Interview: Magnum
By Kissi
Werden Musiker, gerade wenn sie wenigstens semi-erfolgreich sind, langsam älter, scheinen sich oftmals sowohl Abnützungs- wie Grössenwahnerscheinungen bemerkbar zu machen. Schon gut, dass sich einige alt gediente Hasen im Rockbusiness immer noch so fannah und spritzig wie am ersten Tag präsentieren, und dies nicht nur auf der Bühne. Die Rede ist dabei von den britischen Rockern Magnum, welche nach über 30 Jahren Bestehen, 12 Studioalben und unendlich mehr Konzertreisen noch lange nicht daran denken, das Bühnenoutfit mitsamt Instrumenten an den Nagel zu hängen, sondern rockten im Mai mit dem mehr als gelungenen Longplayer Nr. 13, „Princess Alice And The Broken Arrow“, das Z7 lebendiger als so manche Jungspunde. Und als dann das erhoffte Interview mit den AOR-Legenden nicht wie geplant vor der Show von statten gehen konnte, erklärte sich Charismastimme Bob Catley (BC) ohne Umstände bereit, an Ort und Stelle, noch im Bühnenoutfit und auf Nikotinentzug, der Dank dem Umstand, dass auch ich bekanntlich passionierter Raucher bin, nicht lange währte, Rede und Antwort zu stehen (an dieser Stelle noch ein Dankeschön an Mr. Rockstation, der das Ganze einzufädeln wusste). So ereiferte sich der Grinsemann, immer darauf bedacht, möglichst ausführliche und zufrieden stellende Antworten zu geben über Sinn und Qualität der neuen Scheibe, übers Geschichten Erzählen und das Altwerden.

MF: Hey Bob! Danke, dass du dir nach über eineinhalb Stunden Konzert noch Zeit für uns nimmst. Wie war der heutige Gig für dich?

BC: Es war toll! Wir durften einem uns geneigten Publikum unsere Musik vorspielen, durften auf der Bühne stehen - genau für das leben wir! Natürlich pogt bei uns die Menge nicht oder bricht sich fast das Genick vor lauter Headbanging, aber das würde auch nicht zu unserer Musik passen. Wir sind keine Metalband, bei welcher die Zuschauer einfach abdrehen. Wir sind einfach eine Band, die ihre Musik, in unserem Fall melodiösen Hard Rock, spielt. Da ist schnell klar, dass sich die Freude des Publikums anders zeigt als bei Slayer oder so.

MF: Dies war das vierte Konzert dieser Tour. Wie läuft es so?

BC: (todernst) Es ist furchtbar, Mann!

MF: Warum das denn?

BC: Zu viele Leute! Zu viele Leute, Mann! (lacht) Ich scherze nur, Junge! Die vierte Show ist das? Du weisst mehr als ich! Ich hab jetzt schon keine Ahnung mehr, was für ein Tag dass heute ist! Nein nein, es fühlt sich einfach verdammt gut an, wieder die Strasse und die Bühnen unsicher zu machen, neues Material zu spielen. Gerade mit so einem Album wie „Princess Alice And The Broken Arrow“ im Gepäck ist man natürlich voller Elan, live die neuen Tracks vorzuführen. Die neuen Songs kommen fast genau so gut an wie die alten Hits, und besser kann man es doch gar nicht treffen. Normalerweise reagiert das Publikum so: „Hmm... Ein neuer Song... Nicht schlecht, aber früher waren sie schon besser!“ Jetzt freuen sich unsere Fans aber auch über aktuelle Sachen, und manche können die neuen Lieder besser mitsingen als das alte Zeugs. Die Fans sind dieses Mal so freundlich, und die Stimmung ist immer so familiär. Und überall, wo wir hinkommen, d.h. in Belgien, Deutschland, England, Schottland oder hierher, die Leute zeigen so viel Freude an unserer Musik... Es ist einfach wunderbar.

MF: Wie du gerade erwähnt hast habt ihr kürzlich eure 13. Studioscheibe mit dem ellenlangen Titel „Princess Alice And The Broken Arrow“ veröffentlicht. Was bedeutet dieser Titel?

