Interview: Exodus

By Tinu
 
Neidlose Freude für Gary Holt.



Tom Hunting ist nicht nur die treibende Energie am Schlagzeug bei Exodus, sondern war ganz zu Beginn auch kurzzeitig der Sänger der Truppe. Tom ist ausserdem nicht nur ein lustiger Geselle, sondern auch einer, der die Musik nach wie vor liebt und seine musikalischen Wurzeln auch im Funk und Hardrock beheimatet hat. Und zudem einer, der sein langjähriges Bandmitglied Gary Holt ebenso vermisst wie Gary Exodus. Auch wenn der Gitarrist nun bei Slayer bedeutend dickere Brötchen verdient, gehört Mister Holt zur Exodus-Familie wie kein anderer. Viele bemängeln, dass Shouter Steve «Zetro» Souza schon mehrmals die Band verlassen und wieder zurück gekehrt ist. Dass Tom aber auch schon zweimal Exodus zuwinkte, wissen die wenigsten. Wie es dazu kam, beziehungsweise, warum Tom wieder in den Schoss von Exodus gefallen ist, wieso die Reunion damals mit Paul Baloff nicht hielt und vieles mehr, erfahrt Ihr im folgenden Interview.

MF: Tom, wieso hast du Exodus zweimal den Rücken zugekehrt und bist aus der Band ausgestiegen?

Tom: Ich fühlte mich gesundheitlich nicht gut. Mein Instinkt riet mir, eine Auszeit zu nehmen, damit ich mich auf mich konzentrieren kann. Einfach das Ganze ruhiger anzugehen. Dabei jobbte ich auch einen Weile ganz normal. Aber ich merkte, wie sehr ich die Musik vermisste. Jedes Mal als ich die Band verliess, war es das Gleiche. Das war auch der Grund, wieso ich immer wieder zu Exodus zurück kam. Meine Ausstiege hatten aber nichts mit irgendwelchen Herzproblemen zu tun, sondern nur damit, dass ich mich unwohl fühlte. Klar liess ich meinen Körper von den Ärzten checken, aber sie waren der Meinung, dass alles in bester Ordnung sei. Es war aber wichtig, dass ich mich einen Moment aus dem Business und bei Exodus ausklinkte, um zu merken, wie wichtig mir die Musik und die Band sind.

MF: Die damalige Reunion von 1997 mit Paul Baloff, war diese ein Fehler oder kam sie zum falschen Zeitpunkt?

Tom: Wir versuchten das Original-Line-Up wieder zu reaktivieren. Zum dem Zeitpunkt spielten wir aber schon mit Jack Gibson zusammen und wir liebten sein Bassspiel. Eigentlich hätten wir wieder Rob McKillop ins Boot holen sollen. Das erste Zusammentreffen mit Paul war schwierig, da er persönliche Probleme hatte. Trotzdem waren wir der Überzeugung, dass zusammen mit Paul alles besser würde. Dass wir ihm durch die Band wieder auf die Beine helfen könnten und wir als Truppe durchstarten. Allerdings stellten wir fest, dass Paul ein noch grösseres Party-Animal war als vorher. Was schlussendlich auch dazu führte, dass er viel zu früh starb. Wir vermissen ihn und sind sicher, dass er uns immer irgendwie begleitet (lacht). Er hat den Metal mehr als was anderes geliebt (lacht).

MF: Wie wichtig war das «Thrash Of The Titans», dem Benefizkonzert zu Gunsten des an Krebs erkrankten Chuck Billy (Testament) für den Neustart von Exodus?

