Interview: Primal Fear
By Rockslave
Zu Beginn der Bandgeschichte wurden Primal Fear noch verächtlich als "Judas Priest für Arme" tituliert. Mittlerweile haben sie dieses Etikett schon längst abgestreift und haben kontinuierlich an sich gearbeitet und mehrere gute Metal-Alben veröffentlicht. Im Jahre 2004, wo die ganze Welt auf das neue Priest-Album und die Reunion-Tour mit dem zurückgekehrten Rob Halford wartet, legen Primal Fear die Genre-Messlatte mit ihrem neusten Wurf "Devils' ground" hoch auf. Nachdem der Vorgänger,Tom Naumann das Konzept-Album "Black sun" etwas düsterer ausgefallen ist, hat man nun Wert auf solides Songwriting gelegt, was durch überraschend abwechslungsreiche Stücke untermauert wird. Als Interview-Partner hatte ich einen sehr zuvorkommenden und redefreudigen Tom Naumann (g) an der Strippe. Nach der Begrüssung wollte er zuerst mal von mir wissen, wo ich denn wohne. Dabei gab er gleich zu Protokoll, dass er einige Freunde in der Schweiz habe.

MF: Worin besteht der hauptsächliche Unterschied von "Black sun" zu "Devil's ground"?

T: Hmm..., also erst mal in der Besetzung! Die Platte hat ja jetzt der RandyBlack (ex-Annihilator) eingespielt, anstelle von Klaus Sperling. Der Randy, der kam so mitte dieses Jahres zu uns und das hat sich wie folgt zugetragen: Wir waren letztes Jahr im April auf Amerika-Tournee, diese Metal Gods-Tour, zusammen mit Halford, Testament, Immortal und ein paar andere Bands. Und da konnte der Klaus aus privaten Gründen nicht mitgehen, deshalb brauchten wir einen Ersatz-Schlagzeuger. Da stiessen wir auf Randy und haben mit ihm die Tour gespielt. Danach kamen die ganzen Festivals, die wir wieder mit Klaus bestritten haben. Hierbei stellte er fest, dass er doch mehr die härtere Schiene machen möchte. Er spielte auch in einer Death Metal Band, die My Darkest Hate heisst. Nach dem Auftritt in Wacken standen wir dann also ohne Schlagzeuger da. Darauf erinnerten wir uns wieder an Randy und riefen ihn an. Er war sofort bereit, bei uns ein zu steigen und wir hatten wieder einen Drummer!

MF: Wie war denn die Reaktion von Band-Boss Jeff Waters (Annihilator) darauf?

T: Am Anfang war es ihm relativ egal und er benahm sich nicht stinkig. Dann begann er irgendwie mit dem Randy komische "Verträgchen" zu machen. Sie hatten Absprachen getroffen, die aber nicht genau aus diesen Verträgen mehr hervor gingen. Überdies folgten noch ein paar Sachen auf der Annihilator-Site von Jeff, die sich der Randy nicht gefallen lassen musste. Jeff wechselt seine Band-Members eh wie die Unterhosen, also von da her...

MF: ...ich wollte eigentlich darauf hinaus, wie sich das Ganze musikalisch...

T: ...ich bin doch noch gar nicht fertig! (lacht laut) - Ich denke das..., ja..., ich bin ja zurück in der Band. Nach dem "Black sun"-Album bin ich für den Henny wieder eingestiegen. Dann Ende 2002, anfangs 2003 haben wir begonnen, die ersten Songs zu schreiben. Dadurch kamen natürlich meine musikalischen Einflüsse mehr zum Tragen. Insgesamt war "Black sun" etwas düsterer und, weil es ein Konzept-Album war, anders strukturiert als "Devil's ground. Wir haben damals auch experimentiert, die Gitarren runter gestimmt und ich finde, es hat auch einige gute Songs drauf, von denen wir zwei, drei, vier immer noch live spielen. Nach dieser Platte haben wir uns hingesetzt und jeder hat neue Ideen eingebracht. Dieses Mal sind die Songs wesentlich kompakter, die Riffs sind sehr gut und wir haben wiederum etwas experimentiert. "The healer" zum Beispiel fängt balladesk an und wird in der Mitte orchestral. Wir versuchen, uns halt immer wieder weiter zu entwickeln, was das Songschreiben angeht, die Ideen, die Produktion..., wir versuchen, uns nie zu wiederholen. Und das ist (uns) auf der neuen Platte ganz gut gelungen, denke ich.

