Interview: Bernhard Weiss (Axxis)

By Tinu
 
Über das Vater sein und der "Generation unverbindlich".



Ein etwas anderes Interview führte ich mit dem Axxis-Sänger Bernhard Weiss. Abseits von Musik, okay nicht ganz, sprachen wir über das Vater werden und sein. Was hat sich alles verändert, wenn man plötzlich statt die Gitarre stimmt, die Windeln wechselt. Wer Berny kennt weiss, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt und frei von der Leber erzählt. So auch in diesem Interview, das den Shouter vielleicht ein bisschen von einer anderen Seite zeigt.

MF: «My Little Princess», wie kam es zu diesem Text?

Berny: Zu der Zeit wurde ich Vater. Mittlerweile ist meine Tochter schon 18 Jahre jung. Als ich diesen Song geschrieben habe muss sie wohl fünf oder sechs gewesen sein. Ich fand es faszinierend, an mir festzustellen, wie sich das Leben ändert, wenn man morgens um 6 Uhr geweckt wird. Sonst rastet man völlig aus. Ist der Grund aber ein kleines Mädchen, findet man dies plötzlich ganz toll. Hat man ein Kind wertet man gewisse Dinge plötzlich völlig anders. Es ist faszinierend, dass ein Kind einen Menschen völlig verändern kann. Hat mich meine Mutter morgens um 6 Uhr geweckt, bin ich ihr mit dem nackten Arsch ins Gesicht gesprungen (lacht), dass konnte ich überhaupt nicht ab. Da krieg ich die Krise.

MF: Warst du bei der Geburt dabei?

Klar war ich bei der Geburt dabei, das werde ich nie vergessen. Die Geburt fand ich super anstrengend, weil die Kleine nicht rauskommen wollte. Meine Kontaktlinsen klebten irgendwann an meinen Augapfel fest. Ich habe acht Stunden gewartet und genau in dem Moment, als ich mir ein Mittel für die Linsen holen wollte, kam die Kleine auf die Welt. Wir haben gemeinsam die Schwangerschaftsvorbereitungen mitgemacht. Als es dann soweit war haben wir die ganzen Möglichkeiten ausprobiert. Wir waren in der Wanne, hingen am Seil oder sind auf dem Ball gesessen (lacht). Als ich nach der Geburt nochmals beim Gebärzimmer vorbeigelaufen bin lag noch der Muttermund auf dem Boden. Da fragte ich mich: «Was ist denn das für ein Schlachthaus?» (grinst). Das war wie so bei einem Horror-Splatter-Film (lacht). Die Kleine war, ausser wenn ich auf Tour war, immer in meiner Nähe. Das Schöne am Musikerleben ist, dass du nicht jeden Tag auf Tour bist. Neben den ein bis zwei Monaten, sind wir sehr oft zu Hause. Das war auch ganz gut für meine Freundin, dass sie arbeiten konnte.

MF: Wie hat sich für dich das Leben verändert mit einem Kind?

Berny: Total, denn man setzt ganz andere Prioritäten. Rob, unser Basser, bei dem erleben wir dies gerade. Dem haben wir alles prophezeit. Er ist so ein typisch Deutscher (grinst). Rob macht seine Musik und fährt drei Mal pro Jahr in den Urlaub. Am besten nach Portugal oder Spanien (lacht). Wenn Rob nicht in den Urlaub fahren kann, da geht für ihn die Welt unter. Er war da schon ein bisschen spiessig. Jetzt ist er Vater und plötzlich geht dies nicht mehr so. Fährst du in den Urlaub, ist die ganze Karre voll mit Pampers, Spielzeug und Kinderwagen (grinst). Kaum Platz für deine eigenen Dinge (grinst). Das muss er gerade lernen. Nun habe ich das hinter mir, dafür kommt er nicht einmal mehr zum Fernsehen schauen. Ich habe mit meiner Kleinen eine neue Art von Liebe entdeckt. Was ganz Reines und Wahres. Ich stehe total auf Kinder und kam mit ihnen immer super klar. Die sagen ehrlich ihre Meinung und sind leer von äusseren Einflüssen. Werden sie älter werden sie immer mehr gefüllt mit Inputs der Eltern oder des Lebens. Dann werden die Menschen für mich problematisch. Für mich waren Regeln immer wichtig. Das ist der Kleinkrieg zwischen Mann und Frau und darum finde ich es sehr wichtig, dass die Kinder mit Mama und Papa aufwachsen und nicht alleine aufgezogen werden. Gerade bei den Jungs ist es so, dass meistens nur noch Frauen die Erziehung übernehmen, Mutter, Kindergarten, Schule und kein Mann mehr seine Sicht der Dinge aufzeigt. Ich war weitaus härter zu Anna, als Chrisi. Noch heute hat Anna zu mir ein anderes Verhältnis, weil sie weiss, wenn ich was sage, kann sie damit umgehen. Eine Welt in der es Regeln gibt, damit kommen die Kinder besser klar. Ist es nur noch Larifari verlieren sie die Orientierung.

