Interview: Royal Hunt
By Rockslave
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! Eigentlich hätte dieses Interview schon längst erscheinen sollen, denn es wurde nach dem Konzert vom 5. Oktober 2005 im Usterner Club "Rock City" geführt. Vielleicht erinnern sich noch ein paar Fans daran, dass diese Euro-Tour von Royal Hunt im letzten Herbst leider ein jähes Ende fand. Nach drei Konzerten in Italien, die auf den einzigen Schweizer Gig folgten, hätte die Band, zusammen mit den Support-Bands Raintime und Secret Sphere in der Münchner "Garage Deluxe" aufmarschieren sollen. Daraus wurde aber nix, weil irgendwie der Hauptsponsor plötzlich ausgestiegen war und die Beträge für die Nightliner-Firma nicht mehr entrichtet werden konnten. Da diese Geschichte, wie so oft, kommunikativ nicht einwandfrei ablief, sahen vor allem die beiden Support-Bands bös in die Röhre, die extra aus Italien angereist waren und sogar ohne Gage gespielt hätten! Die Tour wurde quasi über Nacht gecancelt und so mussten die bedauernswerten Vorgruppen unverrichteter Dinge wieder heim reisen und hatten erst noch 'ne saftige Rechnung von mehreren tausend Euro am Hals! Tja..., da hatten die Schweizer Fans also grosses Glück, dass sie noch Zeuge dieses superben Konzertes werden durften. Was Mastermind André Andersen sonst noch zu berichten wusste, folgt unten stehend. Als aktueller Nachtrag ist zu erwähnen, dass die letzte Show dieser Tour, die am 2. November 2005 in der Music Hall in St. Petersburg für eine DVD mitgeschnitten wurde, bald einmal veröffentlicht wird! (AA = André Andersen)

MH: In den letzten paar Jahren gab es eine Menge Wechsel im Line-Up. Wie ist es für dich, Kenneth (Olsen - MF) wieder zurück zu haben?


AA: Oh..., das ist eine grosse Freude! Ich vermisste ihn schon ein wenig..., also es ist ja nicht so, dass er wegen (den berühmten - MF) musikalischen Differenzen ging, sondern weil er gesundheitliche Probleme mit seinem Gehör hatte. Nach einem zweiwöchigen Spitalaufenthalt in der Schweiz wurde er nach Dänemark verwiesen. Dort ging es ihm nach einer Weile etwas besser, aber er hatte danach noch mehrere Jahre Probleme damit. Die Ärtze sagten ihm dann, er dürfe dies und das nicht mehr tun. Auf der einen Seite war er wirklich beeinträchtigt und andererseits machte ihm die ganze Sache (als Musiker) Angst. Ich verstand das, weil ich ja das Gleiche tue. Deshalb spielte Allan Sorensen Schlagzeug. Wir sahen uns aber trotzdem immer wieder, er (Kenneth) kam jede Woche in mein Haus und wir gingen zusammen aus. Wir waren immer gute Freunde und kennen uns ja schon seit 1989. Er half mir dann 1998 auf meinem Solo-Album etwas aus und tat auch bei "The mission" wieder etwas mit. So fand er Stück für Stück zurück. Dann, vor etwa einem Jahr trafen wir bei mir wieder zusammen und er deutete an, wie es wäre, wenn er es nochmals versuchen würde. Vom Zeitpunkt her war es ein ganzes Jahr vor der Tour und Allan Sorensen nahm die Drums sowieso auf. Da sagte ich "ok, wir haben ein ganzes Jahr und werden ja sehen, wie es geht!" Dann liess ich ihn machen und kam ein paar Monate später zu Rehearsals und fand, dass er gut war. Sicher war er noch nicht wieder ganz der Alte, aber er spielte und es war sehr schön, ihn wieder zurück zu haben. Und..., du hast es vorhin gesagt: Wir hatten ein paar Wechsel in der Band und es ist toll, wieder ein altes Gesicht zu sehen.

MF: Aber es geht ihm den Verhältnissen entsprechend gut?