BC: Irgendwo in Birmingham befand sich ein Waisenhaus, welches ‚Princess Alice’ hiess. Heute existiert es zwar nicht mehr, aber Tony (Clarkin, Gitarrist und kreativer Kopf von Magnum, Anm. d. Verf.), der ja die Songs schreibt, hatte irgendeine Verbindung dazu, und als er das neue Material schrieb, da dachte er viel über frühere Zeiten und so nach, und in dieser Stimmung passte das. Dazu klingt es auch noch irgendwie nach Magnum. Der zweite Teil dagegen, „Broken Arrow“ ist verbunden mit dem Song „Like Brothers We Stand“ von der Scheibe, in welchem es darum geht, dass die Ureinwohner Amerikas, die Indianer, mit dem ‚weissen Mann’ Frieden machen. Das Zeichen dafür ist das Zerbrechen eines Pfeiles. Das ist alles, was ich darüber weiss. Wenn ich mir das so überlege, dann fällt mir auf, dass sich Tony eigentlich verdammt viel überlegt hat...

MF: Ich dachte zuerst, es wäre eine Verbindung zum Song „Just like An Arrow“ von eurem Meisterwerk „On A Storyteller’s Night“.

BC: Haha, das ist mir noch gar nicht aufgefallen! Aber ehrlich gesagt hat das Ganze gar nichts miteinander zu tun. Es ist lediglich ein witziger Zufall. Inhaltlich passt es ja auch nicht: „Just like An Arrow“ ist ein Liebeslied - Die Liebe trifft dich mitten ins Herz, wie ein Pfeil.

MF: „Princess Alice... “ wird von den Medien wie den Fans aufgefasst, als wäre es eine Fortsetzung von eurem schon erwähnten Klassiker „On A Storyteller’s Night“. Und das sowohl vom Flair her wie in Sachen Qualität.

BC: Korrekt! So wird es von der Masse betrachtet, und so sehen auch wir es! Es entwickelte sich einfach so. Das Ganze war überhaupt nicht geplant. Als die Songs standen, da bemerkten wir, dass all die Elemente, welche auf „Storyteller“ da waren, auch im neuen Material zu finden sind. Natürlich haben wir uns auch nicht dagegen gewehrt. Schliesslich ist dies die Scheibe, welche von den meisten unserer Fans und der Presse als unser Meisterwerk bezeichnet wird.

MF: Und so habt ihr euch gedacht: „Nehmen wir doch gleich Rodney Mathew fürs Cover-Artwork, der hat ja schon „Storyteller“ ausgestattet!“?

BC: Ja, das macht doch Sinn, oder? Es passte zur Musik von „On a Storyteller’s Night“, also passte es auch nun. Es passt zur Musik und vor allem zum Titel! Schon bei der „Storyteller“-LP wurde das Cover hauptsächlich vom Albumtitel vorentschieden. Und “Princess Alice And The Broken Arrow” klingt genauso märchenhaft. Es war der Titel, welcher Tony dazu veranlasste, wiederum Rodney auszuwählen. Wir haben in der Vergangenheit ja schon mit etlichen Künstlern zusammen gearbeitet, aber dieser Titel schrie einfach nach Rodney. Für Tony konnte es einfach kein anderer sein als er, und somit war das auch nicht wirklich so geplant sondern entwickelte sich gen „Storyteller“. Bevor dann aber alles endgültig entschieden wurde, da wurde uns das anwesende Flair von „Storyteller“ schon bewusst, und wir überlegten, ob wir das wirklich machen sollten. Die Entscheidung dabei fiel uns aber nicht wirklich schwer: „Lasst uns eine Quasi-Fortsetzung machen.“

MF: Sind Magnum Geschichtenerzähler (‚Storytellers’)?

BC: Hmm... Sind wir Geschichtenerzähler? Tony, der ist sicherlich ein Geschichtenerzähler! Er erzählt sie in seinen Texten und Melodien, und ich leihe meine Stimme, wie wenn dein Grossvater dir Märchen vorliest. Das ist meine Aufgabe als Sänger und Frontmann. Ich muss die Verbindung herstellen, während Tony sich ja live eher im Hintergrund hält, dabei aber eigentlich der Erfinder all dieser Fantasien ist. So gesehen stimmt es: Magnum sind Geschichtenerzähler. Eigentlich habe ich noch nie darüber nachgedacht, aber jetzt wo du es sagst - ja, es stimmt. Tony erzählt in seinen Lyrics meistens eine Geschichte, und ich denke, die Fans mögen gerade das an Magnum. Unsere Texte sind zwar immer persönlich und in eine Handlung eingebettet, aber schliesslich sind die Themen, welche darin behandelt werden Dinge, die jeden betreffen. Nicht nur für Tony, mich oder die Band macht das Sinn, sondern für jeden im Publikum.

