Interview: Edguy
By Saskia B.
Immer noch wird Edguy häufig vorgeworfen, mit ihren "Kinderlied-Melodien" und gutem Aussehen so eine Art "Boyband des Metals" zu sein, aber nichts desto Trotz beweisen sie auch diesmal mit dem neuen Album "Hellfire Club" und einer gesunden Portion Selbstvertrauen, dass durchaus mehr in ihnen steckt. Selbst grosse deutsche TV-SenderJens Ludwig wie Pro7 haben die Qualität der Hessen erkannt und die Chart- Platzierungen der aktuellen EP in mehreren europäischen Ländern sprechen für sich. Eine Band, die sich nicht verstecken muss und von der wir sicher noch viel hören werden. Gitarrist Jens Ludwig nahm sich die Zeit, mehr über die aktuellen Projekte zu erzählen. Nach einigen Scherzen kamen wir dann doch noch zu den Fragen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte.


MF: Wie kam es denn dazu, dass ihr jetzt zuerst die EP und danach ein komplettes Album rausbringt? Ihr habt das ja nicht als
Single-Auskopplung mit den gleichen Stücken gemacht, oder?


Jens: Nein nein, das wäre ja auch irgendwie blöd. Das machen sonst viele, ja. Bei uns waren es in erster Linie Geschäftsgründe des Labels. Sie wollten es gerne, dass wir vorab eine Single rausbringen. Wir hatten aber keine Lust, so eine 08/15-Sache zu machen, auf der ein Song in der gleichen Version, wie später auf dem Album ist und der Rest ja meistens leider nur als B-Ware endet. Da wir genügend Songs am Start hatten, die ursprünglich alle für das Album gedacht waren, haben wir uns gedacht, diese EP auf diese Weise zu machen. Einige Fans hatten ja in unserem Gästebuch Bedenken angemeldet, als bekannt wurde, dass wir bei Nuclear Blast unterschrieben hatten, dort die nächste CD veröffentlichen würden und jetzt der Ausverkauf losgehen würde. Die Bedenken waren schon da, dass es jetzt zig verschiedene Versionen von Platten geben würde. Da dachten wir, es wäre eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass dem nicht so sein wird, da wir "value for money" bieten wollen. Es ist immerhin eine 5-Track Single, davon sind vier Non Album-Tracks und ein Video "Making of.." dabei. Mit Booklet, Jewel Case..., also ich denke, da kann man nicht von Ausverkauf und Fan-Abzocke sprechen. Es war uns ein sehr grosses Anliegen, dass die Leute das nicht von uns denken. Es ist ganz klar: Wenn man die Fans abzockt, dann zeigen sie einen später irgendwann den Mittelfinger. Das sind immerhin die Leute, die für unseren Erfolg verantwortlich sind, also sollte man ihnen nicht gerade in den Rücken fallen.

MF: Wie und wann habt ihr euch dafür entschieden, welche Songs auf die EP und welche auf das Album kommen? War das von Anfang an geplant oder eine spontane Entscheidung?

Jens: Das war eine ganz schwere Sache. Ich kann mich noch gut erinnern, denn Tobi und ich sassen fünf Minuten, bevor das Single-Mastering angefangen werden sollte, da und überlegten - was machen wir jetzt, was machen wir nur? Wir müssen eine Entscheidung treffen! - Es war ja nicht geplant, dass wir die EP in der Version rausbringen, alle Songs waren ursprünglich für's Album geplant. Letztendlich haben wir dann einfach versucht, zwei stimmige Produkte zu machen. Wir befanden uns in der Zwickmühle, dass jeder Song, der auf der EP ist, später nicht auf dem Album sein würde und umgekehrt. Insofern war das eher eine Bauchentscheidung.

MF: Nach der neuen EP zu schliessen, klingt euer Sound etwas härter oder vielleicht besser gesagt rauer. War das Absicht oder kam das einfach so als Prozess?

Jens: Das ist einfach so entstanden. Gut, ich muss dazu sagen, was den Sound angeht, hatten wir schon die Zielsetzung, erdiger zu klingen. Wir wollten das Ganze etwas natürlicher halten. Deshalb haben wir zum Beispiel Bass und Schlagzeug analog aufgenommen, um dem Ganzen ein bisschen mehr Tiefe zu verleihen und es natürlich klingen zu lassen, weil manche unserer Produktionen stellenweise doch recht glattgebügelt klangen. Wir wollten eigentlich ein bisschen mehr Rock'n'Roll in der Musik haben, was den Sound angeht. Vom Songwriting her, das kam natürlich. Als es darum ging, die Ideen aus zu arbeiten, haben wir uns also nicht getroffen und gesagt, so jetzt setzen wir alles daran, dass die Platte etwas heftiger klingt, das ist einfach so entstanden. Das kam auch ganz einfach durch das viele Touren und die Live-Platte zustande, die wir gemacht haben. Wir haben einfach gemerkt, dass uns die erdigere Gangart und von mir aus etwas Heftigere erstens sehr viel Spass macht und uns zweitens sehr gut steht. Mit dieser Erfahrung sind wir ans Songwriting heran gegangen. Bei uns lief das schon immer so ab, dass wir im Proberaum in der klassischen AC/DC-Besetzung gearbeitet haben, also sprich: Gesang, zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug. Erst wenn die Songs im Proberaum gut geklungen und sie uns da gekickt haben, arbeiteten wir an den Sachen weiter und sind dann im Studio an die Feinheiten gegangen. Danach kamen erst Keyboards und Chöre dazu.

