Interview: HiM
By Lynn
Wenn schwermütige Finnen zu fröhlichen Menschen mutieren.



HIM ist mit dem achten Studiowerk auf Tour, wir liessen es uns nicht nehmen, mit dem Sänger Ville Valo über Kunst, Musik und das Tourleben zu reden. Zustande kam ein interessantes Gespräch, bei dem der düstere Finne ein erfrischend sonniges Gemüt offenbarte.

MF: Hey Ville. Danke, dass du dir die Zeit für uns nimmst. Wie geht es dir?

Ville: Mir geht es gut, danke. Ich denke, wir haben noch nie hier im Komplex 457 in Zürich gespielt, Ein wirklich toller Club. Wir sind etwas im Stress, da wir fünf Konzerte nacheinander spielen werden, morgen zwei in Deutschland, dann in Paris und direkt weiter nach Wolverhampton in Grossbritannien. Ich denke wir werden nächsten Montag einen Day Off haben.

MF: Wow, das klingt wirklich stressig! "Tears On Tape" steht für all die Tränen, welche all deine musikalischen Einflüsse und grossartige Künstler wie Black Sabbath metaphorisch für ihre Musik vergossen haben. Aber was hat es mit dem interessanten Artwork der Platte auf sich, der Nachricht in Malachim (kurze Anm. d. Interviewerin: Alphabet aus dem 16. Jhrndt. abgeleitet von Hebräisch und Griechisch), dem Heptagram und der Schlange, die alles umkreist?

Ville: Ich hatte die Chance Daniel P. Carterb zu treffen, der Typ der das Artwork entworfen hat, wir kennen ihn seit Jahren und er ist auch Musiker, DJ und auch Künstler. Er zeigte mir ein paar Malereien auf seinem iPhone, ich war begeistert und fragte ihn, wer sie gemacht hat und er antwortete "Das war ich.". Wir waren sehr spät mit dem Artwork für das Album dran und ich fragte ihn ob er ob er ein paar Skizzen für uns machen könne, weil ich seine Arbeit wirklich mag. Es dauerte etwa zwei, drei Wochen und er hatte circa dreizehn Zeichnungen zusammen, sie waren so wunderschön, dass wir am liebsten alle verwendet hätten! Ich mag satanische und okkulte Kunst und ihre freie Assoziierung. Es ist etwas von allem dabei, ich mische gerne Dinge zusammen, welche den Verstand arbeiten lassen, weisst du was ich meine? Da war nicht soviel geplante Interpretation dahinter..

MF: Ich weiss genau was du meinst. Du hast einmal gesagt, dass es dich mehr fasziniert einen Pinsel von Salvador Dali in der Hand zu halten, als... (Ville unterbricht mich hier enthusiastisch)

Ville: Genau! Wegen dem Prozess dahinter!

MF: Genau das wollte ich dich fragen, was ist also faszinierender daran als das Gemälde selbst?

Ville: Es gibt dem Gemälde das besondere etwas. In unserem Fall ist es das Lied, weil wir Musiker sind. Wo er geboren ist, die Basis, welche im Proberaum entstand mit den Jungs zusammen. Zeit kann sehr schmerzvoll sein und es kann ewig dauern, bis man einen Song zusammen hat. Es sind soviele Seiten eines Tagebuchs in einem Lied, welche die Leute gar nicht hören können. Deshalb finde ich es interessant wie das Leben der Menschen zu dem gehört, was sie erschaffen. Es ist faszinierend hinter die Beweggründe des Erschaffers zu sehen, nicht nur Dali, auch Blake, kennst du Blake?

MF: Yep, ich bin mit William Blake vertraut.

Ville: Genau. Also, es ist viel interessanter zu erfahren wie er so wurde, als das was er war am Ende. Vor allem die Zeit in der er lebte im 19. Jahrhundert, weisst du, wass ich meine? Die ganze Epoche in der er lebte, in Paris rumhing und alle verärgerte. Es ist cool das ganze zu verstehen.

MF: Da kann ich dir nur zustimmen. Du hast auch etwas erschaffen vor einigen Jahren, das Heartagram, welches ich auch als Tattoo trage...