MF: Worin siehst du die Unterschiede zwischen „Princess Alice“ und eurem letzten Album „Brand New Morning“?

BC: „Brand New Morning“ ist eine superbe Scheibe, aber ihr Flair ist ganz anders. „Princess Alice“ ist einfach grösser. Für uns und auch für andere Leute. Wir haben in der Vergangenheit viele gute Scheiben gemacht, „Vigilante“, „Sleepwalking“, alles gute Scheiben - ich würde kein schlechtes Wort über irgendeines der Alben verlieren - aber „Princess Alice“ ist, genau wie „On A Storyteller’s Night“, einfach ein Stück besser.

MF: Der erste Song von „Princess Alice“, „When We Were Younger“, behandelt die Zeit eurer Jugend, als ihr noch am Anfang eurer Karriere standet. Wenn du so zurückdenkst: Was war besser oder schlechter damals im Vergleich zu heute?

BC: Oh, das ist natürlich wieder eine Idee von Tony. Vor einigen Jahren zog er wieder in die gleiche Gegend zurück, in welcher er vor Jahrzehnten gelebt hatte. Während ihm vieles bekannt war, so hatte sich der Ort doch verändert. Trotz einem vertrauten Gefühl war es eben nicht mehr das Gleiche. Ist ja auch nicht verwunderlich, 30 Jahre oder so später. Aber trotzdem, man weiss, dass sich sicherlich vieles gewandelt haben wird, stellt man sich, wenn man nach einiger Zeit an einen Ort zurückkehrt, alles so vor, wie man es verlassen hat. Dabei kann man natürlich nie mehr diese Zeit und die Gefühle und Empfindungen dieser Zeit vollends zurückholen, da man sich ja selbst verändert hat und alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten beginnt.

MF: Wie siehst du das mit dem Älterwerden?

BC: Da kann ich nicht viel dagegen machen, oder? (lacht) Es stört mich überhaupt nicht! Ich hab kein Problem damit, dass ich wahrscheinlich den Grossteil meines Lebens schon hinter mir habe. Ich bin einfach glücklich! Ich erlebe gerade die beste Zeit meines Lebens überhaupt. Gestern, heute, morgen oder diesen Moment - ich geniesse einfach jede Sekunde. Ich denke gar nicht daran, dass ich altere. Natürlich würde ich gerne noch mal so alt sein wie du, 30 Jahre jünger, und die Jugend geniessen, aber da das nicht möglich ist stört es mich auch überhaupt nicht. Letzten Endes ist das Alter doch etwas Wunderbares: Man lernt so viel Neues, wird klüger, versteht die Welt besser oder hat wenigstens das Gefühl, dass man es tut. Ich bereue sicherlich auch einige Dinge, die ich in der Vergangenheit versaut habe und die ich mit dem Wissen von heute anders und vielleicht besser machen würde. Aber den ganzen Mist noch einmal durchleben... Nein danke!

MF: Was würdest du denn zum Beispiel heute anders machen?

BC: Ich weiss nicht genau... Das ist knifflig, denn, wenn ich vielleicht etwas anders gemacht hätte, dann würde ich heute vielleicht nicht hier sein. Da sind schon Dinge, die ich heute bedauere, aber das ist vorbei, und jetzt bin ich hier und es geht mir hervorragend. Also muss ich doch das Meiste richtig gemacht haben, oder nicht?

MF: Obligatorischer Schlussspurt: Was verbindest du mit der Schweiz?

BC: Mit was? Swee...?

MF: Mit der Schweiz. Mit dem Land, in welchem du dich jetzt gerade befindest, Bob!

