Interview: Vixen

By Tinu
 
Heftige Zeiten im Music Business.



Vixen, die Frauenband, welche 1988 mit ihrem Debütalbum für Furore sorgte, hat viel Höhen aber auch sehr viele Tiefen überstanden. Dass Bandgründerin Jan Kuehnemund 2013 an Krebs starb, war ein herber Schlag für die drei verbliebenen Musikerinnen. Sängerin Janet Gardner, Bassistin Share Ross und Schlagzeugerin Roxy Petrucci gingen den Weg weiter. Heute werden sie von der jungen Brit Lightning unterstützt. Was so alles im Bandcamp von Vixen ablief und nun abläuft, erzählten Janet und Share, die mit weisen Kommentaren von Brit ergänzt wurden…

MF: Wenn du zurück schaust, wie schwer war der Start mit Vixen?

Janet: Jan, die Originalgitarristin gründete die Truppe, als sie noch sehr jung war. Es waren Freundinnen, welche zusammen Musik spielten. Es gab Line-Up Wechsel, und wir spielten in den berühmten Clubs in L.A. Shows. Vieles haben wir selber organisiert und versuchten damit den nächsten Level zu erreichen. Die Leute waren skeptisch, ob eine reine Frauen-Band überhaupt überleben konnte. Es war eine lustige Reise, die uns viel abverlangte…

MF: …eine reine Frauenband in einer Bad Boy Welt?

Janet: Da hast du recht (grinst)! Es war das Normalste, dass eine Boy-Band sich hocharbeiten konnte. Uns schlug immer wieder eine grosse Skepsis und ein eisiger Wind entgegen, und wir mussten um einiges harter arbeiten. Wir haben den gleichen Weg wie viele andere Truppen eingeschlagen, mussten auch unser Lehrgeld bezahlen, wahrscheinlich mehr als andere. Deswegen waren wir nicht verärgert, denn das Leben ist gefüllt mit solchen Stolpersteinen. Wir sind glücklich über das, was wir erreichten und sind stolz darauf, noch immer da zu sein. Hier kommen Share und Brit!

MF: Wie habt ihr euch gefühlt, als ihr das erste Vixen-Album in den Händen gehalten habt?

Share: Das war aufregend!

Janet: Wir haben uns alles genau angeschaut, die Hülle, das Innencover, einfach alles und haben uns das Album im Auto immer wieder angehört…

Share: …das war so unglaublich, eine ganz tolle Zeit!

MF: Mit über einer Million verkauften Einheiten, kam dies einem Traum gleich?

Share: Definitiv! Wir haben die Radiostationen gebeten, das Album zu spielen. Bitte, bitte, bitte (lacht). Die Leute kauften darauf unsere Scheibe, das war sensationell.

Janet: Es war ein grossartiges Gefühl, das Album aufzunehmen, und wir waren gespannt, wie die Leute darauf reagieren würden. Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass wir überrascht waren, über eine Million Einheiten zu verkaufen (lacht)…

Share: …klar waren wir überrascht…

Janet: …wir waren sehr stolz darauf! Es war ein grosser Segen, gleich mit dem Debüt-Album dermassen viel zu verkaufen.

MF: Wie schwer ist es nach einem solchen Erfolg, nicht den Boden unter den Füssen zu verlieren?

Share: Glaub mir, der Boden hat uns sehr schnell wieder eingeholt und uns einen gehörigen Arschtritt verpasst (lacht). Der Druck mit dem Folgealbum «Rev It Up» entpuppte sich eher als: "Hey, wir haben das Debütalbum überlebt und kommen zurück!" (grinst). Klar hatten wir einen grösseren Druck, weil die Verkäufe dermassen gut waren…

Janet: …das Schöne daran war, es war eine verdammt harte Arbeit, aber ich habe dies sehr genossen…

Share: …da hast du absolut recht!

Janet: Wir rissen uns unsere Ärsche auf, um den nächsten Schritt zu gehen, und es war echt eine Schwerstarbeit. Es hat aber unheimlichen Spass gemacht. Es war um einiges einfacher, die Tracks für «Rev It Up» zu schreiben, als für das Debüt. Aus dem einfachen Grund, dass wir uns in der Band alle besser kannten. Persönlich und musikalisch gesehen. So wussten wir schneller, wohin wir gehen wollten.

MF: Wieso habt ihr die Band trotzdem zweimal aufgelöst?

Janet: Weisst du, Dinge ändern sich… Unterschiedliche Momente, unterschiedliche Wahrnehmungen und Auffassungen in deinem Leben lassen dich Dinge tun, die du dir nie erträumt hättest.

Share: Musik ist eine Revolution. Manchmal passt es zusammen, und manchmal streiten sich Leute über unnötige Dinge.

Janet: Gut, es war auch nicht förderlich, dass ich dir eine gescheuert habe. Mitten ins Gesicht…

Share (lachend): …genau so hat sie mich geschlagen (zeigt wie und wo)…

Janet: …ja ich weiss, das hat nicht zu einem guten Klima in der Band beigetragen.

Share: Sie ist eine "tough" Lady!

Janet: Aber heute sind wir sehr gute Freundinnen. Gewisse Dinge im Business können dich verändern, ohne dass du es merkst, und dann passieren Sachen, die du so nicht willst. Aber es ist wichtig, dass man sich irgendwann zusammensetzen kann und Dinge aus der Welt schafft, die dort keinen Platz haben dürfen!