Ville: Oh, wirklich? Das ist cool, darf ich es sehen?

MF: Ich kann es dir nach dem Interview zeigen, aber zurück zum Thema: Wie fühlt es sich an, etwas erschaffen zu haben, dass eine solche Eigendynamik entwickelt hat, Leute verbinden damit auch Kat von D oder Bam Margera, welche beide mit dir befreundet sind und ebenso von dir inspiriert wurden.

Ville: Es war nur eine Kritzelei, weisst du, und es begann ein Eigenleben zu entwickeln welche ich nicht kontrollieren konnte und ich bin glücklich darüber. Es wurde nicht zu einem bösen faschistischem Symbol, weisst du, es bewegte sich in die richtige Richtung wo es immer noch weiterlebt. Es bedeutet den Menschen unterschiedliche Dinge und es ist schön, ein Teil davon zu sein. Ich habe keine Kontrolle darüber, aber das kümmert mich nicht wirklich. Es ist etwas Besonderes, ähnlich wie einen Song zu schreiben, bei dem du zuerst nie weisst, wie er bei den Leuten ankommt, wie er sich entwickeln wird, ob er zu einem Soundtrack eines Films wird, Dinge wie diese eben. Das ist die Magie des Rock'n'Roll, nicht wie in der Pop Industrie, wo die Macher alles kontrollieren und den Gewinn kalkulieren, Rock'n'Roll fliesst einfach und du schaust einmal, was passiert. Du betest zu all den... naja Göttern (Ville grinst verschmitzt bei diesem Satz) da unten und hoffst, dass etwas gutes passieren wird.

MF: Eine sehr spannende Ansicht, wie Dinge sich entwickeln können. Apropos Entwicklung, wie war es, als du das erste Mal nach Los Angeles gekommen bist, war das kein Kulturschock? Der, Sorry für das Klischee, düstere Finne umzingelt von der Sonne Kalifornens aufgeheiterten Gemütern?

Ville: Wir fühlten uns in einer Nanosekunde selbst wie Kalifornier, es war lustig. Es war zu der Zeit, als wie an Love Metal arbeiteten und ein Video mit Bam gedreht haben und ja, es war ein Kulturschock- genau wie das erste Mal in Japan! Es ist anders, aber sehr angenehm. Ich mag LA und andere Orte, welche speziell sind aufgrund dem, was und wo sie sind und es ist schön dort Urlaub zu machen und vom düsteren Skandinavien weg zu kommen. Das einzige, was ich an Los Angeles nicht mag, ist der Verkehr, er ist nicht so geregelt wie in Manhattan.

MF: Ja, der öffentliche Verkehr dort ist gefährlich, nimm niemals den Bus!

Ville: Das habe ich bisher noch nie, und danke für den Hinweis, so komme ich bestimmt nie auf die Idee (Ville lacht herzhaft).

MF: Du bist sehr viel unterwegs, bist du mehr der ruhelose Zigeuner, der das geniesst, oder hast du manchmal Heimweh?

Ville: Das Gras ist auf der anderen Seite immer grüner. Wenn du auf Tour bist, willst du nach Hause, wenn du Zuhause bist, willst du zurück auf Tour. Wir waren jetzt nicht so häufig auf Tour, es ist ein grosser Aufwand für uns und wir versuchen eine Balance zu finden. Einige der Jungs haben Kinder und so, also ist es wichtig Zeit mit der Familie zu verbringen. Es ist ein Balanceakt und schwierig, aber wir sind immer noch hier, also kann ich mich nicht beklagen, wir haben etwas richtig gemacht.

MF: Wenn wir schon über Familie reden, dein Bruder Jesse ist ein professioneller Thai Boxer...

Ville: Er war kein Profi, er war verdammt gut, aber er ist Musiker, genau wie ich. Er hat ein einige Meisterschaften in Thailand gewonnen und bei europäischen Meisterschaften einige Medaillen. Es ist einer der härtesten Kampfsportarten, aber nicht so bekannt wie Boxen oder Ultimate Fighting oder wie das Zeug alles heisst, also hält eine Profikarriere nicht so lange hin. Er hat seine Entscheidung getroffen und jeder sollte das tun, was ihm gefällt - Er verkloppt eben gerne Leute.

