch von demselben Arschloch von Präsidenten regiert.
Aber daneben geht es uns wieder ein bisschen besser.
MF: Ich las heute in einen grossen, deutsch Metal Magazin. Du
hast Ted Nugent getroffen, der politisch eine ganz andere Meinung
als du hat, aber du hattest es gut mit ihm. Wie war es, mit ihm
zusammen zu arbeiten?
SI: Du weisst in diesem Falle schon die Antwort, weil du's schon
gelesen hast. Es war grossartig.
MF: Ist er ein angenehmer Typ?
SI: Er ist eine grossartige Person.
MF: Ihr musstet wegen der Reunion mit Belladonna viel Kritik
einstecken. Ein Grossteil der Presse erzählt den Fans, also uns,
dass ihr es nur wegen dem Geld macht. Stimmt das?
SI: Wieso fragst du mich diese Frage? Wenn du es glauben willst, und
die Antwort vom Internet haben willst, kannst du sie von dort haben.
Für mich ist diese Frage aber eine Zeitverschwendung. Ich meine, was
denkst du, was ich zu dieser Frage sagen werde? Ja, wir haben es
wegen dem Geld gemacht. Ja, wir alle haben 10 Millionen Dollar
erhalten. Wir haben jeder 100 Millionen Schweizer Franken erhalten.
Und ich habe erst kürzlich eine riesige Jacht gekauft. Und ich werde
um die Welt segeln, dank all dem Reuniongeld, das ich erhalten habe.
Ja, wir taten es nur fürs Geld.
MF: Okay (lacht)
SI: Das ist die Antwort, die ich den Leuten gebe, die das sagen. Ja,
ihr habt Recht! Ihr habt mich erwischt!
MF: Was hältst du von solchen Leuten? Bist du wütend auf solche
Personen?
SI: Nein, weil es eine Zeitverschwendung ist, darüber nachzudenken.
Es ist auch eine Zeitverschendung für dich, mir diese Frage zu
stellen. Es ist schade zu denken, dass wir es wegen dem Geld machen.
Es ist sogar eine Zeitverschwendung, nur eine einzige Minute darüber
zu sprechen.
MF: Gut, ein anderes Thema: Mit eurem letzten Album "We've come
for your all" hattet ihr wieder grossen Erfolg. Was sind die
Unterschiede zwischen diesem Album und seinem weniger erfolgreichen
Vorgänger?
SI: Das sind die neun oder zehn verschiedenen Songs darauf. Wir
haben keine Kontrolle über das, was passiert. Wir machen eine Platte
und die Plattenfirma bekommt sie. Das ist ausserhalb unseres
Einflusses. Wenn sie erfolgreich ist, freut uns das. Und wenn sie
nicht erfolgreich ist, gibt es nichts, was wir dagegen tun könnten.
Wir könnten sowieso nichts dagegen unternehmen. Das ist auch nicht
unsere Aufgabe. Alles was wir tun können, ist die Songs zu schreiben
und sie auf der Bühne so gut wie möglich zu spielen. Und das ist es,
was wir immer getan haben, seit 1984. Und manchmal hatte eine Platte
mehr Erfolg als eine andere, und ich weiss ehrlich gesagt nicht,
wieso das so ist. Hoffentlich ist es so, weil unsere aktuelle
Plattenfirma (Nuclear Blast) ihren Job besser macht, als die vorige.
MF: Was ist mit dem nächsten Album. Wünschst du dir, dass sie an
den Erfolg anknüpfen kann?
SI: Ja, natürlich. Ich meine, wir hoffen natürlich bei jeder Platte,
dass sie Erfolg haben wird. Wir möchten jedes Mal, dass sie von
möglichst vielen Leuten gehört und geliebt wird. Weil wir sie nur
für's Geld machen. Darum ist es natürlich, dass wir hoffen, dass sie
möglichst viel Erfolg hat. Weil je mehr Erfolg eine Platte hat,
desto mehr Geld erhalten wir. (lacht sarkastisch) - Ja, natürlich.
Wir werden eine neue Anthrax-Platte aufnehmen, und ich hoffe, die
Leute werden sie noch mehr mögen als die letzte.
