Interview: Endstille
By Natalia N.
Mit Monotonie gegen die Kapitulation.



Während des Winterfestivals gelang es mir den Drummer - Mayhemic Destructor - von Endstille zu interviewen. Meiner Meinung nach hat diese Band eine interessante Geschichte, die reich an Höhen und Tiefen ist. Ausserdem recherchiert Endstille in der Geschichte, denn ihre Lyrik ist den Ereignissen des Ersten und Zweiten Weltkrieges gewidmet. Darüber und über das neue Album «Kapitulation 2013» gab uns Mayhemic Destructor Auskunft.

MF: Kürzlich kam euer neues Album heraus. Es heisst «Kapitulation 2013». Es ist nun aber nicht allen klar, warum der Titel der Gegenwart, das Cover selbst jedoch den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges gewidmet ist. Bitte erkläre, was dahinter steckt!

Mayhemic Destructor: Mit dem Titel «Kapitulation 2013» nehmen wir Abschied von ganz vielen Sachen. Auch die Zeit 2013, die auf vielen Alben ja schon immer wieder da war. Auf der «Kapitulation 2013» und der «Verführer» tauchte, glaube ich, auch das Jahr 2013 auf. Und wir nehmen mit diesem Album Abschied davon, und man sieht auf dem Cover wie auch im Booklet, viele russische Propaganda-Bilder, und dann den Track mit den Flüchtlingen auf der Strasse. Vielleicht verlassen wir das, vielleicht gehen wir in die eine andere Richtung. Wir werden auch weiterhin extremen Metal machen, auch weiter noch Metal machen. Aber wir wollen die Sache ein bisschen befreien und nicht mehr so einseitig sein. Wir wissen noch nicht, was da noch kommt. Damit wollen wir auch sagen, dass viele andere, die uns schon lange tot sahen: fickt euch! Wir sind okay, wir kapitulieren nicht! Wir haben schon Vieles überlebt. Bands sind gekommen und gegangen, aber uns gibts schon länger und es wird uns noch länger geben.

MF: Das vorherige Album trägt den Titel «Infektion 1813». Es ist das Jahr, in dem die Völkerschlacht bei Leipzig stattfand.

Mayhemic Destructor: Ja!

MF: Sie gilt als die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege gegen die Truppen von Napoleon Bonaparte. Ist das richtig?

Mayhemic Destructor: Richtig was? Ob das der Grund für den Titel ist?

MF: Ja!

Mayhemic Destructor: Ja und nein. Wir haben einfach mal gesagt, dass zu dem Zeitpunkt der Virus gesetzt worden ist, für die Deutschen dieses Völkische: Deutschland über alles, also dauerte der Virus an. Und darin die grosse deutsche Idee entstanden ist. Deswegen «Infektion 1813» - wir wissen alle, wohin es hingeführt hat. Zweiter Weltkrieg. Und ja das war der Grund, warum wir den Titel so gewählt haben. Denn wir haben immer  Alben über den Zweiten Weltkrieg gemacht: «Operation Wintersturm», «Frühlingserwachen», «Dominanz», alles war über den Zweiten Weltkrieg, bei «Verführer» ging es um den Ersten Weltkrieg und dann haben wir gesagt: okay, gehen wir noch einen Schritt weiter zurück, wo der ganze Gedanke entstanden ist und deswegen ist «Infektion 1813» entstanden.

MF: Aha, ich verstehe. Wessen Porträt ist auf dem Cover von «Infektion 1813» zu sehen? Ist dies Kitchener oder doch nicht?

Mayhemic Destructor: Nein, das ist Blücher!

MF: Und wer ist das?

Mayhemic Destructor: Es ist der General, der massgeblich mit dabei war, Napoleon in den Arsch zu treten. Ein grosser deutscher Held. Aus Norddeutschland.

MF: Interessiert ihr euch wirklich so sehr für die Geschichte, oder ist das Kriegsthema bloss ein traditionelles Thema für Heavy Metal?

Mayhemic Destructor: Die aktuelle Kriegsthematik kommt von Lars Wachtfelds und ich bin grundlegend auch an der Geschichte interessiert. Aber eben diese Kriegsthematik, (die Macht Wachtfelds macht Mut) ist ein grosses, musikalisch kreatives Thema. Wir haben damals beschlossen, das es unser Thema sein muss. Das passt auch zu uns...


MF: Euer Schaffen ist mit historischen Ereignissen des 19. bis 20. Jahrhunderts verbunden. Habt ihr vielleicht den Wunsch, andere Epochen, zum Beispiel das Mittelalter oder noch frühere Zeiten der Geschichte, zu behandeln? Oder eben nur den Ersten und Zweiten Weltkrieg?

Mayhemic Destructor: Also thematisch ist für uns, sage ich mal, wenn man zurück geht in der Zeit, wirklich "1813"; da ist Schluss. Und was davor war, wie zum Beispiel das Mittelalter, ist irrelevant. Und ob wir noch andere Themen aus dem 20. bis 21. Jahrhundert nehmen, wissen wir jetzt noch nicht.

MF: Erzähl doch mal bitte was über den Verlauf der Realisierung und die Aufnahmen zum neuen Album. Wodurch unterscheidet sich der jetzige Prozess?

Mayhemic Destructor: Es unterscheidet sich durch nichts!

MF: Wirklich nicht?

Mayhemic Destructor: Nein, wir arbeiten schon seit 13 Jahren zusammen. So lange gibts die Band, und es ist immer gleich. Wir proben in unserem Proberaum zwei- bis dreimal die Woche. Dabei entstehen Songs, die wir uns zu merken versuchten und wenn wir das Gefühl haben, jetzt ist das Ding fertig, gehen wir in das Studio. Wir gehen immer in das gleiche Studio, zum gleichen Songsingenieur und nehmen so wie immer auf. Wir werden unsere Arbeitsweise nicht ändern, nichts wird „professioneller„. Wir sind so wie wir sind, und wir sind oft unterwegs. Wir komponieren nicht im Studio und haben keinen Produzenten, der sagt: „macht es diesmal so und so„. Wir sind die Band, wir nehmen es auf – fertig!