AA: Absolut! Er hat bisher überhaupt keine Probleme und wir haben ihm die nötige Zeit gelassen. Er spielt jetzt mit einem Ohrschutz und passt besser auf als früher.

MF: "Paper blood", das neue Album klingt wieder etwas mehr nach dem älteren Material. Gibt es demnach einen Unterschied zu "Eye witness"?

AA: Ja, ich denke schon, obwohl die Meinungen darüber geteilt sind. Die einen sehen es als Nachfolger von "Eye witness" und die andern (und dazu zähle ich mich auch) erkennen darin eher ein "Retro-Ding". Wenn man den Konzept-Charakter von "Paper blood" beiseite nimmt, siedle ich die Songs vom Spirit her irgendwo zwischen "Paradox" und "Moving target" an, musikalisch gesehen. Es befindet sich sozusagen die Essenz des jetzigen Line-Ups in kristallisierter Form auf dem Album.

MF: Wie sind die Reaktionen der Fans und der weltweiten (Musik-) Presse?

AA: Also bis jetzt können wir uns nicht beklagen! Bei einer Band wie wir, die acht, neun Alben draussen hat, gibt es schon unterschiedliche Ansichten, das ist normal. Generell aber wird das Album geschätzt. Vielleicht wurde der alte Stil, der auf den letzten paar Alben etwas vermisst wurde, zusammen mit den neuen Songs (Zitat: "Some new shit") wieder aufgefrischt. Es ist schwierig, dies genau zu erklären. Die meisten Journalisten, mit denen ich bisher sprach, lobten es..., wie auch die überwiegende Anzahl Fans. Aus meiner Sicht gehört "Paper blood" zu den besten drei Alben, obwohl es schwierig ist, jetzt einfach das Beste heraus zu picken.

MF: Die Zeit mit D.C. Cooper war sehr erfolgreich. Ihr habt damals vor sehr viel Publikum spielen können. Bist du zufrieden mit der heutigen Situation, respektive dem Status von Royal Hunt?

AA: Natürlich nicht! Das ganze Rock-Business hat sich verändert. Es ist etwas unfair, 2005 mit 1995 zu vergleichen. Es haben sich in diesen zehn Jahren so viele Dinge verändert. Plattenfirmen gingen bankrott und die Plattenverkäufe entsprechend zurück, also materielle Umstände. Das ist nicht fair..., gleichzeitig denke ich aber, dass die Major-Presse auf gewisse Dinge reagiert hat..., es ist unfair..., nicht unbedingt gegen uns als Band, aber gegen John (West - MF). Gerade als er zur Band stiess, begann der ganze Markt zu kollabieren. Nun gab es einige Pressevertreter, die für das (auf uns bezogen) John verantwortlich machten. Das ist total falsch, denn wenn du ähnliche Bands aus diesem Genre anschaust..., zum Beispiel Helloween, die ordentlich gross waren: Man kann doch hier deshalb nicht über Andi Deris richten! Bei uns hiess es dann, wir seien erfolgreich gewesen, weil D.C. mit dabei war. Das ändert nichts..., wenn D.C. heute noch dabei wäre, würden die Plattenverkäufe nicht anders sein. Vergiss dabei etwas anderes nicht: Der harte Kern der Royal Hunt Fans steht eh zu uns. Aber selbst wenn einige sich durch den Abgang von D.C. von uns abwandten, brachte John einen mächtigen Rucksack mit. Er war bei Artension, spielte zusammen mit Cozy Powell (R.I.P.), Badlands, Journey und all denen. So brachte er wieder eine Menge neuer Fans zu uns. Ihn trifft keine Schuld!

MF: Wie ich dem Tourplan entnehmen konnte, werdet ihr auch in der Türkei spielen! Zum ersten Mal?

AA: Ja, wir waren zuvor noch nie dort. Ich weiss nicht, was uns dort erwartet. Sie versuchen schon drei Jahre, uns zu buchen und jedes Mal kam irgend etwas dazwischen... (und wie wir ja jetzt mittlerweile wissen, klappte es abermals nicht! - MF)

MF: Was fühlst du, wenn du zurück nach Russland kommst? Wie sind die russischen Fans, kennen sie Royal Hunt?