MF: Als ich eure Homepage angeschaut habe, habe ich gesehen und
gespürt, dass ihr alle selbst grosse Heavy Metal Fans seid. Welches
war denn dein erstes Metal-Album?
SI: Mein erstes Metal-Album? Das war wahrscheinlich Black Sabbath's
"Paranoid"-Album. Das war wahrscheinlich mein erstes richtiges
Metal-Album, das ich besessen habe.
MF: Cool! Was kam danach?
SI: Alles. Sag mir eine Band von damals, und ich werde sie wohl
irgendwie gemocht haben und ich werde sie wahrscheinlich auch heute
noch mögen. Ich liebte jede Metal Band. Das Einzige, was ich nicht
hörte, waren Bands wie Poison und solche Sachen. Ich habe diese Art
von Bands nie verstanden. Diese Art von Pop-Metal.
MF: Das war dieser Glam-Rock-Stil?
SI: Ja! Ich mochte den Glam-Stil nie. Aber sonst alles, was hart
war. Alle Arten von Metal, also Thrash, Black, Death, Heavy Metal.
Ich mag alle Metal-Stile.
MF: Gibt es auch eine Schweizer Gruppe, die du magst?
SI: Ja: Celtic Frost! Die sind grossartig.
MF: Die haben ja jetzt eine Reunion. Was hältst du von dieser
Reunion?
SI: Ich weiss davon. Ich habe das neue Album und ich mag es. Ich
freue mich sehr, sie mal zu sehen.
MF: Weisst du schon, wann du sie sehen wirst? Vielleicht auf
einem Open-Air, wo ihr zusammen spielt?
SI: Wir werden dieses Jahr keine Open-Air-Konzerte spielen, weil wir
dann das neue Album aufnehmen. Aber Celtic Frost werden eine Tour in
den Staaten im Verlauf des Jahres spielen. Wahrscheinlich werde ich
sie in New York oder in Los Angeles schauen gehen.
MF: Als du den Metal entdeckt hast, war ebenfalls die Disco-Szene
sehr gross. Wieso hast du dich für den Metal entschieden, mochtest
du Disco nicht?
SI: Also ich mag eigentlich alle Arten von Musik. Okay, mit Ausnahme
des Glam-Rocks. (lacht) - Aber ich habe auch Funk und Disco geliebt.
Ich höre mir alles an. Egal, ob es mir gefällt oder nicht. Das ist
ganz einfach. Und je mehr ich mag, desto besser ist es. Weil ich
dann mehr Auswahl habe, was ich hören möchte. Du weisst, wie das
ist. Manchmal habe ich Lust, Disco zu hören, und manchmal habe ich
Lust Metal zu hören, das hängt von meiner Stimmung ab.
MF: Denkst du denn, dass diese Dinge, die du hörst, also zum
Beispiel Black- und Death Metal, einen Einfluss auf deine aktuellen
Songs haben?
SI: Möglich..., kann sein. Weil ich denke, dass alles, was um uns
ist, einen Einfluss auf meine Songs hat..., irgendwie. Ja, ich bin
sicher, irgendwie hat alles Einfluss auf uns.
MF: Was ist die wichtigste Sache in der Metal-Szene für dich?
SI: Was die wichtigste Sache ist...? Ich weiss nicht. (lacht) -
Spass haben. Das ist die wichtigste Sache. Und das man nicht immer
alles so ernst nimmt. Ich denke, man sollte mehr lachen in der
Metal-Szene. Die Leute sind die meiste Zeit einfach zu ernst. Es ist
in Ordnung, wenn man Spass hat.
MF: Zu den Fans: Spricht ihr oft nach den Konzerten mit den Fans?
SI: Das tun wir bei jedem Konzert. Wir haben bei jeder Show ein "Meet
& Greet". Wir treffen also die Fans und die Fanclub-Mitglieder jeden
Abend.
MF: Das heisst, ihr kennt einige Fans schon sehr gut?!! Gibt es
Fans, die du kennst, die du an jedem Schweizer Konzert siehst?
SI: Hm..., also wir haben ja normalerweise nur ein Konzert in der
Schweiz.
MF: Und an anderen Orten?