BC: Ahh... mit der Schweiz! Verdammt noch mal, meine Ohren sind nur noch müde, unbrauchbare Klumpen. „Jolohodiduuuu!“ (jodelt mehr schlecht als recht, Anm. d. Verf.) Nette Leute, vor Allem, was die Liebe zur Musik betrifft. Sie sind zwar zu Beginn meist ein wenig verhalten, aber eigentlich sind die Schweizer eines der gastfreundlichsten und wärmsten Völker, die ich je getroffen habe. Hmm, was noch? Schöne Berge, Skilaufen... Guter Platz, um Alben aufzunehmen! Hier haben wir „Vigilante“ aufgenommen, in Montreux. Wir haben zusammen mit Roger Taylor, dem Drummer von Queen, in den QueenMountain-Studios gearbeitet und zur selben Zeit haben wir auch noch ein Video gedreht. Drei bis vier Monate waren wir da. Das ist eigentlich meine grosse Verbindung zur Schweiz, wobei das schon alles so lange her ist, dass ich mich nicht mehr an alles erinnern kann. Natürlich schätze ich auch gute Schweizer Produkte... Gutes Essen, guter Wein, die vielen Biere und Schnäpse. Ihr habt eine richtige Trinkkultur hier, und trotzdem sind an unseren Konzerten in der Schweiz viel weniger Betrunkene als bei unseren Gigs in England, hahaha. Ihr verträgt es wohl besser, weil es bei euch normal ist, hahaha. Was kann ich noch darüber sagen... Hmm...

MF: Das ist schon genug! Eine sehr ausführliche Antwort!

BC: Ich bin gerne in der Schweiz! Eigentlich gefällt es mir überall, ich wünschte nur, wir würden mehr von den Ländern sehen, in welchen wir spielen. Ich würde gerne mehr Konzerte in der Schweiz spielen, denn eigentlich sind wir zwar auf jeder Tour mal hier, aber immer nur für einen Auftritt und seit einigen Jahren eigentlich ausschliesslich hier im Z7. Die Schweiz ist ja aber nicht nur Pratteln. Sie hat doch noch so viel andere Plätze und Städte zu bieten. Also Schweizer: Lasst uns mal woanders spielen als in Pratteln. Am besten in Pratteln und dann noch in Zürich oder so. Aber das ist halt so, wenn man auf Tour ist und das Z7 ist ja die Rock-Adresse Nr.1 in der Schweiz. Noch schlimmer ist es in Frankreich: Dort spielen wir nur einen einzigen Gig in Paris, dann sind wir wieder weg. Paris ist aber nicht Frankreich, sondern Paris. Das ist dasselbe wie mit London: Wenn du in London bist, dann hast du England noch lange nicht gesehen, sondern nur London. Um aber aufs Thema zurück zu kommen: Ich würde sehr gerne wieder mal im Winter in die Schweiz kommen, um Ferien zu machen. In den weissen Bergen Skifahren, die Sonne geniessen, und am Abend diesen geschmolzenen Käse essen, in welchen man das Brot eintunkt... Wie heisst das noch? Fondue! Genau... Das ist verdammt lecker, vor allem mit viel Wein dazu.

MF: Bevor du aber in die Ferien gehst: Was sind Magnum’s Pläne für die nähere Zukunft?

BC: Dieses Jahr sind wir auf Tour, das ganze Jahr! Ich hoffe, dass ich daneben aber auch noch Zeit haben werde, endlich meine zweite Solo-Scheibe zu veröffentlichen. Dabei werde ich mit Magnus Carlsson zusammen arbeiten, der, wie ich gehört habe, in Kontinentaleuropa und der Metal-Szene ziemlich berühmt sein soll. Und wenn ich dabei im Zeitplan bleibe, sollte meinem Wunsch, Anfang nächsten Jahres solo auf Tour zu gehen, nichts mehr im Wege stehen. Währenddessen hat Tony, so viel ich weiss, vor, Material für die nächste Magnum-Scheibe zu schreiben, da er von den Arbeiten zu „Princess Alice“ richtig beflügelt worden ist. Aber wie schon erwähnt: Zuerst ist der Fokus auf unsere Tour gerichtet.

MF: Wo wird Bob Catley und/oder Magnum in 10 Jahren stehen?

BC: Oh verdammt! Woher soll ich das wissen?

MF: Auf der Bühne oder im Studio vielleicht?

BC: Ich hoffe es, habe aber wirklich keine Ahnung! In 10 Jahren bin ich nämlich schon verdammt alt! Daneben muss auch immer noch das Publikum mitspielen, nicht? Solange wir noch einigermassen genug Leute finden, die unsere Musik hören wollen und wir gesundheitlich und psychisch im Stande sind - ich hoffe wirklich, dass ich nie senil werde, da sterbe ich lieber vorher - solange werden wir weitermachen, da es das ist, was unser Leben erfüllt.

MF: Danke vielmals Bob, dass du dir noch Zeit genommen hast und hoffe, du kriegst jetzt noch dein verdientes Bier.

BC: Das hoffe ich auch!





                    Bob Catley und Kissi >>>>>>>