AA: Oh ja..., ich bin dort so etwas wie der "Home-Boy" und geniesse einen gewissen Heimvorteil. Wir spielen seit 2000 Konzerte dort und der russische Markt hat sich seither gut entwickelt. Auch die Interventionen gegen die grassierende Piraterie greifen zunehmend, was den Plattenverkäufen sichtlich hilft. Bisher waren wir zwei Mal dort. Das erste Mal vor etwa 1'200 Fans und das zweite Mal waren es ungefähr 2'300 Leute. Es nimmt laufend zu und jetzt, wo wir zum dritten Mal her kommen, werden wir in Moskau spielen, St. Petersburg und in noch einer Stadt. Wir haben hiermit eine Ecke entdeckt, wo wir noch etwas wachsen können.

MF: Euer Bombast-Sound ist eigentlich perfekt geschaffen für grosse Arenen. Was müsst ihr ändern, wenn ihr an solch kleinen Orten wie hier in Uster spielt? Einfach die Lautstärke runter drehen?

AA: Nun..., neben dem ist es technisch genau das Gleiche. Nebst der Lautstärke kann man offensichtlicht nicht die gleiche Show auffahren. Wir haben einen vergleichsweise kleinen Bühnenaufbau, andere Banner und dies und das, was wir aber jetzt und hier nicht nutzen können. Dann gibt es jedoch soundmässige Dinge, die auf einer kleinen Bühne gleich funktionieren, wie auf einer grossen. Es sind mehr die gewöhnlichen Anpassungen, vor allem wenn du drei Jungs vorne hast, die kaum Platz finden. Da ist die Bewegungsfreiheit schon eingeschränkt, aber im Grossen und Ganzen gibt es eigentlich keine Unterschiede.

MF: Werdet ihr auch wieder in Japan auftreten?

AA: Ja! Wir haben mit Promoters von Ende Januar (2006 - MF) gesprochen, da werden wir hin gehen. Und werden wieder versuchen (zum ersten Mal) in Australien zu spielen, wo wir zuvor noch nie waren. Es ist noch nicht definitiv und wir sind jetzt dran, im April in Mexiko vier Shows zu spielen. Es scheint so, dass diese Tour in drei Teile aufgeteilt wird: Zuerst die Tour in Europa, dann in Russland und schliesslich noch Japan, Australien und Korea (eventuell) und wir absolvieren wie gesagt im März/April den kleinen Block in Mexiko, wo wir versuchen, in Südamerika Fuss zu fassen. Wenn es möglich ist, denn dort hinzugehen ist normalerweise sehr teuer, wenn wir hinfliegen müssen. Aber Mexiko ist interessant, weil wir gewisse Dinge verbinden können und so die Kosten geteilt werden.

MF: Was denkst du: Ist das jetzige Line-Up gefestigt? Werden die gleichen Musiker auf dem nächsten Album zu hören sein?

AA: Es sieht danach aus! Das Gute daran ist: Kenneth ist definitiv dabei, John ist da..., und auch die neuen Jungs. Alle sind voll dabei und wir sprachen auch darüber, nachdem die neuen Leute (Gitarrist Marcus Jidell und Bassist Per Schelander) eingestiegen sind. Beide äusserten den Wunsch, für eine längere Zeit zusammen sein zu wollen. Also nicht nur für ein Album, 'ne Tour und danach wieder zu gehen, sie wollen 'ne Weile bleiben. Das findet natürlich meine Zustimmung..., ich meine, Marcus brachte sich sowieso gut ein beim (neuen) Album und ist auch sehr zufrieden damit. Zudem ist dies seine erste grosse Tour, worüber er sich freut und Per geht es genau so. Ausserdem ist Per eigentlich gar nicht so frisch bei uns, denn mit House Of Shakira eröffnete er 1997/'98 für unsere Shows. In den vergangenen Jahren waren er uns immer verbunden, und als er hörte, dass Steen Mogensen (b) uns verlassen hatte, schrieb er mir ein E-Mail. Er war es dann auch, der mir half, Marcus (Jidell - MF) zu finden. Jetzt sind wir etwa seit drei Monaten zusammen und es scheint eine stabile Sache zu sein.

