Interview: Queensrÿche
By Roger W.
Queensryche gehören zu den ganz grossen im Musikbusiness. Denn 20 Millionen verkaufte Tonträger macht ihnen so schnell keinen nach. Dabei stechen in der Discografie vor allem das Jahrhundertwerk "Operation MIndcrime" und sein direkter Nachfolger "Empire" heraus. Die Band aber auf diese Werke zu reduzieren wäre ungerecht, entdeckt der geduldige Hörer doch noch zahlreiche weiteren Perlen im grossen musikalischen Fundus der Amerikaner. Es wird also höchste Zeit, dass die Amerikaner auch mal mit einem Interview auf dieser Homepage gewürdigt werden. Gitarrist Micheal Wilton beantwortete den bunten Fragestrauss von DJ Rock’n’Rola (Rockstation) und Roger W. anlässlich ihres Auftritts an Bang Your Head in Balingen gerne. Dabei outete sich der Seitenzauberer nicht nur als Bier-Designer und erzählte, bei wem das famose neue Album „American Soldier“ besonders gut angekommen ist, sondern brachte uns auch auf den neusten Stand des Operation Mindcrime-Musical-Projekts.

Michael Wilton (MW), Rock'nRola (RR), Roger Wetli (RW)

RW: Das Bang Your Head bedeutet das Ende eurer diesjährigen Europa-Festival-Tour.

MW: Ja, stimmt.

RW: Wie war es für euch?

MW: Es war grossartig. Wir tourten zwar nur zwei Wochen lang hier in Europa, aber wir waren trotzdem sehr erfolgreich und es hat viel Spass gemacht. Wir erlebten sehr kaltes Wetter in Norwegen zu heisses in der Tschechischen Republik und hier am Bang Your Head regnet es ein wenig. Aber überall wo wir spielten, war das Publikum grossartig und alle scheinen glücklich zu sein, uns hier spielen zu sehen. Wir freuen uns, dass wir zu euch rüber kommen durften.

RW: Gibt es denn Unterschiede in der Art Gitarre zu spielen, wenn es jetzt kalt oder heiss ist?

MW: Das merkt man schon. Wenn es kalt ist, verstimmen sich die Gitarrenseiten ein wenig und es wird darum schwieriger zu spielen. Ich muss dann die Töne anpassen. Und wenn es extrem heiss ist passiert das ebenfalls und die Seiten dehnen sich aus. Das kann ebenfalls ein Problem sein. Aber wenn es sehr heiss ist, sind es vor allem die Insekten, welche die grösste Schwierigkeit auf der Bühne machen. Ihr habt hier sehr grosse Insekten (zeigt seine zerstochenen Arme).

RW: Das heisst, du wirst dann während der Show gestochen?

MW: Ja, und die haben mir sogar in den Kopf gestochen.

RW: Klingt mühsam.

MW: Ja, zum Beispiel wurde ich gestern sehr stark gestochen.

RW: Also benutzt du Insektenspray?

MW: Das nächste Mal werde ich Insektenspray mitnehmen (lacht).

RR:  Jetzt wissen wir auch, woher diese Pete Townshed (The Who) Armbewegung während dem Gitarrenspielen kommt.

MW: Ja genau (lacht).

RW: Gab es grosse Unterschiede zwischen den Festival? Also was die Bühne, das Essen oder das Publikum betraf?

MW: Die Unterschiede sind…(überlegt) Also in Europa habt ihr grosse Erfahrungen im Organisieren von 3 Tages-, vier Tages-, 5 Tagesfestivals. In den USA gibt es das nicht mehr…

RR:  Mit Ausnahme des Oklahoma-Festivals vielleicht?

MW: Ja, und da gibt es noch ein paar wenige andere. Aber die wirken wie Oasen in einer Wüste. Es gibt nur noch ein paar wenige auserwählte, die noch so organisiert und durchgeführt werden. Das ist eine Schande. Hier in Europa macht ihr die Festivals. Und die sind so gut durchorganisiert. Ihr führt die Fans mit Bussen umher, ihr könnte überall eure Zelte aufbauen. Das sind so tolle Events. Das ist es, was es so spannend und cool macht für all die Bands, zu euch nach Europa rüber zu kommen. Zumindest für die Bands, mit denen ich rund um Seattle in Kontakt bin. Die sagen (äfft sie nach) „Oh ja wir wollen unbedingt auf diesen europäischen Festival spielen. Wir gehen nach Europa, nach Deutschland und trinken Bier!“ (lacht)

RR:  Fühlt ihr euch als Musiker und Künstler denn besser und wohler, wenn das Festival gut organisiert ist?

