Interview: Grave
By Lucie W.
Grave gehören zu den wichtigsten und dienstältesten Bands des Schwedischen Death Metal: ihr erstes Demo veröffentlichten sie 1986, damals noch unter dem Namen Corpse. Anlässlich ihres elften Studioalbums „Endless Procession of Souls“ (Century Media) ist die Truppe nun zum ersten Mal seit 2003 wieder auf einer Headliner-Tour durch Europa und die USA. Nachdem die einzige Show in der Schweiz von einem Samstag auf den Montag verschoben wurde, war im Galeria in Pratteln längst nicht so viel los, wie diese grandiose Live-Band verdient hätte. Trotzdem lieferten die Schweden eine professionelle und voll motivierte Show ab. Vor dem Gig stellten sich Schlagzeuger Ronnie Bergerståhl (seit 2006 dabei, früher bei Demonical) und Bassist Tobias Christianson (neu ab dieser Tour, früher bei Dismember) dem Interview.

MF: Ihr seid momentan auf Tour um euer neues Album „Endless Procession of Souls“ zu promoten. Wie war die Tour denn bisher?


Ronnie: Die Tour war bislang sehr gut, wir hatten gute Shows, nur gestern in Italien hatten wir mit den Promotern einige Probleme. Das Publikum war aber überall cool. Dies ist ja unsere erste Headliner-Tour seit Jahren, ich glaube seit 2003, das war noch bevor ich zur Band gekommen bin. Wir wussten also nicht, was uns erwartet, aber es läuft sehr gut.

MF: Ihr habt ja auch einen strengen Bandleader, oder?

Ronnie: Ja (lacht), Ola hat alles im Griff und darauf kann man sich auch verlassen.

MF: Wie würdet ihr denn euer neues Album jemanden beschreiben, der noch nicht rein gehört hat?

Tobias: Ich würde sagen, dass es sehr vielseitig ist, es gibt von allem etwas. Wir haben im Vergleich zu den vorherigen Alben wieder mehr Mid-Tempo-Songs draufgepackt und groovigere Passagen, es gibt aber auch die typischen schnellen Grave-Songs.

MF: War diese Vielfalt eine bewusste Entscheidung oder entstand sie von selbst beim Songwriting?

Ronnie: Eigentlich entstand das ganz natürlich. Dieses Mal lief es nämlich beim Songwriting ein bisschen anders als sonst. Tobi und ich gingen zuerst in den Proberaum und schrieben die Grundstrukturen für zwei oder drei Songs gemeinsam. Dann kam Ola dazu und wir vollendeten diese Stücke gemeinsam.

Tobias: Es lief alles total reibungslos ab, jeder brachte seine Ideen mit ein und alles entstand ganz von selbst. Es war sehr gute Teamarbeit.

MF: Von Ola steht in der Pressemitteilung von Century Media, er habe die Songs durch den Grave-Filter gezogen, um sicher zu gehen, dass sie auf das Album passen. Was muss man sich darunter vorstellen?

Ronnie: Na ja, Tobi und ich tendieren oft dazu, ein wenig komplexere Sachen zu schreiben. Ola macht die Riffs dann ein weniger einfacher, damit sie sich straighter und direkter anhören. Dasselbe gilt auch für Arrangements und Songstrukturen.

MF: Denkt ihr, dass Grave auch so etwas wie ein Label ist und die Leute wenn Grave draufsteht auch Grave drin haben wollen?

Beide: Ja, das ist sicher so.

Tobias: Es gibt bestimmte Töne, von denen man weiss, dass sie funktionieren, die man dann auch immer wieder einsetzt.

Ronnie: Man hält an einer bestimmten Formel fest und es darf nicht zu progressiv werden, sonst wäre es eben nicht mehr der typische Grave-Sound.

MF: Man ist ja so dann auch als Musiker etwas eingeschränkt und Ola hat deshalb ein Solo-Projekt namens Grey Heavens, wo er etwas experimentellere Musik macht. Habt ihr beiden auch andere Projekte neben Grave?

Ronnie: Ich selbst nehme sehr viel zu Hause auf mit Computer und Drummachine, aber es fehlt mir die Zeit, etwas Handfestes daraus zu machen.

Tobias: Ich habe auch eine zweite Band, aber wir schaffen es oft kaum, schon nur einen Termin für die Probe zu finden. Da kommen viele Faktoren zusammen: die anderen in der Band haben Familie und ich brauche viel Zeit für Grave.

Ronnie: Bis vor einem Jahr habe in einer anderen Band gespielt, die oft auf Tour war, und da musste ich mich dann zwischen dieser Truppe (Demonical, Anm. LW) und Grave entscheiden. Wie man sieht habe ich Grave gewählt, obwohl es mir nicht leicht fiel, die andere Band zu verlassen.

MF: Gerade wenn man in einer Band ist, die oft auf Tour ist. Wie geht denn die Reise bei euch weiter?

Ronnie: Morgen sind wir noch in London, das ist der letzte Gig der Europa-Tour, und danach fliegen wir in die USA, wo wir mit Morbid Angel und Dark Funeral eine Tour mit um die 30 Shows machen. Wir hätten eigentlich einige freie Tage während der Tour gehabt, wir konnten es jetzt aber so regeln, dass wir da Shows nur mit Dark Funeral spielen. Morbid Angel wollen freie Tage haben, wir lieber nicht. Ich persönlich mag es am liebsten, jeden Tag einen Gig zu haben, denn sobald man einen freien Tag hat, verliert man Geld, denn man muss ja trotzdem den Bus und den Fahrer bezahlen, und ausserdem kommt man aus dem Flow. Wenn man nur einen freien Tag hat, dann ist es, als ob man wieder ganz von vorne anfangen muss.