SI: Ja, wir haben viele Freunde in verschiedenen Ländern. Zum
Beispiel gibt es viele in Grossbritannien, die an jedes Konzert
kommen und solche Sachen. Einer unserer Freunde heisst Petre und
kommt aus Schweden. Er hat bis jetzt 99 Anthrax-Konzerte gesehen.
Also wird das nächste sein 100-stes sein. Das ist ziemlich cool.
MF: Wird er auf der Gästeliste stehen?
SI: Ja, der ist immer auf der Gästeliste. (lacht)
MF: Was hältst du von eurem Fanclub? Ich habe gesehen, dass ihr
eine Extra-CD für dessen Mitglieder gemacht haben, oder gibt es die
gar nicht?
SI: Nein..., nein, wir haben keine spezielle CD gemacht. Aber der
Fanclub ist toll. Und die Fanclub-Mitglieder dürfen bei jeder Tour
Backstage kommen. Alles, was die zu tun haben, ist sich auf der
Homepage einzutragen, und dann dürfen sie Backstage kommen. Es ist
sicher toll, in unserem Fanclub zu sein. Weil wenn ich zum Beispiel
in einem Iron Maiden-Fanclub wäre und zu ihnen Backstage gehen
dürfte, würde ich mich auch sehr freuen.
MF: Du hast aber Steve Harris und Co. schon getroffen?
SI: Ja, wir tourten mit denen ein paar mal. Also circa zehn Mal.
MF: Diese Fanclub-Sache mit den Backstage-Pässen ist ziemlich
aussergewöhnlich. Weisst du, wieso das andere Bands nicht tun?
SI: Ich weiss nicht, ich kann nicht für andere Bands sprechen. Ich
habe keine Ahnung.
MF: Wann kam dann bei euch die Idee, diese Sache zu starten?
SI: Wir dachten darüber nach, dass das noch cool sein könnte. Also
in einen Fanclub beizutreten und die Band treffen zu können. Das war
alles.
MF: Ich habe es schon vorher mal angesprochen, dass du jeden
Monat für den Metal-Hammer schreibst. Wieso machst du das?
SI: Weil es Spass macht. Die fragten mich vor ein paar Jahren an,
und ich habe dann angefangen, es zu tun. Ich weiss nicht genau, es
macht mir einfach Spass. Es gibt mir eine Art direkte Kommunikation
zu den Leuten. Weil die lesen können, was ich schreibe und sie mir
e-mailen können. Für mich ist es einfach cool, so einen direkten
Draht zu haben. Und die brauchen mich nicht einmal für die Kolumnen
zu bezahlen. Ich mache das gratis. (lacht)
MF: Du kannst dir keine Villa dafür kaufen?
SI: Nein, weil ich so viel Geld für die Reunion bekommen habe, so
dass ich für die Schreibarbeit beim Metal-Hammer keinen Lohn
brauche. (lacht)
MF: Es macht wirklich Spass, deine Kolumnen zu lesen. Ist es für
dich auch eine Art Tagebuch?
SI: Ja, so eine Art. Ich habe eine neue Kolumne gestern geschrieben,
für die nächste Ausgabe. Und es wurde so im Stile eines
Tourtagebuchs. Also ich habe über das geschrieben, was in den
letzten Wochen so geschehen ist. Ich geniesse es, dies zu tun. Ich
schreibe ebenfalls Kolumnen für den griechischen Metal-Hammer, für
ein Heft in Polen und ebenfalls für eines in den Vereinigten
Staaten. Aber ich schreibe für jedes Magazin andere Dinge, weil das
alles verschiedene Orte und Kulturen sind. Und ich war an all diesen
Orten schon sehr oft, so dass ich deren Unterschiede und Vorlieben
kenne. Weil Griechenland ist nicht gleich wie Deutschland, also
schreibe ich dort auch andere Dinge.
MF: Aber du wirst für bei keinem Magazin bezahlt dafür?
SI: Nein, es ist wirklich nur für den Spass an der Sache. Ich liebe
es zu schreiben, es fällt mir leicht zu schreiben.
MF: Wir sind bereits am Ende. Scott, vielen Dank für's Interview.
|
|
|