MF: Ich habe den Eindruck, dass Ralf's Stimme vom Mix her nicht ganz so kraftvoll, dafür aber bedeutend variantenreicher klingt. Wurden da bei den Aufnahmen Extra-Schichten geschoben?

T: Nein..., eigentlich nicht. Die Aufnahme-Prozedur hat angefangen, als wir uns nach den Festivals in einem kleinen Studio wieder getroffen haben. Dort haben wir eine Vorproduktion gemacht, bei der wir bereits etwa zu 98% festgelegt hatten, wie es dann klingen sollte. Zu Fünft haben wir daran herumgearbeitet und das mal so aufgenommen. Grosse Züge des Materials waren fertig und die Melodiebögen wurden dann von Ralf festgelegt. Wir haben uns da wirklich Mühe gegeben und es ist ein Ausgangspunkt für die Band, der uns hoffentlich weiter bringt.

MF: Alle Alben wurden bisher von Mat Sinner produziert, unterstützt von Achim Köhler. Vertraut ihr nur euch selber?

T: Nein..., es ist doch ganz o.k., wenn man weiss, was man machen will. Wir haben angefangen mit der ersten Platte, haben die selber produziert und unsere Ideen verwirklicht. Wir machen ja alle schon relativ lange Musik..., der Mat, der Ralf und ich..., und auch der Randy. Da bekommt man mit der Zeit ein gewisses Know how; wir wissen, was uns persönlich gefällt und wie es im Endeffekt zu klingen hat. Wenn du einen aussen stehenden Produzenten hast, kann es schon sein, dass hie und da mal eine gute Idee kommt, aber es ist natürlich auch möglich, dass der ganze Stil oder der Sound der Band total ändert. Da war es uns lieber, das Ding selbst zu machen. Es ist ja so, dass jeder von uns etwas dazu beiträgt und der Achim (Köhler) ist schliesslich für die Umsetzung (des Sounds) zuständig, was er auch sehr gut macht.

MF: Zwischen Sinner und Primal Fear bestehen, musikalisch betrachtet, immer weniger Unterschiede. Stimmt diese Einschätzung?

T: Hmm..., das würde ich jetzt gar nicht mal so sagen..., also..., Primal Fear machen ja seit Jahren irgendwie diesen True Metal, zu dem wir auch stehen und uns tierisch gefällt..., vor allem, weil der Ralf ja singt. Von der Einheit her klingt das dann halt schon geil und macht mächtig Bock drauf. Bei Sinner dagegen..., ich bin da seit 1988 in der Band, ist es ein bisschen variantenreicher. Mat kommt vom Gesang her eher aus der bluesigen, R'n'R-lastigen Ecke und der Ralf ist schon mehr der Metal-Sänger. Mat variiert beim Songwriting, was man den Sinner-Platten anhört und aufzeigt, dass wir uns weiter entwickeln. O.k., ich muss auch zugeben, dass wir zeitweilen beeinflusst wurden. Als wir 1994 zum Beispiel mit Mr. Big tourten, war das ein Highlight für mich, weil ich viel mit Paul Gilbert (g) spielen konnte. Das habe ich geübt und gelegentlich solche Ideen einfliessen lassen. 1996, mit Savatage, kam das Orchestrale, was dazu führte, dass unsere Songs (was wir zuvor noch nie gemacht hatten!), sechs, sieben oder gar acht Minuten lang wurden. Die letzte Platte fiel für Sinner-Verhältnisse ziemlich catchy aus, aber nicht metallmässig denke ich. Das hat eher noch etwas R'n'R-Touch. Der Henny und ich mimen da die R'n'R-Gitarristen..., Henny mehr noch als ich. Das Album wurde damals ziemlich ungezwungen aufgenommen. Wir hatten einen tierischen Spass im Studio und uns keine Gedanken gemacht, ob wir jetzt ins Fahrwasser von Primal Fear oder nicht gelangt sind. Was aber nicht heisst, dass die nächste Scheibe von Sinner nicht ganz anders klingen kann!

Darauf erzählte mir Tom die hinlänglich bekannte Story von wegen den Tour-Absagen und wie das Alternativ-Programm nun daher kommt. Dabei zeigte sich, dass Primal Fear deswegen in den kommenden Monaten keineswegs auf der faulen Haut liegen werden, sondern ein paar hiesige Festivals beehren und auch in Amerika drüben sowie in Schweden und England ihre Stipp-Visite abgeben werden. Was die augenblicklichen Chart-Platzierungen angeht (in Slowenien gar als Nr. 4 geführt!), so sei das der Lohn und die Anerkennung für den geleisteten Aufwand, aber scharf drauf seien sie nicht wirklich.

