Interview: Alex Skolnick (Testament)

By Tinu
 
Als Musiker sehr glücklich.


Sie gehören zu den Sternstunden des Bay Area-Thrash, um nicht zu sagen zur Geburtsstunde. Gegründet als The Legacy und wenig später umbenannt in Testament, setzte der Fünfer ein markantes Zeichen mit ihrem Debütalbum «The Legacy» und hatte schnell den Ruf als «Thrash With Class» weg. Die Besetzung mit Sänger Chuck Billy, Meistergitarrist Alex Skolnick, Songschreiber Eric Peterson, Bassist Greg Christian und Schlagzeuger Louie Clemente war lange von Bestand und konnte grosse Erfolge feiern. Heute steht für Greg Steve DiGiorgio am Bass, und hinter den Kesseln sitzt Gene Hoglan anstelle von Louie. Was geblieben ist, sind der bärenstarke Sound, die tollen, leicht vertrackten Arrangements und die wie immer schwindelerregenden Parts von Alex. Mit dem letzten Studioalbum «Brotherhood Of The Snake» (2016) ging es nochmals auf Tour, zusammen mit Annihilator und Death Angel. Bevor Testament das Z7 erzittern liessen, sass mir Alex gut gelaunt zur Seite und nahm sich Zeit, um ein paar Fragen zu beantworten

MF: Wie hast du die ersten Jahre mit Testament erlebt?

Alex: Sehr hektisch (grinst), es war damals nicht so einfach aus all den Bands an die Oberfläche zu gelangen. Aber es war sehr aufregend, denn der Bay Area Thrash war was Neues. Ich war sehr jung damals (grinst) und besuchte noch immer das College (lacht) und plötzlich brach ich aus diesem kleinen Umfeld aus und sah die ganze Welt. Das war eine sehr "Augen öffnende" Erfahrung.

MF: War früher für dich alles wilder, verrückter und spektakulärer und heute hat sich alles normalisiert und ist lockerer?

Alex: Gute Frage… Ich denke, es hat von Beidem etwas (grinst). Würden wir heute von vorne beginnen, wäre es um einiges schwieriger. Aus dem einfachen Grund, weil das Musikbusiness völlig am… Es hat sich einiges verändert (grinst). Bedeutet für uns, dass dank unserer Vergangenheit vieles für Testament einfacher ist. Heute steht auch ein völlig anderes, breitgefächertes Publikum vor der Bühne. Vielleicht gehen die nicht so wild ab wie in den achtziger Jahren (grinst), dafür saugen sie die Musik auf eine andere Art auf.

MF: Wie wichtig war für dich damals der Chart-Einstieg mit dem zweiten Album «The New Order»?

Alex: Wir haben uns da nie gross Gedanken gemacht. Zu der Zeit war der Thrash noch immer sehr im Untergrund verwurzelt. Slayer und Metallica waren viel populärer. Speziell die Hetfield Jungs waren auf dem grossen Sprung. Es war eine schöne Erfahrung für uns, dass wir plötzlich in den Charts waren. Das zweite Album ist oftmals viel wichtiger als das Debüt (grinst). Speziell die Produktion bei «The New Order» war viel besser, als noch bei «The Legacy». Da konnten wir der Produktion nichts Gutes abgewinnen. Aber die Leute lieben es noch immer, wenn wir Lieder des Debüts spielen.

MF: Wie gross war der Druck der Plattenfirma bei den ersten vier Scheiben?

Alex: Da war verdammt viel Druck (grinst). Niemand kann beurteilen, wie schwer es für einen Musiker ist, wenn er Erwartungen entsprechen muss und damit sein finanzielles "Überleben" torpediert. Damals war der Druck da, nach der Tour schon das nächste Werk abzuliefern. Einen freien Kopf zu bekommen, um sich neuen Ideen zu widmen, war völlig überbewertet (grinst). Das war eine unheimliche Zeit. Aber! Wir waren jung, und wir hatten keine Ahnung, wie wir dies hinbekommen würden. Aber irgendwie klappte es immer (grinst). Mit Druck im Rücken neues Material zu komponieren… Heute könnte ich dies nicht mehr, da ich meine Riffs und Akkorde ausarbeiten will.

MF: Wieso hast du 1992 Testament verlassen?

Alex: Ich wollte mich als Musiker verwirklichen und neue Sounds ausprobieren. Wir hatten keine persönlichen Probleme in der Band, und ich stieg nicht aus, weil ich die anderen nicht mehr ausstehen konnte. Damals realisierte ich, würde ich bleiben, dass ich mich musikalisch gesehen limitieren würde. Was nicht bedeuten soll, dass mir die Musik bei Testament nicht mehr gefiel. Aber ich wollte mit anderen Musikern spielen und andere Stile auskosten. So spielte ich mit Blues- oder Jazz-Musikern, die mir neue Dinge zeigten, die ich sonst nie mitbekommen hätte. Es ist grossartig, dass ich die Möglichkeit bekam, zu Testament zurück zu kehren. Damals suchte ich diese "Crossroads", ich brauchte diese Abwechslung und es war eine meiner besten Entscheidungen. Schaut man sich diese Zeit bei Testament an, haben sie mehr Bandmitglieder ausgetauscht, als damals das Original-Line-Up beinhaltete (lacht).