Tom: Wichtig war an diesem Event nur, dass wir für Chuck spielten. Exodus existierten damals als Band nicht. Wir alle steckten unsere Nasen nur in die Drogen und kümmerten uns um Dinge, welche uns nicht gut taten. An diesem Abend spielten wir nicht wirklich gut. Auch wenn die Leute das Gefühl hatten, dass wir alles weggeblasen hatten (lacht). Es schien den Leuten zu gefallen und auf dieser Reaktion bauten wir auf. «Here we are!» (lacht). An diesem Abend versammelten sich all die bekannten Thrash-Bands, wie Death Angel, um für einen guten Zweck Geld einzuspielen, damit wir Chuck helfen konnten. Es war wie ein erneutes Aufflammen der ursprünglichen Bay Area Thrash-Szene. Viele Truppen bemerkten, wie sehr dieser Sound von den Fans vermisst worden ist. All die Splitbands, wie The Organization, kamen nicht an das Flair und den unglaublichen Spirit der Ur-Bands an. Jeder Musiker, der damals auf der Bühne stand, bemerkte, wie toll es sich anfühlte mit seinen alten Kumpels zu musizieren. Alle wollten diesen Groove wieder spüren und so kam es, dass zum Beispiel Exodus und auch Death Angel wieder von sich reden machten (lacht).

MF: Gibt es Pläne für ein neues Studio-Album?

Tom: Ja, aber dazu müssen wir zuerst diese Tour beenden. Wie auch Slayer mit ihrer Konzertreise fertig sein müssen, damit Gary wieder mit uns zusammen komponieren kann. Davor müssen wir aber ein bisschen unsere Batterien laden, nach diesen endlos langen Konzertreisen. Weisst du, es ist für uns und für Gary eine geschäftliche Angelegenheit. Wir unterstützen, dass Gary bei Slayer seinen festen Platz hat, vermissen ihn aber, wenn er nicht mit seiner Band (Exodus) auf Tour gehen kann. Er ist immer unser Bruder und lässt uns immer wissen: «…I miss you guys!» Trotzdem ist es für ihn eine grossartige Sache, dass er bei Slayer spielen kann. Gary ist ein grossartiger Musiker, und er hat es verdient, den ganzen Luxus den Slayer mit sich bringen zu geniessen. Ich freue mich mit meinem Bruder (lacht). Trotzdem wird er immer zu Exodus gehören, weil er über all die Jahre massgeblich am Erfolg von uns hart mitgearbeitet hat.

MF: Wie war es, als du zum ersten Mal eine eigene Platte in deinen Händen gehalten hast?

Tom: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Mein Gott (lacht)! Da war ich 19 oder 20 Jahre alt. Wenn du in diesem Alter ein Album veröffentlichst, denken alle Kumpels, dass du gleich mit dem Porsche um die Ecke fährst (lacht). Es ist ein spezielles Gefühl. Weisst du, es ist Leidenschaft, welche dich antreibt Musik zu spielen. Es ist es verdammt hartes Geschäft geworden. Die wenigsten Leute gehen in ein Geschäft und kaufen sich das neue Album von Exodus. Da wird alles gratis aus dem Netz gesaugt. Auch wenn es sich momentan zu einem Gegentrend entwickelt, aber alleine von den Vinyl-Scheiben, die wir verkaufen, können wir uns kaum was leisten. Vinyl erzählt eine bessere Story! Du nimmst die Scheibe aus der Hülle, riechst an ihr, und schnüffelst förmlich die gute Musik (grinst). Auch wenn dies für viele nicht mehr nachvollziehbar ist, wir zwei (klopft mir auf die Schulter) haben diese Zeit noch erlebt und geliebt. Mit welcher Leidenschaft man sich neues Vinyl seiner Lieblingsbands gekauft hat und man es sich förmlich reinzog, hat heute kaum mehr eine Bedeutung. Wenn, dann nur noch für ganz wenige.

MF: Zusammen mit Kirk Hammet hast du Exodus gegründet. Wie kam es dazu?

Tom: Ja (grinst)… Zuerst spielten wir nur Rock'n'Roll Coverversionen, garantiert aber keinen harten Metal! Kirk brachte uns dann auf eine bedeutend härtere Schiene. Alles begann mit dem Scorpions Live-Album «Tokyo Tapes». Wir sassen in einem Zimmer, völlig bekifft, hörten Musik und lasen das Cream-Magazin (lacht). So begann alles. Wir spielten Demos ein und spielten auf lokalen Konzerten. Gary, der ursprünglich Kirks Gitarrenroadie war, brachte nochmals einen neuen Schwung rein. Es war unglaublich was sich Kirk alles beibrachte und damit Gary anfixte. Ich habe es Kirk nie übel genommen, dass er zu Metallica abwanderte. Es hat mich sehr für ihn gefreut und wie sich seine Karriere anbahnte, die sich dann zum Positiven wandelte (lacht)…

MF: Wenn wir schon bei Metallica sind, alle sprechen von den grossen vier Thrash-Metal-Bands, Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax. Wo sind da Exodus?

