Interview: Magnum
By Kissi
Musiker ist nicht gleich Musiker. Es gibt verschiedene Arten und sie unterscheiden sich nicht nur in ihrem Auftreten und Verhalten, sondern auch in ihrem eigenen Selbstverständnis. Da hätten wir einmal die grossen Komponisten, die einen Hit nach dem anderen schreiben, daneben die beeindruckenden Multiinstrumentalisten, die jedem Anfänger die Lust am Spielen verderben, oder auch die kreativen Tausendsassa, die keine Gelegenheit und kein Medium auslassen, um ihre Vision zu verwirklichen. Und dann gibt es noch den pragmatischen Musiker. Derjenige, der weiss was er kann und genau das macht. Zu diesem letzten Typus gehört auch Bob Catley (BC), seit über fünfdreissig Jahren die charismatische, unverwechselbare Stimme der britischen Melodic Rocker Magnum.

Bob versteht sich nicht als Schaffer, nicht als Künstler, nicht als Genie sondern schlicht und ergreifend als Sänger und Frontmann. Und dass er das durch und durch ist, das zeigen sowohl die Magnum-Klassiker «On A Storyteller's Night», «Kingdom Of Madness» oder «Vigilante», als auch seine genau so fesselnden Solo-Scheiben wie «The Tower», «When Empires Burn», «Spirit Of Man» oder «Immortal». Im Zuge von «Into The Valley Of The Moon King», Magnums superber 17. Scheibe, machte sich der Dauergrinser diesen Herbst wieder auf, die Bühnen Europas zu rocken, darunter auch diejenige des Z7 in Pratteln. Was das menschliche Goldkehlchen dabei Metal Factory so alles zu erzählen hatte, von seiner Auffassung des Sängerjobs, Magnum's neustem Werk und anderen Projekten wie etwa Avantasia, das gibt es im Folgenden zu lesen.

MF: Hy Bob! Zuerst einmal danke, dass du dir für uns Zeit nimmst!

BC: Kein Problem, Mann!

MF: Ist es nicht mühsam für dich, immer wieder Interviews geben zu müssen?

BC: Nein, nein, das macht mir gar nichts aus! Es ist ein Teil meines Berufs. Und solange ich noch genug zu erzählen habe...

MF: Wie geht es dir?

BC: Jetzt geht es mir wieder besser. Ich hab gerade eine mühsame Erkältung überstanden, welche ich mir in Skandinavien einfing. Nach Dänemark und 15 Shows in Deutschland rann ich dann immer mit Taschentüchern rum. Jetzt ist es aber wieder gut und glücklicherweise hat es meine Stimme nicht angegriffen. Um aber wirklich sicher zu gehen habe ich eine Woche lang praktisch mit niemandem gesprochen und nur mit kleinen Zettelchen kommuniziert. So sehr vor einer Erkältung fürchtet man sich wohl nur als Sänger...

MF: Mit 35 Shows ist die «Valley Of The Moon King»-Tour eine der längsten eurer jüngeren Karriere...

BC: Yeah, für Magnum ist das eine verdammt lange Tour. Das haben wir seit den späten 80ern wohl nicht mehr gemacht. Zum Teil spielen wir 7 Shows in 7 Tagen und das ist gerade für mich als Sänger schon ziemlich anstrengend. Aber so läuft der Hase eben und die Tour ist unglaublich phantastisch. Es war auch dringend nötig, so viele Konzerte zu spielen, da wir endlich wieder einmal an Orten spielen konnten wie Spanien oder Italien, wo wir schon sehr lange nicht mehr waren. Wir schauen jetzt auch, ob wir im Frühling wieder einmal nach Osteuropa gehen können.

MF: Ihr habt euch auf dieser Tour besonders auf das neue Material konzentriert...

BC: Yeah, darüber freue ich mich sehr! Wir haben sechs Songs von «Into The Valley Of The Moon King» drin, dazu auch vieles von «Princess Alice And The Broken Arrow» und «Brand New Morning». Und das phantastische ist, dass unsre Fans sich genauso über die neuen wie über die alten freuen. Natürlich haben wir auch einige Klassiker drin gelassen, doch glaube ich, dass wir mit neuen Songs wie «The Moon King» Material haben, dass dem alten Stoff in nichts nachsteht. Dieser Song, glaube ich, könnte sogar «How Far Jerusalem» ablösen als ein Eckpfeiler unserer Shows. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell Tony's Songs (gemeint ist Tony Clarkin, Gitarrist und kreativer Kopf von Magnum - Anm.d.Verf.) für die Fans neue Klassiker werden.

MF: Gibt es etwas an der neuen Scheibe, dass du jetzt schon nicht mehr wirklich magst, wo du denkst, das hätte man etwas besser machen können?

