Interview: Axel Rudi Pell

By Tinu
 
Immer noch grosse Träume.



Axel Rudi Pell hat sich seinen Erfolg über all die Jahre hart erarbeitet. Heute gibt es ein klares Qualitätsigel. Wo ARP drauf steht, da ist auch ARP drin. Kurz vor der Show im ausverkauften Z7 hatte ich die Möglichkeit nicht nur mit dem Gitarrenvirtuosen zu plaudern, sondern auch noch Sänger und Sympathikus Johnny Gioeli und Drum-Legend Bobby Rondinelli vor das Aufnahmegerät zu bringen. Alle drei erwiesen sich als äusserst relaxt, freundlich und zuvorkommende. Im Mittelpunkt des Geschehens sollte die Jubiläumsshow zu 25-jährigen Bestehen von Axel Rudi Pell sein, welche 2014 in Balingen über die Bühne ging, aber auch der damit verbundene organisatorische Aufwand. Wieso der Blackmore-Verehrer nicht alle Gäste in Süddeutschland auf die Bühne brachte erzählte der Gitarrist ebenso, wie Bobby über sein Nicht-Engagement bei Kiss, oder seine Zeit bei Doro, wie Johnny über seine Pläne für die Zukunft.

MF: Gehen wir kurz zurück zur Jubiläumsshow in Balingen. Wie seid ihr damit zufrieden?

Axel: Ich bin damit total zufrieden. Das Einzige was für die anwesenden Fans nicht so schön war, waren die Umbaupausen. Die waren aber leider nicht zu vermeiden. Wir spielten zum Schluss des Festivals und eine Show am Stück wäre sicherlich besser gewesen. Stress gab es ein halbes Jahr davor, um die richtigen Gäste zu finden und ob die alle Zeit für diese Show haben. Auch die ganze Organisation um das Konzert erwies sich als relativ schwierig. Das fing bei der Songauswahl an und endete bei der Frage, wo wir mit all den Gästen proben können. Das komplette Wochenende war für mich aber total entspannt. Da hätte ich gerne noch 30 Minuten oder eine Stunde weitergespielt (grinst). Obwohl mir erst am Schluss auffiel, dass ich der einzige Musiker war, der permanent auf der Bühne stand. Vom ersten Ton mit Steeler, bis am Schluss. Jeder Musiker hatte seinen Part oder wurde kurz ausgewechselt, nur ich blieb die ganze Zeit auf der Bühne. Ausser beim Drumsolo zwischen Bobby und Vinnie. Da habe ich hinter den Amps mal kurz eine geraucht (grinst). Alles war aber total schön und super. Auch unter den ganzen Gästen lief alles völlig entspannt ab. Die hatten ihren Spass. Es war keine Diva dabei, die rummeckerte.

Bobby: Wow, das war eine verdammt lange Geschichte (grinst). Ich denke, das war ein grossartiges Konzert…

Axel: …glaub ihm kein Wort (alle lachen)…

Bobby: …und ich genoss es sehr. Es hat Spass gemacht, auch dieses Drum-Battle zusammen mit Vinnie Appice. Allerdings hatte ich Angst, dass die Leute einschlafen würden, weil die Show so lange dauerte.

MF: War es schwer all diese Gäste für die Jubiläumsshow zu bekommen?

Axel: Du musst bei einem solchen Special-Gig mindestens ein Jahr vorher mit dem Organisieren starten. Da bekommst du meistens als Antwort: «Hei, das dauert noch ein Jahr, ich hab' keine Ahnung was dann sein wird. Bin ich im Studio oder selber auf Tour?» So zogen sich die Antworten mehrere Monate 'raus. Einer wollte gar nicht, der andere hat keine Antwort gegeben. Aber am Schluss war ich mit allen Gästen total zufrieden.

MF: Ritchie Blackmore als Gast, war das nie ein Thema?