MW: Ja, denn eine gute Organisation ist tatsächlich der Schlüssel zu einem guten Festival. Man vertraut dann auch dem Veranstalter und dass die Gagen bezahlt werden, und weiss auch, dass es ein gutes Konzert geben wird. Du kannst dich darauf verlassen, dass ein gutes Soundequipment vor Ort ist, gutes Mietequipment bereit stehen wird und es ein angenehmer Backstage-Bereich geben wird. Das sind alles Dinge, die ein Festival für die Bands wirklich attraktiv macht.

RW: Vor zwei Jahren habt ihr die Operation Mindcrime-Shows in Balingen gespielt, heute wird es eine Best-Of-Show sein.

MW: Ja, das letzte mal haben wir hier Operation Mindcrime I und II am Stück gespielt. Das war grossartig. Dieses mal gibt es mehr eine Art ausgewählter Songs zu hören. Wir können nicht ganz eineinhalb Stunden spielen. Wir schauen, was wir in der Zeit spielen können und was auch in dieser kurzer Zeit zusammen passt. Heute werden wir eine Stunde 10 Minuten oder so was haben. Wir müssen also ein paar Songs vom regulären Programm weglassen und versuchen, in die Zeit so viel Musik wie möglich zu verpacken.

RR:  Wer entscheidet bei euch, welche Songs weggelassen werden?

MW: Wir kommen alle zusammen und entscheiden. Momentan sind wir Mitten in einem Songwriting-Prozess und produzieren Demos für das nächste Album. Darum haben wir nicht viel Zeit, um in unserem Liederkatalog zu wühlen und Songs wieder zu lernen, welche wir schon länger oder noch gar nie gespielt haben. Wir suchen ein paar Lieder aus, welche wir auch während einer Art Kurztournee in den USA gespielt haben. Wir wissen, dass wir die noch frisch haben und haben dann doch noch ein paar andere ausgegraben, die wir schon länger nicht mehr gespielt haben. Aber das Set ist sehr dynamisch. Es sind nicht nur die von uns gewöhnten Songs, welche wir spielen wollen.

RW: Das letzte Album handelte über Amerikanische Kriegsveteranen. Kennst du bereits das Grundthema des neuen Albums?

MW: Nein, das kenne ich noch nicht. Alles was ich bis jetzt getan habe, war Demos zu schreiben. Wir werden dann bald die Songs zusammenfügen und sehen dann, was passiert.

RW: Ihr arbeitet bis jetzt also eher an der Musik als an den Lyrics?

MW: Es gibt bereits Texte, die geschrieben sind. Aber ich habe bis jetzt nichts von grossen Themen oder Konzeptions-Ideen gehört. Bis jetzt gibt es erst ein Bündel Songs.

RR:  Das letzte Album behandelt Kriegsveteranen, die ihre eigenen Geschichten erzählt haben. Habt ihr darauf Reaktionen von Direktbetroffenen erhalten?

MW: Wir haben damit vor allem die Veteranen berührt. Aber auch Männer und Frauen, die den Krieg überlebt haben. Diese Leute haben wir wirklich mit dem Album erreicht. Wir wurden aber auch von einigen Kongress-Abgeordneten dafür gelobt. Wir wurden in viele Arme-Basis-Lager eingeladen. Wir haben ein paar Akustik-Konzerte auf einem Navy-Schiff gespielt, was sehr interessant war. Es war, als ob wir mit dem Album und seinem Thema eine Art Lücke füllen konnten. Es war wie: „Hey, diese Leute sind Soldaten, die mögen ebenfalls Hard Rock und fühlen sich zu dieser Musik hingezogen.“

RW: Queensryche gelten als Progressiv-Metal-Band. Fühlt ihr euch als Teil der Progressiv-Metal-Szene?