BC: Selbstzweifel sind etwas wunderbares, nicht? Hahaha... Natürlich denken wir das von vielen Dingen, die wir gemacht haben. Bei «Into The Valley Of The Moon King» sind wir aber noch nicht in diesem Stadium angekommen. Ich höre mir das Album immer noch gerne an und finde es immer noch wundervoll. Es wird der Zeitpunkt kommen, an welchem ich das eine oder andere nicht ganz gelungen finden werde. Wenn ich «Wings Of Heaven» höre zum Beispiel... «Don't Wake The Lion» spielen wir heute tausendmal besser live als wir es damals aufgenommen haben. Das ist aber über 20 Jahre her und man sollte ja nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft schauen. Aus den Fehlern lernen und dann das nächste Mal einfach besser machen, anstatt lange verärgert zurück zu schauen.

MF: Du hast gesagt, du hörst dir «Into The Valley Of The Moon King» immer noch an. Anders als du mögen es viele Musiker nicht, sich ihre eigenen Sachen später oft anzuhören...

BC: Yeah, Tony ist so ein Typ. Kaum ist die eine Scheibe im Kasten und gemischt, stellt er sie geistig ins Regal und beginnt, an neuem Material zu arbeiten, das noch besser werden soll. Ich aber bin ein Magnum-Fan wie du oder der Rest unseres Publikums. Ich muss ja auch ein Fan sein, da ich die Musik und die Texte, diese Stimmung auch live übermitteln muss. Und da ich die Musik von Magnum wirklich liebe, höre ich Magnum-Alben genau so oft wie andere Platten. Und wenn ich dann sehe, wie meine Tochter sich über unsere Musik auf die gleiche Weise freuen kann, dann freut mich das unglaublich.


MF: Lass uns noch über deine Solokarriere sprechen: Anfang 2009 bist du auf eine kleine Unplugged-Tour durch Europa gegangen...

BC: Yeah! Zusammen mit Vinny Burns (Ex-Ten, Ex-Asia), meiner Managerin Annie und einem Fahrer reisten wir in einem kleinen Bus durch Deutschland, Holland und die Schweiz, um einige akustische Sets zu spielen. Ich weiss, dass nicht jeder Rockfan auf diese Art von Konzerten steht, aber nur so hatte ich die Möglichkeit meine Solosongs auch live zu präsentieren. Denn kurz nach dem Release meiner Scheibe «Immortal» letztes Jahr begannen wir mit den Arbeiten zu «Into The Valley Of The Moon King», weswegen Touren nicht möglich war. Und ich mag es wirklich, akustisch zu spielen und hoffe, dass ich in der Zukunft wieder einmal Gelegenheit dazu haben werde. Die intime Atmosphäre im kleinen Rahmen, das kann genauso viel Spass machen wie auf einer grossen Bühne zu stehen.

MF: Deine Solo-Karriere begonnen hast du 1998 mit dem Album «The Tower» und seither sind fünf weitere Scheiben dazugekommen. Was waren damals deine Gründe, neben Magnum auch solo Platten aufzunehmen?

BC: Naja, Magnum hatte sich zu dieser Zeit aufgelöst. Nach 20 Jahren war es einfach Zeit für eine Veränderung. Unter dem Namen Hard Rain hatten Tony und ich zwar zwei Alben aufgenommen, hatten aber nicht vor, lange Tourneen zu machen. Dann kontaktierte mich Gary Hughes (Gitarrist der britischen Melo-Rocker Ten - Anm.d.Verf.) und fragte, ob ich nicht mit ihm zusammenarbeiten und einige seiner Songs singen wollte und da ich Zeit hatte, sagte ich zu. Und so wird es wohl auch in Zukunft laufen: Wenn wir mit Magnum gerade nichts zu tun haben, während Tony an neuen Songs schreibt oder so, dann hoffe ich wieder mit jemanden zusammenarbeiten zu können. Magnum wird aber sicherlich immer zuerst kommen.

MF: Wenn sich Musiker einer berühmten Band solo versuchen, dann tun sie das meistens, um selbst Songs zu schreiben. Du hast aber auch solo immer mit Songwrittern zusammengearbeitet. Nie darüber nachgedacht, selber Songs zu schreiben?

BC: Das ist eine der wenigen Fragen, die ich immer und immer wieder beantworten muss! Und die Antwort lautet: Nein! Bis in die 90er hab ich darüber nicht einmal nachgedacht, da ich ja immer Tony neben mir hatte, der alle Magnum-Songs schreibt und schrieb. Ich muss mich da nicht darum kümmern. Und als Solokünstler hab ich immer phantastische Songwritter gehabt. Für mich sind das zwei verschiedene Rollen: Sänger und Songwritter. Und ich bin Sänger, d.h. ich leihe meine Stimmen den Ideen und Melodien von anderen und kommuniziere mit dem Publikum. So verstehe ich meinen Job. Ich hab den einfacheren Part, hahaha...