Axel: Habe ich mal beim Management angefragt. Eine Antwort blieb aber aus. Das habe ich aber nicht anders erwartet. Es war mir von Beginn weg klar, dass Ritchie das nicht machen würde. Ich habe Michael Schenker angefragt. Eigentlich wäre er sehr gerne dabei gewesen, aber er hat mir gesagt, dass er nach der Show gleich weg sei würde. Aus dem verständlichen Grund, weil alle Backstage Alkohol trinken. Aus dieser Nummer ist er raus. Das nehme ich ihm auch gar nicht übel. Michael hat mir angeboten, dass ich bei seiner Show bei «Doctor Doctor» mitspielen könnte. Das hätte mich nicht weitergebracht, weil er mit seinen Temples Of Rock drei Bands vor uns spielte. So hätte dies keinen Bezug zu meiner Jubiläumsshow gegeben.

MF: Mit Steeler hast du NUR vier Songs gespielt, war da nicht mehr angedacht gewesen?

Axel: Zuerst waren nur drei Tracks geplant. Wir hatten einen klaren Zeitplan und mussten diesen einhalten. Wir durften nur drei Stunden spielen und standen schlussendlich drei Stunden und 20 Minuten auf der Bühne. Der Veranstalter Horst hat mich gebeten, nicht zu lange zu überziehen, weil er dafür eine Konventionalstrafe zahlen musste. Darum waren zuerst nur drei Songs von Steeler im Gespräch, da ich die anderen Sets nicht kürzen wollte. Bei 25 Jahre ARP und 30 Jahre Steeler hat dies ganz gut gepasst. Das war ganz cool. Wir haben davor zwei Mal geprobt. Das fühlte sich an, als ob wir fünf oder sechs Jahre nicht zusammen gespielt haben. Sicher aber nicht nach einer Pause von 25 oder 26 Jahren. Ich war echt überrascht, dass die anderen noch immer so gut im Schuss sind.

MF: Konntet ihr mit der Musik schon alle Träume verwirklichen?

Axel (ein langgezogenes): NEIN! Man hat noch immer seine Ziele. Ich würde sehr gerne zehn Mal hintereinander das Z7 in Pratteln ausverkaufen. Das wäre cool (lacht). Oder auf eine Stadion-Tournee gehen, das wäre Mega! Das wird aber nicht mehr hinhauen in diesem Leben, dazu bin ich schon zu lange dabei und hätte vor 15 Jahren passieren müssen.

Bobby: Alle? Ich hoffe nicht (lacht)! Ich bin mir sicher, oder hoffe es, dass noch viele tolle Dinge passieren werden.

MF: Das neue Album ist bekanntlich immer das Beste. Trifft dies auch auf «Games Of Sin» zu?

Axel: Ja, finde ich schon! Schon der Vorgänger «Into The Storm» fand ich ein Mega cooles Werk. Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich «Into The Storm» mit einer 9 bewerten und «Game Of Sins» eine 9,5 geben. Ich habe aber noch nie eine 1 gemacht (lautes Lachen)!

MF: Johnny, wie schwierig ist es für dich bei ARP zu spielen und deine eigene Firma zu betreiben?

Johnny: Meine eigene Firma ist der andere Teil des Geschäfts. Das benötigt eine gewisse Balance. Dies ist mehr als ein Geschäft. Es ist Musik, bedeutet Familie, es beinhaltet viele Dinge… Hunde (lacht), Leute, Autos. Ich habe einen Weg gefunden, dass alles seinen Platz bekommt und sich für mich gut anfühlt. «Thank God! The older you get, the less sleep you need» (lacht)! Da reichen dann schon mal zwei Stunden für meinen Schönheitsschlaf (lautes Lachen).

MF: Komm schon, du bist gerade mal 25 Jahre jung…

Johnny: «Thanks brother», aber es sind 26 (lautes Lachen)!

MF: Bobby, wieso hast du damals den Job als Nachfolger von Peter Criss bei Kiss nicht erhalten?

Bobby: Die Jungs suchten einen Trommler, der auch gut singen kann. Die Maskerade war für Kiss sehr wichtig, da ich ihn New York aber schon einen Namen hatte, bestand die Gefahr, dass mich zu viele Leute kannten. Das waren die beiden Gründe. Alles entschied sich zwischen Eric (Carr) und mir, die aus über 2'000 Schlagzeuger ausgesucht wurden. Ich war nicht enttäuscht, da ich an dem Abend, als ich informiert wurde, schon zusammen mit Rainbow ein Konzert spielte. Ritchie fragte mich an, ob ich bei seiner Band einsteigen möchte. Ich wollte zuerst die Antwort von Gene und Paul abwarten. Schlussendlich sagte ich Rainbow doch zu, bevor ich die Nachricht von Kiss erhielt.