MF: Du hast in deiner Testament-losen Zeit kurz bei Savatage gespielt. Wie kam es dazu?

Alex: Dies kam sehr unerwartet und ich plante nicht, wieder in eine Band einzusteigen oder meinen Testament-Jungs zu sagen, dass ich sie wegen einer anderen Truppe verlassen würde (grinst). Es war eine sehr traurige Situation, als Criss Oliva starb. Savatage standen im Studio und wollten ihr neues Album beenden. Ich war schon lange ein grosser Fan von Savatage und liebte ihre Musik. Grundsätzlich war ich nach meinem Ausstieg bei Testament nicht bereit, in eine andere Combo einzusteigen. Es war eine grossartige Erfahrung auf dem Album zu spielen, denn das Werk ist fantastisch geworden! Ein sehr heavymässiges Album, mit unzähligen tollen und packenden Melodien. Da ist zum Beispiel ein Piano auf der Scheibe zu hören. Ich hatte vorher noch nie mit einem solchen Instrument ein Album aufgenommen. Das hat sich sehr von Testament unterschieden und war eine grossartige Erfahrung. Dann ging's auf Tour, und wir nahmen eine Live-CD auf. Aber ich fühlte, dass sich zu Testament nichts veränderte und ich noch immer meinen Weg gehen musste. Ich war an dieser Weggabelung. Ich habe die Zeit bei Savatage sehr genossen und es ist ein Drama, dass uns Criss so früh verlassen hat. Aber (lacht)! Ich realisierte, würde ich bei Savatage bleiben, würde ich nicht mich sein können und das umsetzen, warum ich Testament verliess. Es war logisch für mich… Savatage besassen ein sehr starkes Kreativ-Team. Das waren Jon Oliva und Paul O'Neill. Ein grosser Freund von mir, ruhe in Frieden. Was immer ich tun würde..., ich würde, wenn überhaupt, ein sehr kleiner Teil dieses Kreativ-Teams sein. Da ich mich verwirklichen wollte, war mir klar, dass Savatage nicht meine Zukunft sein konnten.

MF: Was war für dich in der Vergangenheit wichtig, und was ist es heute?

Alex: Puhhh… Ich denke… Gute Frage… Ich glaube… Heute ist es sehr wichtig ehrlich zu sein. Ich mag ehrliche Musik, ehrliche Leute… Ich würde nicht glücklich sein, würde ich in einem Büro sitzen, um alle mit einem freundlichen Lächeln begrüssen zu müssen. Ein gut gelaunter Angestellter, der du eigentlich nicht bist und nicht sein willst (lacht). Ehrlich zu sein und dir selber treu bleiben. Mögen was du machst, was immer es auch sein mag. Alleine unsere Musik hat sich im Vergleich zu den Anfangstagen verändert. Auch auf der technischen Seite hat sich einiges getan. Früher stand ich oft auf der Bühne und habe mich kaum spielen gehört. Klar war früher alles wilder und verrückter (grinst). Heute ist alles organisiert, hat sich alles entwickelt und man ist in der Lage, es zu geniessen. Zudem kann ich meine Lern- und Drangphase (grinst) dazu nutzen, sie heute bei Testament einfliessen zu lassen. Das ist für mich eine gute und wichtige Balance. Als ich jünger war, lag mein Fokus mehr… Ich wusste noch nicht genau, was ich wollte. Es war toll auf der Bühne zu stehen, aber hart zu realisieren, dass es dazu viel braucht. Meine Güte (lacht), mit sechzehn Jahren sieht man nur die Bühne, seine Gitarre und die verrückten Fans. Niemand wird für immer hier sein. Die Zeit… Sie rennt dir davon (lacht). Darum ist es für mich sehr wichtig, dass ich sie geniessen kann und zu mir selber ehrlich bin. Meistens fehlt mir aber die Zeit für mich selber (lacht). Aber (lacht), ich sitze in diesem kleinen Raum mit dir und unterhalte mich. Ich habe meine Gitarre, etwas zu lesen und kann draussen eine Runde joggen gehen. Ich lege den Fokus auf die positiven Dinge des Lebens.

MF: Dann wünsche ich dir noch viele positive Momente in deinem Leben und möglichst einen grossen Genuss dabei!

Alex: Oh, danke (grinst), es war mir ein Vergnügen mit dir zu plaudern.