MF: Wenn du dann eigentlich nichts anderes solo machst als mit Magnum, warum machst du dann Solo-Scheiben?

BC: Für mich ist es einfach spannend mit anderen Leuten zusammen zu arbeiten. Die Songwritter, die Musiker und das ganze Produktionsteam sind alles andere Leute und da ändern sich natürlich auch die Songs und die Arbeitsweisen. Ich hab jetzt sechs Alben gemacht solo und es war immer irgendwie anders. Die ersten drei waren mit Gary Hughes und seither waren es immer andere Songwritter. Was aber immer gleich bleibt, sei es solo oder bei Magnum, das ist, dass ich nur Songs singe, mit denen ich mich inhaltich und musikalisch verbunden fühle. Wenn mir der Song nicht gefällt, dann kann ich ihn auch nicht singen. Natürlich bin ich mir auch im Klaren, dass die Leute, welche meine Scheiben kaufen, hauptsächlich gleichzeitig auch Magnum-Fans sind, doch darf ich schon sagen, dass einige Leute erst durch meine Solo-Scheiben auf Magnum gestossen sind. Gleichzeitig interessieren sich Fans, die nur Magnum kennen dann natürlich auch für meine anderen Sachen. Auf beide Seiten hat es also einen positiven Effekt.

MF: Neben Magnum und deiner Solokarriere bist du ja auch immer wieder in verschiedene andere Projekte involviert wie etwa bei Tobias Sammet's Avantasia...

BC: Oh ja! Ich liebe solche Projekte und insbesondere Avantasia. Tobias Sammet ist ein sehr guter Freund von mir und natürlich ist er seit Jahren auch ein grosser Magnum-Fan. Deswegen hat er mit mir ja auch Kontakt aufgenommen. Er ist so ein netter Kerl, ein phantastischer Songwritter natürlich und ich glaube wirklich, dass er noch grossen Erfolg haben wird. Mit seiner Band Edguy hat er ja schon riesigen Erfolg, aber mit Avantasia könnte er das noch übertrumpfen. Ich fühlte und fühle mich immer noch sehr geehrt, dass er mich bei seinen Alben dabeihaben will. Er selber ist ja auch ein umwerfender Sänger und Performer und als dann auch noch die Möglichkeit bestand, dass ganze als riesige Show aufzuführen, alles Headliner-Shows...

MF: Ich hab euch am Rocksound Festival 2008 gesehen...

BC: Oh yeah! Das war die allererste Show, wenn ich mich nicht irre. Da musste alles irgendwie noch ausgependelt werden mit den verschiedenen Sängern, der sechsköpfigen Band, den beiden Girls als Backgroundsängerinnen. Das ist einfach eine phantastische Sache und ich hoffe, dass ich in Zukunft wieder ein Teil dieser riesigen Rock-Oper sein darf.

MF: Für das nächste Album bist du ja schon wieder im Studio gewesen.

BC: Das ist richtig. Ich durfte zwei Songs aufnehmen. Was da aber kommen wird, weiss ich nicht, da fragt ihr besser Toby, das ist seine Sache. Ich würde am liebsten alle Songs singen, die er schreibt, aber das ist ja nicht der Sinn der Sache... Wenn ich Glück habe, springen aber immer ein, zwei Nummern für mich raus.

MF: Ich kenne kaum eine Rockband, die für mich so typisch englisch ist wie Magnum. Was ist an Bob Catley deiner Meinung nach «very british»?

Bob hält einen Plastikbecher in die Höhe: Tee! Ich liebe Tee und trinke den ganzen Tag praktisch nichts anderes. Kaffee ist auch nicht schlecht, aber ich ziehe Tee jedem anderen Getränk vor. Das Problem ist, dass ich dabei sehr wählerisch bin. Deswegen muss ich auf Tour immer meinen eigenen Tee von zuhause mitnehmen. Klassischer Schwarztee... So Früchtezeugs ist zwar auch nicht schlecht, aber es gibt nichts besseres als klassisch englischen Tee. Dazu ist Tee natürlich auch gut für meinen Hals und meine Stimme...

MF: Ich kann mich an unser erstes Interview 2007 erinnern, welches wir gleich nach eurer Show im Z7 gemacht haben. Damals batst du mich um eine Zigarette, was aber nicht gerade förderlich ist für deine Stimme, oder?