MF: Wie gross war der Druck, da du Cozy Powell bei Rainbow ersetzen musstest?

Bobby: Ich liebe Cozy, er ist einer meiner absoluten Lieblingstrommler. Ich hatte grossen Respekt vor der Aufgabe, aber auch grossen Respekt vor mir selber (lacht). Ritchie sah mich damals in einem kleinen Club in Long Island spielen. Ich versuchte mit ihm in Kontakt zu treten, weil ich hörte, dass Cozy Rainbow verlassen hatte. Ich wusste nicht, dass Ritchie diesen Gig besuchte und so kam es zum persönlichen Kontakt. Es wäre schön gewesen, wenn er sich für diese Rainbow-Reunion-Shows in diesem Jahr bei mir gemeldet hätte. Es wäre grossartige gewesen, diese Konzerte zu spielen. Weisst du, wieso ich nur eine Scheibe zusammen mit Doro spielte? Das lag an ihrem damaligen Manager! Ich sagte ihn, sechs Monate vorher, dass ich drei Tage benötige, in der er nicht auf mich zählen kann, weil ich an der NAMM Show spielen wollte. Drei Tage!!! Wir starteten mit den Recordings und die Aufnahmen fanden im Haus von Gene Simmons (Kiss) statt. Ich bekam einen Anruf und wurde einen Tag bevor ich zur NAMM geflogen wäre über den Start der Aufnahmen informiert. Ich sagte dem Manager, dass ich lange vorher sagte, dass ich nur diese drei Tage für mich benötigen würde und bat ihn mit dem Drumrecordings vier Tage zu warten. Alex meinte, dass Gene der Meinung sei, dass die Aufnahmen nicht später beginnen dürfen und sagte, dass sie die Recordings mit einem anderen Trommler machen würden. Ich antwortete, dann sucht euch einen anderen Schlagzeuger, ich steige aus! Die restlichen Bandmitglieder stiegen dann auch gleich aus. Das ist ein verdammter Blödsinn wegen drei Tagen so ein Aufsehen zu machen. Aber ich mag Doro, noch immer!

MF: Nach 30 Jahren ARP, was ziehst du für ein Fazit daraus?

Axel: Dass früher handgemachte Musik gefragter war, als heute! Heute sind unzählige Musikstile verbreitet, wovon mir die Meisten am Arsch vorbeigehen. Ich bin froh, dass ich ein Kind bin, welches die siebziger Jahre miterleben durfte. Mit all meinen Heroes, die heute teils noch immer aktiv sind. Das Fazit ist, würde ich heute mit der gleichen Musik starten würde, hätte ich keine Chance. Dann hätten wir heute Abend nicht im ausverkauften Z7 gespielt, sondern höchsten in einem kleinen Club vor 30 Nasen. Deswegen bin ich ganz froh, dass alles was mit Steeler begann, mir den Weg ebnete und meine Karriere stetig erfolgreicher verlief. Das ist ganz cool!

MF: Was war für euch damals wichtig und was ist es heute?

Johnny: Wow, das ist eine verdammt interessante Frage! Da muss ich echt sagen, dass in 30 Jahren, plus ein paar mehr, mich das nie jemand fragte! Ich denke… Musikalische gesehen… Ich liebe was und wie ich spiele und singe. Dabei kann ich mich selber sein. Auch wenn das vielleicht nicht allen gefällt (grinst). Schau mal, ich gehe gegen die 50 zu. Ich bin 48 Jahre alt, ich will Spass haben und geniessen was ich tue. Ich will dies fortführen. Ohne grossen Stress. Privat gesehen möchte ich gesund bleiben. Okay, vielleicht kann ich nicht alle Probleme lösen (grinst), aber wichtig ist, dass meine Kinder in einer Welt aufwachsen können, die sicher ist, als die von heute!

Axel: Musikalisch hat sich von meinem Denken weise nicht viel verändert. Noch heute spiele ich die Musik, die ich damals machen wollte. Heute sicherlich eine Spur ausgereifter, als damals. Privat… Früher hat man sich nicht nur darauf konzentriert wie man spielt, sondern fragte sich auch, wo sind die netten Mädels? Heute ist nur gucken angesagt und sonst nichts! Weil meine Familie an erste Stelle steht. Ich bin ein Familienmensch mit Frau, Tochter, Hund, Katze und Pferd.