MF: Was für ein Gefühl ist es für dich, die eigene EP jetzt in den Charts zu sehen?

Jens: Es macht schon ein bisschen stolz, muss man ehrlich sagen. Wir sind jetzt in Deutschland auf Platz 39 in die Charts eingestiegen. Vor allem, weil das für eine Metal-Single sehr, sehr ungewöhnlich ist, ist es für uns natürlich eine Bestätigung, dass die Rechnung aufgegangen ist. Man muss den Leuten Qualität bieten, dann bekommt man auch wieder etwas zurück. Ja, es freut einen schon, wobei man sich dafür allein nix kaufen kann.

MF: Ja, das stimmt. Hättest du denn jemals, so vor fünf oder sechs Jahren vielleicht, gedacht, einmal an diesen Punkt zu kommen?

Jens: (Wie aus der Pistole geschossen) Nö! Nö, hätte ich nicht. Natürlich, man hat immer davon geträumt und diese Träume sind auch immer der Antrieb, weiter zu machen und das volle Herzblut rein zu hängen, aber dass es wirklich einmal so weit kommt, damit hat sicher keiner gerechnet.

MF: Ihr wart ja jetzt auch in der Chart-Show bei Pro7, eine neue, aufregende Erfahrung für euch?

Jens: Auf jeden Fall, das war schon Neuland. In irgendeiner Form war das auch aufregend, obwohl uns das kaum einer angesehen hat. Unsere TV-Promoterin war dabei und die hat nur gemeint, sie wundere sich schon, wie ruhig wir da rumsitzen und so gar nicht nervös sind. Ansich war die Sache nicht so spannend. Es war einfach eine Performance auf der Bühne vor Publikum, wie wir es gewohnt sind. Jedoch im Hinterkopf zu haben, dass das vielleicht später eine Million Menschen sehen, das erzeugte schon ein mulmiges Gefühl, muss ich ehrlich sagen. Es war auch auf jeden Fall Neuland für uns, in so einer Show auf zu treten. Das ist ja auch nicht gerade üblich, das haben wir vorher noch nie gemacht, aber andererseits haben wir uns gedacht, solange wir uns selber treu bleiben und uns nicht verbiegen, warum sollte man dann nicht so ein Forum nutzen, um vielleicht auch Leute auf uns aufmerksam zu machen, die gar nicht wissen, dass so eine Band wie wir existiert.

MF: Habt ihr es am Feedback, zum Beispiel im Gästebuch gemerkt, dass sich neue Fans dazu gefunden haben?

Jens: Als Feedback auf der Homepage eher nicht, da fanden mehr die Ausverkauf-Diskussionen statt (lacht), dass wir überhaupt in so einer Show auftreten, aber die Resonanz auf diese Show scheint sehr gut gewesen zu sein. Auch von Leuten, die uns vorher anscheinend noch nicht gekannt haben, denn Pro7 hat uns gleich wieder eingeladen. Übermorgen werden wir wieder zu einer Aufzeichnung fahren und am Samstag nochmals am Start sein. Wir sind auch bei dem Voting der Show auf Anhieb auf Platz 11 gelandet. Das zeigt doch, dass die Musik anscheinend mehr Leuten gefällt, als man vielleicht annimmt.

MF: Was für ein Gefühl ist es, zwischen den anderen Teilnehmern dieser Show zu stehen, die ja meist alle im Voll-Playback antreten und selten live spielen?

Jens: Es ist auf jeden Fall interessant, ich kann das schwer umschreiben. Natürlich ist es ein heisses Gefühl, wenn man mal ein Foto mit David Hasselhoff machen kann, denn er ist ja einfach ein Weltstar. Es ist schon sehr lustig, ihn dastehen zu sehen, wie er Satanszeichen in die Höhe hält, neben uns steht und meint: "Ha, Heavy Metal! Metallica..." und irgendwas auf Englisch nuschelt. Wir waren da schon ein wenig die Exoten, das kann man so sagen, glaube ich.

MF: Habt ihr eigentlich auch Voll-Playback gehabt bei der Show?

Jens: Nein, wir haben von Anfang an versucht, das Halb-Playback zu halten. Das sind wir einfach mehr gewohnt und das steht uns auch besser zu Gesicht, denke ich.

