Interview: Apocalyptica
By Roger W.
Dass man Metal auf Celli spielen kann, beweisen die Finnen Apocalyptica seit nun mehr als 11 Jahren und 6 Alben. Ihr neuster Silberling heisst Worlds Collide und bietet metallisches Stahlwerk der höchsten Güteklasse. Grund genug also, mich persönlich bei Eicca Toppinen und Paavo Lötjönen über deren Hintergründe zu informieren. Here we go!

MF: Eure Vorgruppe auf dieser Tour ist Sturm und Drang. Was haltet ihr von den fünf Jungs?

Eicca Toppinen: Das ist eine coole Band. Die spielen zwar nicht unsere Lieblingsmusik, aber sie machen ihre Sache sehr gut. Und darum wollten wir sie auch als Vorgruppe dabei haben.

Paavo Lötjönen: Das sind zwar sehr junge Leute, die noch viel zu lernen haben. Aber die Spielen jetzt schon sehr gut und kommen zudem aus unserem Heimatland.

ET: Die sind auf dem richtigen Weg. Wir wollten sie raus nach Europa bringen um ihnen zu zeigen, wie es ausserhalb von Finnland so läuft.

MF: Wie waren die Reaktionen bisher?

ET: Überall gab es sehr gute Reaktionen und ich denke, Sturm und Drang sind sehr gut aufgenommen worden.

MF: Und für euch?

ET: Massiv! (lacht)

MF: Läuft es besser als früher?

ET: Ja, viel besser

PL: Die Shows sind besser.

ET: Ja, alles ist besser. Der Sound, das Licht, wir spielen besser und das Publikum steht stärker denn je hinter uns.

MF: Merkt ihr denn einen starken Unterschied zwischen dem diesjährigen Publikum und demjenigen der vergangenen Tourneen?

ET: Hm… vielleicht ist es aktiver. Speziell in Deutschland fanden wir, dass das Publikum viel mehr abgegangen ist als früher. Und es hatte viel mehr gut aussehende junge Mädchen in den vordersten Reihen.

PL: Ja, das war sehr positiv. Aber man kann unser Publikum auch nicht in verschiedene Sparten einteilen. Es ist nicht ein reines Heavy Metal-Publikum und es ist auch kein reines Rock-Publikum. Es ist immer ein Mix von verschiedenen Leuten, was wir sehr schätzen. Sie machen sehr gut mit.

ET: Man braucht ein Gefühl, damit zwischen Band und Publikum eine Beziehung entsteht. Und auf dieser Tour hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich mit dem Publikum kommunizieren konnte. Nicht mit Worten, sondern z.B. mit den Augen. Und so ist es wirklich grossartig zu spielen, und wir geniessen es sehr.

MF: Ich durfte euer neues Album bewerten. Für mich ist es ein kurzweiliges Album mit Pop-Anleihen ohne wirklich in die Nähe von Pop zu gelangen. Was denkt ihr darüber?

ET: Ich denke, unser Songwriting hat diesmal zumindest Ansatzweise was Poppiges. Uns war es wichtig, dass die Songs möglichst klar auf den Punkt kommen. Die Grundideen der Lieder sind sehr einfach. Darauf bauten wir dann die Energie und die Stimmung auf. Und das ist es, was dann den Metal ausmacht. Am Ende hatten wir sogar Angst, weil wir dachten, es sei zu poppig rausgekommen. Und dann spielten wir es einigen deutschen Journalisten vor und die sagten, dass es ziemlich heavy klingt. Also ich denke, dass gewisse Lieder Popsongs sein könnten, wenn wir sie nur leicht umarrangieren würden. Wie z.B. „I Don’t Care“ oder „SOS – Anything But Love“.

PL: Ich meine, was ist den der Hauptunterschied zwischen Metal, Rock oder Pop? Ich denke, es hängt sehr stark vom Arrangement ab.

ET: Was vielleicht das Pop-Feeling ausmacht ist, dass das Album sehr schnell im Ohr hängen bleibt. Und es ist sehr einfach, den Stücken zu folgen, sogar wenn es sich um kompliziertere Stücke handelt. Aber trotzdem weißt du immer, wo du bist. Und das macht den grössten Unterschied zu den anderen Alben aus. „Worlds Collide“ ist irgendwie Pop. Denn Pop ist, was einfach zu hören ist.

MF: Vor ein paar Jahren habt ihr den Rammstein-Song „Der Seemann“ mit Nina Hagen aufgenommen. Auf dem neuen Album ist nun ein Song, der von Rammstein-Sänger Til Lindenmann eingesungen wurde. Wie kam es dazu? War es wegen dieser Coverversion?

ET: Nicht wirklich. Wir mögen Rammstein schon lange und sind grosse Fans von ihnen. Und wir wussten, dass die Band unsere „Der Seemann“-Version gut fand. Vor zwei Jahren haben wir einige Shows mit ihnen gespielt. Sie haben uns dann gefragt, ob wir einen Remix von „Benzin“ machen möchten, was wir auch taten. Und ab da hatten wir gute Kontakte zu ihnen.

MF: Eure David Bowie Version von „Heroes“ klingt ziemlich fest nach Rammstein. Wann habt ihr bemerkt, dass es Ähnlichkeiten zwischen Bowie und Rammstein gibt?