Bobby: Früher war «Sex, Drugs and Rock' n Roll the real shit». Heute spielt nur noch der Rock' n Roll eine wichtige Rolle und meine Freundin!

MF: Was macht ihr in eurer Freizeit?

Johnny: Ich bin ein optimistischer Rocker, das komplette Gegenteil dessen, was ein Rocker sonst tut (lacht)! Da stehe ich um 04:30 Uhr morgens auf. Dass ist verdammt früh (lacht). Ich liebe es der Sonne zuzusehen, wenn sie aufgeht und ich meinen Kaffee dabei trinken kann. Gehe mit meinen Hunden spazieren und starte dann mit meiner Arbeit. Ich liebe es zu rennen, meinen Übungen zu machen und fliege sehr gerne. Vor einiger Zeit habe ich meinen Pilotenschein gemacht. Ich liebe es zu fischen und geniesse alles, was man in der Natur machen kann!

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Bobby: Pläne für die Zukunft? Ich gehe in den Bus und mache ein kleines Nickerchen (lacht) um fit zu sein, für die Show. Weisst du, heute liebe ich das Schlagzeugspielen mehr, als ich es jemals tat!

Axel: Wir werden 2017 die «Ballads 5» machen. Es kann sein, dass wir dabei mit einem richtigen Orchester zusammenarbeiten werden. Das bedeutet, dass wir zu den neuen Tracks, alte Klassiker in einem neuen Gewand aufnehmen werden. Das ist aber noch nicht spruchreif und es kann sein, dass ich es mir völlig anders überlege. Die Scheibe sollte im Herbst 2017 erscheinen. Wir spielen im Sommer 2016 noch ein paar Festivals und im Herbst folgt der zweite Teil der Tour. Ich bin mir fast sicher, dass wir 2017 auch auf die Bühne gehen werden. Bis jetzt spielten wir keine Konzerte mit einem Orchester. Sollte sich dies aber mit der «Ballads 5» umsetzen lassen, könnte sich da ein Wunschtraum von mir erfüllen. Das Problem mit einem Orchester ist, dass da nicht bloss fünf Typen auf Tour gehen und sich von zwei Streicher unterstützen lassen. Das bedeutet ganz einfach, dass man mit einer Riesentraube an Leuten unterwegs sein wird. Wer soll alleine die ganze Busse bezahlen. Das wären sicherlich an die vier oder fünf Nightlinern. Das kostet alles ein Schweinegeld und ist alleine aus Kostengründen gar nicht umsetzbar.

Johnny: Hardline werden diesen Sommer ein neues Album veröffentlichen. Nicht mit dem Originalen-Line-Up mit Neal Schon, sondern mit dem letzten bestehend aus Josh und Alessandro. Zudem stehen ein paar Konzerte diesen Mai an. Da werden auch ein paar Videos gedreht. Nach dem neuen Hardline-Werk erscheint mein Solo-Album! Nach einer sehr, sehr, sehr langen Wartephase ist es nun soweit. Dabei schiele ich nicht auf die Dollar-Noten und dass alle auf mich schauen. Ich hasse diesen Scheiss, komm schon, was soll das?! Ich war immer ein Team-Player. Das Ganze wird auf PledgeMusic erscheinen. Ich war nie ein grosser Freund dieser Social-Media-Plattformen. Aber ich realisierte, wie viele Menschen du mit PledgeMusic erreichen kannst. Wie toll es ist, mit den Leuten in Kontakt zu treten. Da gibt es Menschen, die ich kennenlernte, als sie neun Jahre alt waren. Die begleiteten mich während meiner ganzen Karriere. PledgeMusic bietet mir die Möglichkeit die Leute einzufangen, die sich wirklich für meine Karriere interessieren. Also schaut bei www.pledgemusic.com/projects/johnnygioeli rein. Da könnt ihr auch den Joe Barber Fund unterstützen.

MF: Besten Dank fürs Interview und alles Gute.

Bobby: «Thank you brother»!

Axel: Danke, dir auch und bis zum nächsten Mal!

Johnny: Danke dir Bruder, wie immer war es ein Vergnügen!