MF: Ist es denn tatsächlich so, dass der Standard der Clubs in den USA viel schlechter ist als in Europa?

Tobias: Ja, das stimmt, meistens gibt es keine Dusche, manchmal sogar nicht mal einen Backstage-Bereich, und die Toiletten sind auch nicht immer das Wahre. Es ist seltsam, ich weiss nicht, warum das so ist, denn es macht das Ganze sehr kompliziert. Wenn man dann doch mal duschen will, muss man sich ein Hotel suchen.

MF: Ich interessiere mich sehr für Texte, also hätte ich dazu einige Fragen an euch. Wie wichtig sind euch persönlich Texte und wie wichtig sind sie für Grave?

Ronnie: Mir persönlich sind die Texte nicht wichtig. Ola hat alle Lyrics geschrieben, wenn wir die Songs ausgesucht haben, die auf die Platte sollten.

Tobias: Ola hatte auch schon vorher einige Ideen, er hat diesmal einige Texte, die sich um das Thema Horror drehen. Es kommen da zum Beispiel Geister vor und andere Erscheinungen.

Ronnie: Er macht meistens zuerst den Titel und schreibt dann den Text. Aber für mich persönlich ist die Musik das wichtige, auch wenn ich eine andere Band anhöre, wenn die Texte gut sind, ist das schön, aber es ist mir nicht wirklich wichtig.

MF: Wie kam es denn zum Albumtitel „Endless Procession of Souls“ und welche Idee steckt dahinter?

Ronnie: Soweit ich weiss hat Ola eine Sendung im Fernsehen gesehen, in der es um Geisterjagd ging. Da kam ein Medium vor und diese Frau sagte, dass sie die Seelen in einer endlosen Reihe schweben sehe. Er schlug uns also diesen Titel vor und er gefiel uns.

MF: Im Cover-Artwork ist diese Vorstellung sehr schön umgesetzt. Ihr habt jetzt schon zum dritten Mal denselben Künstler mit dem Cover-Artwork beauftragt, richtig?

Ronnie: Ja, wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit, er (der Rumäne Costin Chioreanu von Twilight13 Media) hat einen unverwechselbaren Stil und arbeitet sehr schnell und zuverlässig. Er hat für meine frühere Band Demonical auch schon einiges gemacht, und ich schlug ihn für Grave vor als wir jemanden für das Cover von „Dominion VIII“ brauchten. Ola mochte seinen Stil sofort, und so hat er auch die beiden nachfolgenden Cover gezeichnet. Wir gaben ihm dieses Mal nur den Albumtitel und schon ein paar Stunden später hatten wir schon den ersten Entwurf, der dann tatsächlich auch gleich als Cover ausgewählt wurde.

Tobias: Den Leuten scheint das Cover sehr zu gefallen und ich mag es auch sehr gerne. Das typische Grave-Rot ist auch hier wieder zu finden. Es ist eben auch schwierig heutzutage noch etwas Originelles zu bringen, denn alles wurde irgendwann schon gemacht. Da ist es besser, seiner Linie treu zu bleiben. Es ist bei einem Cover auch wichtig, dass es gut auf einem Shirt aussieht.

MF: Grave ist ja nun schon sehr lange dabei. Findet ihr, dass sich Metal-Szene in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat?

Tobias: Wenn wir von Death Metal sprechen, dann war natürlich ein grosser Hype Anfang der 90er, weil es da noch ganz neu war. Viele Leute waren neugierig und hörten rein. Einige Bands wurden riesig und sehr erfolgreich, zum Beispiel Obituary und Morbid Angel. Dann kam aber wieder was neues, was die Teenager interessierte und einige wandten sich dann vom Death Metal wieder ab. So ist das bei allen Hypes. Ich glaube aber, dass gerade im Death Metal die Fans sehr treu sind und er daher im Underground weiter existieren wird.

MF: Welche Musik hört ihr euch denn privat an?

Ronnie: Ich höre fast nie Death Metal (lacht).

Tobias: Ich mag die alten Death Metal-Bands aus den frühen 90ern. Ich kenne mich aber mit den neueren Death Metal-Sachen nicht gut aus, ich höre mir lieber Heavy Metal aus den 70ern und 80ern an.

MF: Gibt es auch Sachen, die ihr überhaupt nicht mögt?

Tobias: Im Metal? Ja, sehr vieles (lacht)!

Ronnie: Alles, wo Core hintendran steht kann ich nicht ausstehen! Core ist für mich wie ein kleiner Warnlämpchen das aufblinkt um mir zu sagen: „Achtung, hör dir das bloss nicht an!“

Tobias: Bei Grave hat jeder seine eigenen musikalischen Vorlieben, die sehr unterschiedlich sind. Wir mögen alle Metal, aber alle sehr unterschiedliche Spielarten.

MF: Nun kommen wir zum Ende des Interviews. Was möchtet ihr gerne unseren Lesern noch sagen?

Ronnie: Was ich immer sage: Checkt das neue Album aus! Und: diese Tour war sehr kurz, eigentlich nur ein Warm-Up für Amerika, und deshalb werden wir entweder Ende dieses Jahres oder Anfang 2013 zurück kommen und eine längere Europa-Tour machen. So: We’ll be back!