MF: Wie sind die Rollen beim Aufnahmevorgang unter euch verteilt? Wer schreibt Texte und Musik?

Mayhemic Destructor: Ja, wir proben im Proberaum alle zusammen. Alle ohne Sänger. Der Sänger wohnt 600 km weit weg in Aachen bei Köln und wir kommen aus Kiel – in der Nähe von Hamburg an der Ostsee und wir proben die Songs, wir nehmen da auf, wir singen unsere Songs, so entsteht unser Material und zwischendurch nehmen wir was im Proberaum auf und schicken es per Internet zu unserem Sänger. So kann er schon einen Eindruck davon bekommen, wie das neue Album sein wird. Dann gehen wir ins Studio (nur die Band und ohne Sänger), nehmen auf und schicken dann den "rough mix" zu unserem Sänger. Er geht in ein anderes Studio und zwei Monate später kriegen wir die Aufnahme mit Gesang zurück. Wir wissen nicht, was er da genau macht. Also wir spielen die Musik und der Gesang kommt danach oben drauf.

MF: Warum komponiert ihr die Lieder auf Englisch und nicht auf Deutsch?

Mayhemic Destructor: Ich glaube, es liegt daran, weil wir alle in den 80er-Jahren gross geworden sind. Metalmusik war eigentlich immer auf Englisch – Destruction, Coroner – alle auf Englisch. Die englische Sprache gehört bei der Metalsprache einfach dazu. Als wir die Band gegründet haben, wollten wir nicht deutsch singen. Deutsche Band, deutsche Kriegsthematik, wenn wird deutsch singen würden, dann hätten wohl viel geglaubt, wir seien eine rechtradikale Band. Sind wir aber nicht, und deswegen haben wir ganz bewusst gesagt: okay, dann singen wir eben auf Englisch, auch weil wir dadurch die Basis des internationalen Anspruchs für uns erfüllen wollten. Wir haben jetzt auf der letzten Platte ein Lied, das komplett auf Deutsch ist und vielleicht wird es noch weitere geben, aber das weiss ich noch nicht.

MF: Auf allen Alben ab 2004, und zwar ab «Dominanz», ist auf jeder CD das Lied «Monotonus» zu finden. Warum?

Mayhemic Destructor: Uns wurde und wird vorgeworfen, dass wir eine sehr monotone Band sind, sehr monoton sogar. Und daraufhin kam unser Stinkefinger, unser „Fuck you“ an die Leute. Darüber haben wir ein Lied geschrieben..., es heisst «Monotonus». Aber auch als Verbindung zum Thema „Krieg“, denn ein Krieg ist sehr monoton. Da geht den ganzen Tag die Schlacht, und dadurch haben wir halt gesagt, okay, wir machen solche Songs immer wieder. Wir sind im Proberaum und es entsteht ein Song. Auf einmal gucken wir einander an und sagen „das ist Monotonus! Alles klar“. Weil es eben das Lied ist, das genau in diese Richtung geht. Sehr einfach, sehr simpel, sehr monoton. Das ist ein monotones Lied und dann kriegt das Lied diesen „Monotonus“-Titel. Aber ich glaube, wir haben die Sache jetzt mit dem Lied «Monotonus 2013» abgeschlossen. Das gehört auch zu «Kapitulation 2013», wir nehmen Abschied von den Dingen. Auch von «Monotonus».

MF: Die Band Endstille existiert schon seit über zehn Jahren. Wie würdest du die Entwicklung charakterisieren? Wie wart ihr am Anfang der Karriere und wie ist es jetzt?

Mayhemic Destructor: Innerhalb der Band, also von uns hat sich keiner verändert. Wir sind immer noch die gleichen Leute, immer noch mit den gleichen Ideen, mit dem gleichen Willen, diese Musik zu machen. Ein Sänger hat die Band verlassen und ein neuer ist dazu gekommen.

MF: Ja, ja ich weiss.

Mayhemic Destructor: B. Killed ist als zweiter Gitarrist zu uns gestossen, und ansonsten hat sich nichts geändert. Als wir angefangen haben, gings mit der Band steil nach oben. Wir waren sofort in aller Munde in Deutschland. Nach fünf Jahren Bandgeschichte haben wir immer noch Metal gespielt, das heisst Black Metal. Das war natürlich schon viel. 2009, als der damalige Sänger die Band verlassen hat, haben wir einen grossen Knick erlebt, doch wir haben uns von da langsam wieder nach oben gearbeitet. Wir haben zwei Alben raus gebracht. Es funktioniert, wir haben wieder viel Spass an der Musik und ich freue mich auf das, was in Zukunft kommt.

MF: Kürzlich habe ich mit meinen Freunden darüber gesprochen, welche Gruppen als Vorbild des Black Metal Genres bezeichnet werden könnten. Die Meinungen dazu waren verschieden: Einige nannten Immortal, die anderen Mayhem oder Emperor. Welche Band diente euch als Vorbild?

Mayhemic Destructor: Black Metal?

MF: Ja!

Mayhemic Destructor: Venom, Celtic Frost und Black Widow.

MF: Black Widow? Das ist eine sehr alte Band!

Mayhemic Destructor: Ja, anfangs der 70er-Jahre. Vielleicht kann man sogar sagen, dass sie gar für Black Sabbath standen, und eine der Wurzeln ist tatsächlich Chuck Berry!