MF: Aktuell, das heisst in den letzten zwei, drei Jahren hat es Unmengen an Bands, die erfolgreich sein wollen. Nimmst du das wahr oder schaust du weder links noch rechts?

AA: Noch nie gab es so viel an Talent in der Szene, wie gleichzeitig auch ebenso viel Müll. Das verhilft Neulingen sicher nicht zum Erfolg. Grundsätzlich kann heute jeder eine Platte aufnehmen, und es ist nicht von Bedeutung, ob sie gut ist, denn mit ein paar Computern und Programmen kannst du nach Hause gehen und das entsprechend aufnehmen. So werden hunderte von Alben veröffentlicht. Wenn nun eine ernsthaft arbeitende Band ein Album aufnimmt und damit auf Tour geht..., solche gibt es nicht so viele. Die andere Sache ist..., mir tun einfach die jungen Leute, die talentiert sind, ein wenig leid, weil es äusserst schwierig ist, im heutigen Music-Business zu überleben. Wie läuft das normalerweise ab? Du hast eine neue Band und unterschreibst einen Plattenvertrag..., und mit all dem Downloading..., du verkaufst, nehmen wir mal an, 2'000 Alben, wie Freunde von mir..., und wirst gedroppt! Du hast keinen Tour-Support..., unmöglich! So musst du deinen Job behalten..., das ist nicht die Art, wie die Dinge laufen sollten. Deshalb begrüsse ich die Situation, in der wir uns befinden. In den guten Jahren haben wir es vom Management her so gehalten, dass wir wirtschaftlich überleben konnten. Deshalb können wir heute tun, was wir wollen..., Alben aufnehmen und müssen nicht einem Job nachrennen. Aber für Bands, die drei, vier Jahre nach uns gekommen sind, für die ist es schwer.

MF: Wie sieht es aus mit Festivals nächstes Jahr (2006 - MF)? Macht ihr da was?

AA: Ich denke schon..., wir sprachen mit Frank Suffer (oder so ähnlich - MF) von MS-Production, der auch diese Tour buchte und er reagierte sehr enthusisastisch, auf dass wir was machen sollten. Aus einem bestimmten Grund, und das eigentlich schon seit Jahren, passte es uns aber nie. Keine Ahnung, warum. Wir wurden angefragt für das Sweden Rock Festival, Wacken (letztes Jahr, also 2004 - MF) und dem BYH!!! - Entweder steckten wir mitten in Aufnahmen oder es war Dies oder Das los. Diesmal gehen wir aber etwas anders an die Sache ran. Um es anders zu machen, warten wir ein wenig, um nicht zu früh mit (neuen - MF) Aufnahmen zu beginnen. Zuerst kommt Japan dran und dann eventuell die Mexico-Geschichte..., wir werden sehen, ob wir im Sommer verfügbar sind.

MF: Wenn du für dich persönlich drei Wünsche frei wählen könntest, welche wären es?

AA: 1.: Gesund bleiben, 2.: Meine jetzigen Freunde behalten und 3.: So viel Erfolg wie möglich für die Band!

MF: Deine letzten Worte an die Leser unseres Magazines?

AA: Wir haben zur Zeit ein sehr starkes Line-Up, das Album ist toll..., und ich hoffe, dass es so bleibt. Das wünsche ich mir und dass Ihr den Dinosaurier anschauen geht, egal wo wir spielen. Ihr werdet es nicht bereuen, denn diese Tour ist sehr stark..., und wir haben zwei neue Leute, die der alten Maschine den nötigen Dampf verleihen. So ist es eine Freude, unterwegs zu sein und ich hoffe, Euch alle zu sehen!

MF: Allright! Vielen Dank und alles Gute...

AA: ...danke dir vielmals!




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