MW: Ich denke, dass wir vor allem bei den ersten paar Alben progressive Elemente verwendet haben. Aber es war mehr der Stil, den wir schrieben. Es war damals also eher aus einem musikalischem Interesse heraus. Chris DeGarmo und ich haben einfach diese Stellen so geschrieben. Wir wollten einfach nicht alles im gleichen 4/4 Takt halten. Wir wollten gewisse Sachen ein wenig anders machen um es für uns selber interessant zu halten. Und so sind diese Songs entstanden, mit diesem Experimentieren. Aber wir sagten uns nie: „Hey, wir wollen jetzt eine Progressive Band werden“. Wir wollten die Musik einfach ein wenig anders als andere spielen, und das haben wir gemacht.

RR:  Als ich Queensryche zum ersten Mal in der Schweiz gesehen habe, wart ihr als Vorband von Bon Jovi mi dabei. Wie passen Queensryche und Bon Jovi musikalisch zusammen?

MW: Ich habe keine Ahnung, wie das zusammen passt. Anderseits war es damit ein sehr Abwechslungsreichesa. Weil das ist etwas, was wirklich toll an diesen Festivals hier ist. Hier kannst du Slayer, dann Queensryche und schliesslich Lordi haben. Jede Band unterscheidet sich dabei stark von der anderen. Wenn alle Bands nur exakt denselben Stil spielen, ist das überhaupt kein Garant für gute Unterhaltung. Für mich ist es spannender, wenn ich verschiedene Stile hören kann. Wenn ich ein Konzert besuche, möchte eine gewisse Dynamik und gewissen Unterschiede zwischen den Bands hören und sehen.

RW: Ihr spielt mit Ausnahme von eurem zweiten Gitarristen Chris De Garmo immer noch in der gleichen Besetzung.

MW: Ja, Chris hat uns 1997 verlassen. Dadurch wechselten die Dynamik und die Rollen innerhalb der Band. Und es war und ist eine wichtige Erfahrung zu Beobachten, wo uns das hinbringt. Kelly Gray kam dann in die Band und hat das Q2K-Album produziert und auf einer der Tourneen Gitarre gespielt. Und dann hatten wir einen Typen namens Mike Stone der zu uns gestossen ist. Er spielte mit uns auch auf dem letzten Bang Your Head vor zwei Jahren. Und jetzt haben wir ein junger Gitarrist dabei, der 23 Jahre alt ist und mit uns spielt. Was ich an meinem 23 jährigen Partner sehr interessant finde ist, dass er es ganz anders als seine Vorgänger macht. Die haben ihre Interpretationen und ihren eigenen Stil bei Queensryche eingebracht, während Parker ganz anders vorgeht. Ich sagte zu ihm: „Das Beste was du machen kannst, ist die Musik exakt so zu spielen, wie sie auf den Alben ist.“ Er macht das jetzt sehr gut. Ich habe ihm viel geholfen. Ich sagte zu ihm: „Spiele es so gut wie du nur kannst, wie auf den Alben, dann wirst du nicht mit faulen Tomaten oder Bananen beschossen.“

RR:  Seht ihr euch den auch abseits der Musik für Barbecues, Ausgang und so, oder sind das schlicht nur musikalische Beziehungen?

MW: Ab und zu kommen wir auch abseits der Musik zusammen. Aber daneben führen wir alle auch unsere eigenen kleinen Leben. Wir haben unsere Cliquen. Ich hänge nach wie vor oft mit Chris De Garmo zusammen. Er arbeitet zwar mittlerweile als Pilot, aber er und ich lieben es beide, Golf zu spielen. Und so kommen wir oft zusammen, um Golf zu spielen. Aber in der Region um Seattle gibt es einen Haufen Bands mit denen du rumhängen kannst. Deren Namen kennt aber ausserhalb von Seattle fast niemand.

RR:  Du braust ja dein eigenes Bier. Wie ist diese Idee entstanden? Wer hatte sie?