MF: Merkt man anhand der Kinder auch, dass man älter wird?

Berny: Das merkst du so oder so. Das habe ich auch schon gemerkt, als sie sechs Jahre alt war (grinst). Das finde ich auch schön. Ich war selber mal Kind, oder bin es noch und musste nun selber ein Kind erziehen. Es ist schön zu sehen, dass die Erziehung auch beim Kind ankommt. Manches nehmen sie an, manches nicht. Daraus wird dann ein eigenständiger Mensch. Ich habe grossen Respekt vor Anna wenn ich denke… Sie hat ein Jahr weniger Schule gehabt. Abi, ein Jahr weniger, aber der Stoff war gleich. Die Kinder haben malocht und mehr gearbeitet als wir. Anna sass teils bis 22 Uhr an ihren Hausaufgaben. Mehrere Sportarten sagte sie ab, weil die Zeit nicht mehr reichte. Das war ein Leistungsdruck, den ich in keiner Phase meines Lebens in der Form hatte. Da wächst eine Leistungsgesellschaft heran… Die haben in der Klasse teils alle ihre Magenbeschwerden. Selbst wenn die Eltern sagen, mein Gott schreib doch mal eine Vier. Es müssen ja nicht immer Einsen und Zweien sein. Die wollen diese Noten bringen! Hat Anna mal eine Drei geschrieben war sie völlig deprimiert. Bundeskanzler Helmut Kohl ist auch mal sitzen geblieben. Meine Güte! Das ist eine Gratwanderung zwischen Leistung bringen aber auch das Leben geniessen. Da wünsche ich mir, dass die Kindheit heute noch besser gelebt werden darf.

MF: War's denn früher nicht auch einfacher ohne diese ganzen Handys, I-Pods und dergleichen?

Berny: Das war es wirklich! Meine Kumpels kamen alle aus der Nachbarschaft und man hat sich auf die konzentriert. Ich hatte nie Freunde in Amerika und wenn wir uns treffen wollten, wurde das am Abend vorher besprochen. Nicht über Facebook oder Whats App. Heute merke ich an mir, wie ich meine Freundschaften über Twitter und Facebook pflege. Findet eine Geburtstagsparty eines Kumpels statt, denke ich: «Schon wieder, das ist aber anstrengend, wenn ich dahin fahren muss!» das ist voll bescheuert. Ohne Lockmittel Kuchen passiert da eh nix (lautes Lachen). Früher habe ich nie so gedacht. Geil, da ist eine Party, ich fahr' da hin! Habe ich früher meine Kumpels eingeladen, sind 90 % der Leute auch gekommen. Heute sagen alle zu, oder lassen es sich offen, um dann kurz vorher per Whats App abzusagen. Meine Tochter hat schon häufig Partys gemacht, da wurden 20 Leute eingeladen und schlussendlich sind dann drei gekommen. Generation unverbindlich! Bevor ich zu Anna fahre, surfe ich noch ein bisschen und finde vielleicht noch was Besseres.

MF: Hat deine Tochter in der Schule damit angegeben, dass sie einen berühmten Vater hat?

Berny: Ne, das fand ich auch immer Scheisse (lacht). Das war für Anna so normal, dass sie das nie gross an die Glocke hängte. Mama war im Radio und Papa war Musiker. Im Laufe der Zeit war dann mein Kopf auch mal in der Zeitung zu sehen. Da haben dann ein paar Lehrer gemerkt, dass Anna meine Tochter ist und sie Fans von Axxis sind. So kam das ganz organisch, ohne dass meine Tochter auf den Zeiger gehauen hat. Für sie war das nicht unangenehm, aber auch nicht wichtig. Finde ich ein Bisschen schade, aber ist ebenso (lacht).

MF: Ist es als Musiker überhaupt möglich eine Beziehung langfristig zu führen?