MF: Dich hat das ganze nie interessiert, als ihr zusammen aufgewachsen seit?

Ville: Nicht so wie er. Er ist sieben Jahre jünger als ich. Ich fuhr Skateboard als Kind, dann kam die Musik und Biertrinken, das war mein Ding.

MF: Bist du immer noch Vegetarier, oder wie du es meiner Kollegin von MetalFactory so schön beschrieben hast: 'Ein Veganer der Milchschokolade isst'?

Ville: Ich habe schon alles mögliche ausprobiert, ich war sogar Frutarier (strikte vegane Ernährungsweise auf Basis von Früchten, teilweise sogar nur Fallobst. Anm. d. Interviewerin), aber auf Tour ist das echt hart. Vor allem zu unseren Anfangszeiten, da als Catering oft Thai serviert wurde und das mit so einer Fischpaste zubereitet wird, oder die ganze Gelatine in den Produkten. Migé kann dir ein Lied davon singen! Hey Migé, wie war die Schinkengeschichte?

Migé: (lacht laut auf) Yeah, das war vielleicht 'ne nervige Geschichte! Wir waren irgendwo auf Tour essen und fragten nach etwas vegetarischen und die brachten irgendein Gericht und wir hakten nacht, ob das wirklich vegetarisch sei.

Ville: Die sagten 'Ja, Ja, Ja, vegetarisch!', wir haben es genauer angesehen und da war so Schinkenzeugs drin. Wir protestierten 'Alter, das ist nicht vegetarisch, da ist Schinken drin!' und der Typ so 'Nein, das ist kein Schinken.' aber wir haben es als Schinken identifiziert, als gabs kein Mittagessen für uns. Aber heute ist das viel einfacher. Mein Vegetarismus war sozusagen ein Geburtstagsgeschenk an einen Freund, der strikter Vegetarier ist und er zog mich ständig damit auf, dass ich Fleisch ass. Irgendwann hatte ich die Schnauze voll.

MF: Okay, zurück zum guten alten Rock'n'Roll. Du bist ein Fan von Black Sabbath, wie gefällt dir die neue Scheibe '13'?

Ville: Ich habe noch nicht das ganze Album gehört, weil mein Plattenspieler Zuhause am Arsch ist. Aus irgendeinem Grund fühlt es sich für mich falsch an, Black Sabbath auf CD zu hören. Ich will sie nicht als Binärcode, ich will sie auf guter alter Vinyl hören. Ich kann es kaum erwarten bis sie in Helsinki am 28. November spielen, ich hoffe ich schaffe es zum Konzert! Bisher habe ich nur zwei Songs gehört, aber es klang gut und es klan nach Sabbath. Es war '77, als sie das letzte Album in Originalbesetzung veröffentlichten, so es ist etwas zwischendrin. Aber was auch immer sie tun, es gibt immer welche die jammern. Hätten sie den Sound moderner gemacht, wäre gemotzt worden, dass es zu modern ist, wäre es mehr retro, würde es die ältere Generation als Angriff sehen. Was immer sie tun, es ist richtig und falsch zur selben Zeit. Aber sie haben ihre Identität.

MF: Man kann es nie allen recht machen. Kommen wir zur letzten Frage: Gibt es etwas, dass du unseren MetalFactory Lesern sagen möchtest?

Ville: Zuerst einmal, Gratuliere, dass du lesen kannst (der ganze Raum bricht in Gelächter aus) und fähig bist etwas wichtiges zu unterstützen, richtig? Ich denke, das ist ein Vorteil. Nein ernsthaft, mach was immer du willst, das ist der Geist des Rock'n'Roll. Mache deinen Weg und beschreite deinen eigenen Pfad und es ist nicht schwul, Earplugs zu tragen.

MF: Okay, die meisten Leute können zwar lesen, aber nicht verstehen.

Ville: Stimmt, das wäre der nächste Schritt, oder? Wir sind zwar nicht fähig zu denken, aber wenigstens kriegen wir Sätze zusammen.

MF: Wenigstens etwas. Ich danke dir sehr für das interessante Gespräch und...

Ville: Nein! ICH danke dir, es war echt toll, coole Fragen!