MF: Randy Black hat Klaus Sperling nun definitiv ersetzt. Wie schnell ist danach die Rhythmus-Abteilung wieder voll auf der Höhe?

T: Das geht eigentlich relativ schnell. Wir hatten ja das Glück, Randy schon auf der letzten Amerika-Tournee dabei gehabt zu haben. Zuvor wurde ein bisschen geprobt, um das Gefühl zu kriegen, ob es klappen wird oder nicht. Beim Randy hat das relativ gut funktioniert und nach der Tournee waren wir überrascht, wie schnell er sich eingelebt und die Songs drauf hatte. Dabei brachte er auch noch eigene Ideen mit ein und hat das gut gemacht auf der neuen Platte. Jetzt proben wir für die neue Tour, wo's ebenso hinhauen wird.

MF: Ralf hatte ja mal Aussicht auf den Posten von Rob Halford. Zum Zug kam aber Tim "Ripper" Owens. Dein Kommentar zur heutigen Konstellation von Judas Priest und Iced Earth?

T: Zwischen dem Ripper und Ralf..., die kennen sich glaube ich sogar..., die hatten das letzte Mal miteinander gesprochen. Da gibt es überhaupt keine Rivalität zwischen den Beiden und ich muss sagen..., Ripper Owens finde ich einen richtig guten Sänger, dem man aber nie eine richtige Chance gegeben hat. Erstens war Rob Halford immer das Vorbild, woran er immer gemessen wurde, egal wie gut Tim jeweilen gesungen hatte und zweitens ist er (leider) zu Judas Priest gekommen, die meiner Meinung nach mit "Jugulator" und "Demolition" zwei grausame Alben abgeliefert haben. Dafür konnte er aber nix..., dass er nun bei Iced Earth gelandet ist, finde ich ganz o.k., denn ein Mann mit so einem Potenzial und Können passt zu einer weltbekannten Metal Band und ist da gut aufgehoben. Es kam ja schon vor, dass fähige Sänger einfach in der Versenkung verschwunden sind. Was Judas Priest angeht, so bin ich gespannt wie ein Flitzebogen, denn die Leute erwarten jetzt nach "Painkiller" den ultimativen Nachfolger. Mal schauen, ob die das hinbekommen. Ich als alter Priest-Fan hoffe natürlich, dass sie uns nicht enttäuschen werden. Es sind jetzt schon einige Festivals gebucht und eine folgende Tournee durch grosse Hallen wird bestimmt gut besucht sein, da es viele Fans gibt, die damals einfach noch zu klein waren.

MF: Welche Frage geht dir völlig auf den Keks und zu was wurdest du noch gar nie befragt?

T: Was mir richtig auf den Keks geht, das gibt es eigentlich gar nicht! Ich versuche zumindest, jede an mich gestellte Frage in zufriedenstellender Art und Weise zu beantworten. Schlimm ist, wenn du diesen Interview-Marathon hast, wo du den ganzen Tag Interviews geben musst und bei zehn Interview-Partnern neun Mal die gleiche Frage zu hören bekommst. Was ich noch nie gefragt wurde..., puhhh..., ich bin bestimmt Einiges noch nie gefragt worden..., zum Beispiel, ob ich mich für einen guten Gitarristen halte oder ob ich denke, dass ich einen Namen in der Szene habe...

MF: ...und?

T: Ich kann das nicht beantworten..., ich weiss nicht, ob ich einen Namen habe. Gut, man kennt mich durch meine jahrelange Arbeit, aber ob man die anerkennt oder bloss toleriert, kann ich nicht sagen. Ich hoffe jetzt mal, dass meine Arbeit von einigen Leuten honoriert wird, die das gut finden, aber bisher hat mich noch keiner darauf angesprochen.

MF: Ich denke schon..., du machst deine Sache gut...

T: Ahh..., danke!

MF: Ich habe das auch in Bätterkinden (21.12.02) feststellen können...

Darauf unterhielten wir uns noch ein paar Sätze lang zu diesem Konzert und Fan-Reaktionen im Allgemeinen. Es sei halt im Gegensatz zu den temperamentvolleren Fans aus Süd-Europa oder auch Süd-Amerika schon etwas anderes, wenn man dann in der Schweiz spielt! Damit sah ich meine eigene Einschätzung zu diesem Thema vollends bestätigt. Zum Schluss forderte mich Tom auf, ihn doch beim kommenden Konzert in Pratteln (4.5.04) spontan an zu sprechen, auf dass wir zusammen ein Bierchen kippen können. Das nennt man einen Musiker mit Bodenhaftung, cheerzz!