ET: Nun, Til Lindenmanns Stimme ist so charaktervoll. Meiner Meinung nach erinnert „Helden“ vor allem so stark an Rammstein weil Til Lindenmann eine so starke Stimme hat. Seine Stimme IST Rammstein. Wir haben nie darüber nachgedacht, ob Bowie ähnlich wie Rammstein klingt. Aber es ist auch so, dass selbst wenn Till Lindenmann zu Panflötenmusik singen würde, es noch nach Rammstein klingen würde. Und darum erinnert auch „Helden“ an Rammstein. Weil es überhaupt nicht wie Rammstein klang, bevor seine Stimme da war. Das Gleiche gilt für Corey Taylor. Einige sagen, der Song könnte genau so gut auf einem Stone Sour-Album sein. Aber hey, hört euch den Song mal genau an und vergleicht ihn dann mit Stone Sour. Da gibt es überhaupt keine Ähnlichkeiten ausser der Stimme. Aber die Stimme macht so viel vom Sound aus, dass es immer nach Stone Sour klingen wird, egal was du darum herum arrangierst.

PL: Helden verbreitet aber durchaus dieses staatische Gefühl, welches typisch für Rammstein ist. So dass an den Vergleichen durchaus was dran ist.

MF: Spielt ihre diese Songs denn heute Abend auch, ohne Gesang?

ET: Ja.

MF: Also kommen wir in den Genuss der Rohversionen?

PL: Ja, und dann siehst du, ob es für dich immer noch nach Rammstein klingt oder nicht.

MF: Mit „Worlds Collide“ habt ihr euren langjährigen Drummer Mikko Sirén definitiv als offizielles Mitglied in die Band aufgenommen. Wieso war jetzt die Zeit reif dafür?

PL: Ich denke, dass der Wechsel bereits vor 2 – 3 Jahren passiert ist. Er war da schon einige Zeit mit uns auf Tour und hatte schon längst den Status eines offiziellen Bandmitglieds. Das Schlagzeug ergänzte ja bereits da seit einiger Zeit unseren Sound. Und irgendwie hatten wir das starke Gefühl, dass es auch langfristig bleiben würde. Also gab es keinen Grund, ihn länger als Gastmusiker zu behandeln.

MF: Es gibt Old-School-Apocalyptica-Fans, welche die Band nur ohne Schlagzeug mögen. Ist die Aufnahme des Schlagzeugers auch als Statement zu verstehen, dass diese alten Zeiten jetzt definitiv vorbei sind?

ET: Das können wir so nicht sagen. Man weiss ja nie.

PL: Auf Tour spielen wir einige Songs auch ohne Schlagzeug. Wir spielen zum Beispiel die Balladen ohne Mikko. Eigentlich ist es ja Mikko, der uns immer drängt, wir sollten mehr Lieder ohne Schlagzeug spielen. Es gibt Songs, die es brauchen und solche, die es nicht brauchen.

ET: Es gibt einigen Songs mehr Energie und mehr Wut mit dem Schlagzeug. Und es klingt anders als es klang, als wir noch keines hatten. Aber das ist nur eine natürliche Entwicklung im Liederschreibprozess. Als die Songs anfingen so hart zu werden, fingen sie an ein Schlagzeug zu benötigen. Ich meine, wenn es ohne Schlagzeug nicht gleich gut klingt, wieso sollten wir da darauf verzichten? Der Wechsel kam also von der Musik selbst, welche wir geschrieben haben. Es geschah also nicht nach Plan, sondern war mehr eine Feststellung, dass wir diese Lieder nicht ohne Schlagzeug spielen konnten, wenn wir wirklich das Beste aus dem Stück rausholen wollten.

PL: Tatsache ist, dass wir das Schlagzeug wollten. Und darum kümmern uns die Sorgen solcher Old-School-Fans nicht. Natürlich akzeptieren wir ihre Meinung, dass sie Apocalyptica mehr mögen, wenn kein Schlagzeug zu hören ist. Das geht in Ordnung für uns.

ET: Aber Dinge verändern sich und müssen sich auch verändern.

PL: Wir können nun mal andere Meinungen nicht berücksichtigen und machen darum in erster Linie das, was wir wirklich wollen.
Wie stehst du dazu?

MF: Ich mag das Schlagzeug. Ich hatte eher Mühe, als ihr noch keines hattet. Und ich mag es, wenn eine Band es wagt, sich weiter zu entwickeln.

PL: Für uns geht es vor allem darum, unsere musikalischen Bedürfnisse zu befriedigen.

MF: Ich meine, man kann die Zeit ja nicht anhalten…

PL: Ja. Wir haben da eine Entwicklung, die voranschreitet und auch einiges ändert. Aber dadurch entsteht auch immer wieder was Neues.

MF: Unsere Zeit ist schon um. Gibt es noch etwas, was ihr euren Schweizer Fans mitteilen möchtet?

ET: Wir sind sehr glücklich, dass wir auf dieser Tour auch in der Schweiz spielen können. Wir waren in den letzten Jahren ein wenig frustriert, weil wir zwar fast jedes Jahr hier waren, es aber nicht richtig vorwärts zu gehen schien. Denn wir haben hier immer in den gleichen kleinen Clubs gespielt. Das bewirkte ein Gefühl, als ob die Schweizer mit uns nichts anfangen könnten. Und jetzt plötzlich geht es vorwärts und wir müssen bedauern, dass das Konzert ausverkauft ist. Wir hoffen aber, in der Festival-Saison zurückzukommen, damit uns auch diejenigen sehen können, die uns diesmal leider verpasst haben.