MW: Einer meiner Freunde erzählte mir, dass eine Brauerei ausserhalb von Seattle ein Bier machen möchte. Ich habe die also getroffen und bin danach auf eine US-Tournee gegangen. Der Brauer fragte mich, ob ich ein Pale-Ale designen möchte? Ich wusste damals wirklich nichts über Bier, ausser natürlich wie man es trinkt. Ich suchte dann im Internet nach Informationen und fand all diese tollen Rezepte für Pale-Ale. Daraus habe ich mein eigenes Rezept kreiert und es dann dem Typen gemailt. Danach habe ich nichts mehr von ihm gehört. Er ist ein Brauer und diese sind irgendwie völlig abgespaced. Weil alles was die tun, ist Bier brauen und so. Und dann in der letzten Woche der Tournee rief er mich an und sagte mir: „Hey, ich trinke gerade dein Bier mit den Vertriebspartnern und die lieben es!“ Und ich so: „Okay, hallo? Ist das ein Witz? Ich dachte, du meintest ich sei so ein Idiot der versucht ein Bier zu designen, obwohl ich das vorher noch nie gemacht hatte. “ Und er: „Nein, es ist grossartig rausgekommen!“ Danach haben wir sofort angefangen, das Bier in Dosen für die Region Seattle zu produzieren und kamen dann in Schwierigkeiten, weil wir nicht genug machen konnten. Wir hatten dann so was wie den „Kiss Of Death“, wie wir dem sagen. Also musste ich aufhören mit dieser Brauerei zusammen zu arbeiten. Dann habe ich eine andere noch grössere Brauerei gefunden. Und das ist es, was ich momentan mache. Es heisst „Whip Ale“ weil mein Rufname Whip ist. Darum kam ich auf den Namen „Whip Ale“. Ich habe den Namen geschützt, ein Geschäft aufgemacht und wieder Dosen herstellen lassen. Wobei ich mittlerweile nur noch Flaschenbier produziere. Ich hoffe, dass man das Bier bald überall in der Welt importieren kann.

RW: Das würde ich gerne mal probieren.

MW: Jeder, der es bisher probiert hat, mochte es. Ich habe bis jetzt niemanden angetroffen, dem es nicht geschmeckt hat.

RW: Klingt gut.

RR:  Kann man das Bier auch übers Internet bestellen?

MW: Das hängt von den Gesetzen zum Transport von Bier ab. Gewissen Länder und Staaten erlauben das nicht. Das müsste man deshalb klären.

RW: Ich habe gehört, dass es Pläne gibt, Operation MIndcrime als Musical aufzuführen.

MW: Es gab so viele Skripte und überarbeitete Skripte um daraus eine Broadway-Produktion zu machen. Aber es ist einfach schlicht nicht passiert. Wir hatten die Spielrechte, die Filmrechte. Aber ich weiss nicht, was passiert ist. Das Ganze hat bisher sehr viel Geld gekostet und vielleicht ist es oder war es mal eine gute Idee. Und als es weiterging ist vielleicht der Spass daran verloren gegangen. Ich weiss nicht. Aber wir haben viele Ideen und ich hoffe, dass daraus mal ein Broadway-Musical wird. Weil ich denke, wenn das Green Day schaffen, dann können wir das sicher auch.

RR:  Ja, das denke ich auch.

RW: Aber im Moment schläft es irgendwie?

MW: Ja, es liegt momentan irgendwie auf.

RW: Das war’s bereits. Möchtest du noch etwas deinen Fans sagen?

MW: Ja, das möchte ich (lacht). Ich habe eine Soloalbum aufgenommen, dass hoffentlich im Oktober raus kommen wird. Es heisst „Wratchedhead“. Und wenn ihr auf www.michealwilton.com surft oder auf meine michealwilton myspace-Adresse vorbeisurft oder auf Facebook, könnt ihr alle Informationen zum neuen Album erfahren. Es ist ein sehr Energie geladenes Album und ich hoffe ihr werdet es mögen. Und es hört sich am besten zusammen mit meinem Bier an (lacht)!

RR:  Wer spielt auf diesem Album?

MW: Ich habe die ganze Musik auf der letzten Tournee geschrieben und habe es dann mit einigen lokalen Musikern aus Seattle aufgenommen. Mein Ziel war es, nach der Tournee mit Queensryche andere Musik-Stile zu spielen und das mit lokalen Leuten. Es spielen darauf ein paar Musiker der Hard Rock-Heavy Metal-Band Drawn Marry, und ein Typ von der Band Counterfist, die eine Art Tool-Band sind. Und auch der Sänger kommt aus der Region um Seattle. Es sind alles gute regionale Musiker. Ich hoffe, dass wir damit auch einige Konzerte spielen können und werden dann schauen, wie weit wir damit kommen werden. Das wir natürlich alles zwischen meinem Tagesjob geschehen müssen, und dieser Tagesjob sind Queensryche.

Michael Wilton mit unserem Röschu' >>>