Tom: Weil es hier nur vier Plätze gibt, fehlen wir (grinst). Würde es die grossen Fünf geben, wären wir dabei. SORRY TESTAMENT (lautes Lachen)! Aber wir haben um diesen Platz gekämpft (grinst).

MF: Hast du jemals gedacht, dass euer Debüt-Album «Bonded By Blood» dermassen einschlagen wird?

Tom: Nein, absolut nicht. Aber es ist cool, dass dieses Werk ein Teil unserer Reise ist. Wir haben so viele tolle Lieder geschrieben, dass es Abend für Abend nicht einfach ist, allen Fans gerecht zu werden. Aus zehn Scheiben müssen wir uns die Songs zusammen suchen, welche keinen Exodus-Freak enttäuschen dürfen. Aber in der Tat, «Bonded By Blood» ist Fluch und Segen zugleich. Es ist wunderbar ein Album komponiert zu haben, welches zu den Stützsäulen des Thrash-Metals zählt. Etwas, das zu den Pionierwerken der Szene gehört. «…but we have to play that songs every fucking night!» Es ist okay, und wir stecken die volle Energie rein, wenn wir die Tracks spielen. Die Leute lieben die Songs und können die Energie fühlen. Die ganzen Jahre zusammen mit Exodus fühlen sich wie eine lange Reise an. Bon Scott hat es richtig gesagt: «It's a long way to the top» (lacht). Während dieser Reise haben wir vieles erlebt. Tod, Tragödien, Zerstörung und Selbstzerstörung gehörten dazu. Trotzdem bin ich mit allem zufrieden und auch stolz auf das, was Exodus in all den Jahren erreicht haben und noch erreichen werden. Als Kid wollte ich nur Party feiern. Heute, als gereifter und alter Mann (grinst), geniesse ich die Reise und bin stolz auf das Erreichte. Das ist ein grosses Geschenk, das wir dies alles erleben konnten.

MF: Wie verhält es sich mit «Sex, Drugs And Rock'n'Roll»?

Tom: Heute zählt nur noch der Rock'n'Roll (lacht)! Wir sind älter geworden, die meisten sind verheiratet oder werden heiraten. Wir haben zu viele Erfahrungen gemacht mit Drogen und den ganzen Chicks im Bus. Heute reicht es uns ein paar Bierchen zu trinken und eine gute Zeit zu haben. Die Musik ist das Wichtigste und dass wir auf der Bühne stehen können. Ich denke nicht, dass wir früher ein Problem mit Alkohol hatten. Das Problem in dieser Band war «Speed», aber diese Zeiten sind vorbei. Das war vor dreizehn Jahren, und weisst du was? Wir vermissen diesen Scheiss nicht! Es hat sich so Vieles verändert in den letzten dreissig Jahren. Man darf nicht vergessen, dass wir damals Kinder waren, die sich wie in einem Süssigkeitenladen aufführten. Den Scheiss, den ich damals mit 26 Jahren tat, hat nichts mehr mit der Person zu tun, die dir heute gegenüber sitzt. Aber was willst du tun, wenn dir alles auf dem Tablett serviert wird? Wie waren die Tourneen zusammen mit Death Angel doch eine geile Zeit. Wir haben den kompletten Tourbus zugedampft (lacht). Jede verdammte Nacht (lautes Lachen) und am Abend eine Killer-Show abgeliefert. Das war ein Wettkampf zusammen und gegen die Jungs von Death Angel (lacht).

MF: Besten Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft.

Tom: Es war mir ein Vergnügen.