MF: Ja, das stimmt, irgendwie würde es nicht so besonders zu euch passen und die Ausverkaufs-Diskussionen würden sicherlich auch gleich wieder aufflammen, vielleicht ja auch ein wenig berechtigt...?

Jens: Genau, wobei man da sicher geteilter Meinung sein kann. Wo fängt das an und wo hört es auf? Bei einem Video hat noch nie jemand gemeckert, dass es nicht live ist und im Prinzip ist es ja auch eine Fernseh-Aufzeichnung. Die Zuschauer sind ja mehr oder weniger nur da, um das Bild zu vervollständigen. So hatte ich zumindest den Eindruck, als wir da aufgetreten sind. Na ja..., man weiss es nicht. Ich kann dazu kein klares Statement abgeben, wann eine Band anfängt sich zu verkaufen und wann nicht. Sobald man einen Plattenvertrag unterschreibt, wird man als Band kommerziell, denn man möchte ja Platten verkaufen. Das kann man nicht wegdiskutieren, ansonsten bräuchte man ja nicht einen Vertrag unterschreiben. Insofern ist die ganze Diskussion manchmal etwas schwer für mich nachzuvollziehen. Für mich steht immer noch die Musik im Vordergrund und wenn sich eine Band da treu bleibt und Sachen abliefert, die mir einfach gefallen, dann können die meiner Ansicht nach auch ruhig im Fernsehen auftreten, das stört mich reichlich wenig. Ganz im Gegenteil, ich würde mich sogar freuen, wenn ich mal zwischen Preluders und Daniel Küblböck einen Auftritt von Primal Fear oder Blind Guardian sehen würde. Das finde ich persönlich sehr gut. Einfach ein bisschen mehr Abwechslung.

MF: Ja, natürlich. Metal ist ja leider noch ziemlich unterrepräsentiert im Fernsehen, das ist ganz klar!

Jens: Genau! Das auf jeden Fall, deshalb fand ich die Diskussion manchmal auch sehr komisch, weil ich es nicht nachvollziehen konnte. Einerseits beschweren sich die Leute, dass Heavy Metal im Fernsehen nicht passiert und von den grossen Medien ignoriert wird, und da haben wir einmal die Chance, einen Vorstoss zu machen und so zu sagen in die Höhle des Löwen zu gehen, einmal zu präsentieren ohne Arschkriechen zu müssen, und trotzdem ist es wieder Scheisse. Also egal was man macht, man kann es nie allen recht machen. Insofern denke ich, man sollte hauptsächlich sich selber treu bleiben.

MF: Ja, diese ewigen Diskussionen kann ich auch ab und an schwer nachvollziehen. Was ich jetzt nicht verstehen würde, wäre, wenn ihr bei einer Sendung wie "Popstars" auftreten würdet, aber so sehe ich eigentlich keinen Ausverkauf.

Jens:(Lacht schallend) Ja, das wäre doch interessant, aber ich glaube, wir dürfen da gar nicht mitmachen. Wir haben ja schon einen Plattenvertrag, (lacht noch immer ) und den haben wir uns ganz alleine erarbeitet, das ist auch was wert!

MF: Ohne Tanztraining, ohne...

Jens: ...ohne Choreographie! Und wir schreiben unsere Songs sogar selber!

MF: Oh, grenzt das dann nicht schon fast an Überforderung?

Jens: Ja, ich finde das sehr lustig, wenn manch einer dieser Popstars im Interview verkündet, dass sie auf der neuen Platte auch einmal zu einem Song eine Gesangslinie kreieren durften. Ich finde das immer sehr lustig.

MF: Ihr seid ja jetzt bald wieder unterwegs auf Tour. Habt ihr euch da für die Bühnendekoration etwas Besonderes ausgedacht? Auf eurer Homepage steht, dass im Moment Bühnendesigner an der Arbeit sind.

Jens: Ja! Da wird so einiges passieren. Was genau, darüber möchte ich jetzt noch nicht all zu viel sagen. Wir haben uns viel Mühe gegeben und es wird alles noch eine Ecke grösser und aufwändiger, als wir es schon beim letzten Mal gemacht haben. Da hatten wir auch schon ansatzweise diese Podeste, ein schönes Backdrop und das eine oder andere Figürchen auf der Bühne, sage ich jetzt mal. Pyro-Effekte müssen sowieso sein, das gehört zu einer Heavy Metal-Show einfach dazu, Punkt! Ansonsten wird's aber sicher auch ordentlich was für's Auge!

MF: Danke Jens..., gibt es irgend etwas, was du noch sagen möchtest?

Jens: Ja, klar! Ein dickes Dankeschön für die Unterstützung!

Da harren wir doch gespannt der Dinge, die auf der nächsten Tour noch kommen mögen und lassen uns von der Bühnenshow überraschen. Edguy werden sicher auch in Zukunft für die eine oder andere Überraschung gut sein!