Berny: Wenn du nicht verheiratet bist schon (lautes Lachen). Alle meine Freunde die verheiratet sind, da bricht alles zusammen. Das war beim Harry (Keyboarder) auch so. Das hat aber nichts mit dem Musiker Dasein zu tun. Wenn die Frauen oder Männer 40 werden, wollen alle nochmals die Kurve kriegen. Nochmal was ganz anderes machen und nicht mit dem gleichen Partner noch die nächsten 30 Jahre verbringen. Diese Midlife-Krise kam bei mir… NOCH NICHT (lacht). Bei meiner Frau auch noch nicht, das kann morgen aber schon wieder anders sein. Kann sein, wenn ich von der Tour nach Hause komme ist sie nicht mehr da (grinst). Bisher hat das bei uns alles super geklappt. Das hat aber mit dem Musikerjob nichts zu tun. Ich denke eher, dass dies bereichernd sein kann. Eben, weil man als Musiker flexibler ist. Vielleicht kannst du zwei Monate nicht unterstützen, da du auf Tour bist, aber dann bist du acht Monate zu Hause und schreibst die neuen Songs eben abends. Das ist schon luxuriös.

MF: Hast du mit deinen Texten Privates verarbeitet?

Berny: Ja, viel! Das fing 1989 mit «Kingdom Of The Night» an. Als wir unter dem Einfluss vom sauren Regen und dem Ost-West-Konflikt... Als Zivildienstleistender mussten ich vor der Deutschlandflagge und dem General verweigern. Unser Gewissen darlegen und erklären, wieso wir verweigern. Hattest du schwache Argumente, wurdest du eingezogen. Die Atomwaffen kamen auf. Eine gewisse Angst war immer da. Dies haben wir in den Songs rausgelassen. Unser Debütalbum kam raus, da haben wir noch einen Song geschrieben («Love Is Like An Ocean») über die Wand zwischen West- und Ostberlin. Ein Lied über zwei Liebenden, die von dieser Mauer getrennt waren. Ende des Jahres 1989 brach alles zusammen. Ein Jahr danach schrieben wir «Ships Are Sailing» und sangen über die Papierschiffchen, die in Berlin über die Spree gingen. Als mein Vater starb oder meine Freundin mich verliess, da habe ich immer Lieder dazu geschrieben. Das war für mich immer ein psychologisches Ventil.

MF: «Love Doesn't Know Any Distance»…

Berny: …da waren wir in den Staaten viel unterwegs. Da war es schwierig eine Beziehung zu führen. Wir waren nie da und Facebook gab es auch nicht. Telefonieren aus Amerika nach Deutschland war schweineteuer und das konnten wir uns gar nicht leisten. Es sind aber alle Texte für mich sehr persönlich. Vielleicht geht der ein oder andere ein bisschen mehr in die Tiefe. Wie bei «My Fathers Eyes», wenn ich den Tod meines Vaters beleuchte. Oder «21 Crosses» bei denen man traurige Themen beschreibt.

MF: Was wärst du geworden, wenn du nicht Sänger bei Axxis wärst?

Berny: Ich hätte glaube ich, trotzdem mit Metal zu tun (grinst). Als Giessereiingenieur hatte ich ein sehr gutes Angebot aus Kanada und wäre unser erstes Album nicht durch die Decke gegangen, hätte ich es angenommen. Musik zu machen war für mich reizvoller. Das hätte ich niemals gedacht, dass ich nun seit 26 Jahren von der Musik leben kann. Und ich habe heute immer mehr Spass. Alles was wir getan haben, auch wenn es Scheisse war, hatte schlussendlich etwas Positives. Alleine aus diesem Grund musste alles so wie es passierte auch stattfinden. Damit es besser, oder anders wurde.

MF: Was sind für dich die wichtigsten Dinge im Leben?

Berny: Dass man glücklich ist, aber was ist Glück (grinst)? Wenn ich oder du vom Arbeitgeber erfahre, dass wir 500 Euro mehr verdienen, dann bekommst du mit, dass alle in deiner Firma 700 Euro mehr bekommen… Und schon ist die Frage, was ist Glück (lacht). Meine Oma sagt immer… Die hat den zweiten Weltkrieg erlebt und war immer glücklich. Irgendwie kommt man durch. Man muss sich nur der Zeit anpassen. Bescheiden sein und man wir ruckzuck glücklich! Hat man Ansprüche und man will hoch hinaus, dann wirst du nie glücklich sein, weil es immer Leute gibt, die besser sind als du. Das Wichtige im Leben sind Familie und Freunde. Die kleinen Dinge im Leben.

MF: Berny, danke für dieses doch andere Interview.

Berny: Danke dir, es hat wie immer Spass gemacht und du hast sicher wieder was zum Schreiben (lacht).