BC: Da hast du recht! Ich rauch aber eigentlich auch nicht mehr. Nur nach der Show kann ich es mir einfach nicht verkneifen. Ich kann nicht anders, da werd ich schwach. Für die Stimme ist das natürlich alles andere als gesund, aber nach einer Show ein Drink und eine Zigarette, das darf man sich doch gönnen, oder?

MF: Natürlich! Nach über dreissig Jahren im Rockbusiness: Was willst du überhaupt noch erreichen?

BC: Ich würde Magnum gerne zurück an die Stelle bringen, an welcher wer in den späten 80ern, frühen 90ern waren. Das wäre wirklich super! Ich meine, die letzte Zeit war phantastisch, die Alben, die Tourneen. Wenn ich aber an früher denke, wo wir etwa als Support von Ozzy in den Staaten auftraten... danach hatten wir ein kleines Tief, aber ich glaube, dass die Zeit wieder reif ist für uns. Ich denke, Tony hätte das wirklich verdient, denn seine Songs sind noch besser als vor 20 Jahren. Und wenn wir das nicht schaffen sollten, dann werden wir trotzdem glücklich sein. So wie es ist, ist auch schon wunderbar.

MF: Als gestandener Musiker, der davon leben kann: Was muss man als Mensch mitbringen, um es im Business zu schaffen?

BC: Ich denke am wichtigsten ist, dass man sich richtig einschätzt. Das man weiss, was man kann und was nicht. Denn die Leute merken immer, wenn man sich versucht zu verstellen oder etwas versucht, dass nicht zu einem passt. Man muss realistisch bleiben und nicht irgendwelchen Ideen nachhängen, die offensichtlich nicht funktionieren. Wenn etwas nicht klappt, dann muss man etwas anderes versuchen. Natürlich darf es dabei auch nie an Durchhaltevermögen fehlen. Durchhalten aber nicht stur, sondern flexibel.

MF: Nun seid ihr ja auch nicht mehr die Jüngsten und trotzdem immer noch auf Tour. Wie muss man sich euer Tourleben vorstellen?

BC: Naja... Die ganzen Rock'n'Roll-Klischees haben wir schon lange ausgelebt. Heute sind wir natürlich nicht mehr so wild wie früher. Wir verwüsten keine Hotelzimmer oder werfen Fernseher aus dem Fenster. Und falls wir es mal gemacht haben, dann kann ich mich nicht mehr daran erinnern, hahaha... Wir sind aber natürlich auch nicht halbtote Rentner auf einem Ausflug ins Grüne. Es gibt die Abende immer noch, an denen ich mich etwas gehen lassen und den einen oder anderen Drink zu viel geniesse. Das Problem dabei ist, dass wir das nicht mehr so locker wegstecken wie früher, hahaha... Nein, ehrlich: Wir haben immer noch viel Spass, benehmen uns aber deutlich mehr wie Gentlemen heute als vor 20 Jahren.

MF: Wie sehen Magnums Pläne für die Zukunft aus?

BC: Weihnachten und Neujahr über werden wir eine kleine Pause einlegen, wobei Tony wohl schon wieder in sein Studio gehen wird, um einige neue Ideen aufzunehmen. Danach hoffen wir, im Frühling eine weitere Tour u.a. Durch Osteuropa zu machen, dann werden schon bald wieder die Festivals kommen und im Herbst wird es dann wieder ins Studio gehen.

MF: Und welche Pläne hat Bob Catley?

BC: Genau die gleichen! Ich hoffe, dass die Zeit nächstes Jahr für ein Solo-Album reichen wird und dass wir mit Magnum viele Konzerte spielen können. Und natürlich die Avantasia-Tour, falls es eine Neuauflage geben wird und Toby mich dabeihaben will, was ich sehr hoffe...

MF: Und dann kommen wir zur obligatorischen letzten Frage, welche ich dir schon vor zwei Jahren gestellt habe: Wo wirst du und wo werden Magnum in 10 Jahren stehen?

BC: Diese Frage kannst du mir in 10 Jahren wieder stellen, denn dann werden wir hoffentlich wieder hier oder irgendwo anders in der Schweiz spielen. Ich kann mir ehrlich gesagt einfach nichts anderes vorstellen! Ich mache das, was ich immer machen wollte und so soll es auch weitergehen. Natürlich bin ich kein Teenie mehr, der noch sein ganzes Leben vor sich hat, aber nach 30 Jahren sagst du dir: Was sind schon 10 weitere Jahre? Das schaffen wir schon!

MF: Das hoffen wir natürlich auch und danken für das nette Gespräch.

BC: ins Diktiergerät: Danke an alle, die das lesen! Kauft unsre Alben! Macht's gut, bis bald, bye bye, ciao und arrivederci!