MF: Wo habt ihr Brit gefunden, die Gina ersetzte?

Brit: Ich komme aus Boston.

Janet: Sie stand einsam und verlassen in einer Strassenecke in L.A., wir konnten sie da nicht stehen lassen (alle lachen).

Share: Ohne Geld in der Tasche…

Brit: …oh kommt schon, ihr habt mir versprochen, das niemandem zu erzählen!

Janet: Im Ernst, unser Manager sah sie und hat sie uns empfohlen.

Share: Sie spielte bei uns vor, und es hat sich fantastisch angehört. Mittlerweile sind es zwei Jahre, seit wir zusammen spielen.

Brit: Meine Güte, wie die Zeit vergeht…

Janet: …darum geniessen wir jede Sekunde zusammen…

Share: …speziell hier in Schweden. Es ist die erste Show hier zusammen in Schweden. Wir haben lange darüber diskutiert, wieder hier zu spielen. Das war 1991…

MF: …knapp zwei Jahre her…

Share (lachend): …genau. Da waren wir noch 29 Jahre jung (grinst).

MF: Nicht 27…

Share: …oh Martin, das klingt gut (grinst)!

Janet: Wir spielen diesen Sommer einige Festivals hier in Europa. Wir sind viel unterwegs und werden dabei in Finnland, Belgien, Spanien und England spielen und viele Shows in den Staaten abhalten.

MF: Meine Damen, und wann spielt ihr wieder einmal in der Schweiz, ich kann mich kaum mehr erinnern, dass ihr bei uns aufgetreten seid!

Share: Ja Martin, das ist eine verdammt lange Zeit, seit wir bei euch gespielt haben. Das war mit Bad Company…
Janet: …Share, komm schon, schäm dich, das war doch nicht mit Bad Company!

Share: Wirklich nicht? Oh sorry! Martin verwirrt mich (grinst)!

MF: Klar doch (alle lachen), jetzt bin ich wieder schuld. Die erste Tour in Europa habt ihr zusammen mit den Scorpions gespielt…

Share: …ja, das war unglaublich! Die Jungs waren sehr nett zu uns…

Janet: …das war unsere erste Arena-Tour. Jede Nacht… Es hat uns weggeblasen. Auf diesen grossen Bühnen zu spielen, das war eine fantastische Erfahrung!

MF: Gibt es eine Story zum Bandnamen?

Janet: Ja, nun gut (freches Grinsen)…

MF: …okay, wenn du nicht darüber sprechen möchtest…

Janet (lachend): …nein, nein…

Share (alle lachen): …wir haben uns immer wie Tiere gefühlt. Dabei wirst du aber nicht als weibliches Tier gesehen, sondern gleich als Bitch. Wir suchten nach einem weiblichen Tier, das von seiner Passion lebt. So kamen wir auf Füchsinnen. Dass man in Deutschland das Wort aber auch missverstehen kann, wurde uns erst später klar (alle lachen). Nun ja, man kann nicht immer gewinnen (lacht).

MF: Gibt es Pläne für ein neues Studioalbum?

Janet: JA!!!

Share: Definitiv ja!

Brit: Unbedingtes ja!!!

Janet: Frag mich aber nicht, wann es erscheinen wird!

Share: Doch! Ich denke 2019 sollte es raus kommen! Ich denke, es wird mit einer leicht moderneren Produktion erscheinen, aber es werden noch immer klar Vixen erkennbar sein. Es wird die unverkennbare Stimme von Janet haben, das arschtretende Schlagzeugspiel von Roxy, das harmonische Zusammenspiel von uns allen…

Janet: …kleine Lügnerin…

Share (alle lachen): …es wird ein neuer Studiotrack auf der bald erscheinenden Live-CD zu hören sein.

Brit: Wir haben alles an einem Konzert in Chicago aufgenommen, und die Scheibe sollte noch dieses Jahr erscheinen.

MF: Ist dann das Musikbusiness eine einfache Sache für euch oder eine Achterbahnfahrt?

Share (lautes Lachen): Völlig easy…

Janet: …oh nein, eine verdammte Achterbahn!

Brit: Das Musikbusiness ist höchstens für Prince oder Tom Petty einfach, alle anderen müssen kämpfen und hart arbeiten dafür!

Share: Hochs und Tiefs, dann kommen Tiefs und Hochs, und ab und zu kommen Tiefs und Hochs!

Janet: Du musst sehr hart arbeiten, speziell heute, bei all den Downloads und den neuen Medien. Es ist nicht einfacher geworden, und wer nicht kämpft hat von der ersten Sekunde an verloren. Zudem musst du dich selber davor schützen, nicht durch zu drehen.

Brit: Du musst dich immer engagieren und Vollgas geben, ansonsten wirst du übersehen!

Share: Wir sind kreative Menschen, und darum spielen wir noch immer Musik…

Janet: …genau. Ich liebe es diese alten Songs zu spielen, die wir schon lange nicht mehr spielten. Das verleiht uns einen neuen kreativen Schub, der uns beflügelt. Emotionen, Passion und das Verlangen, sich wieder um neues Material zu kümmern, das kannst du als kreative Musikerin nicht einfach abschalten.

Brit: Jede in der Band würde dir das sagen… Okay, das ist untertrieben (lacht). Es ist dieses Verlangen sich auszudrücken. Es fühlt sich wie eine natürliche Evaluation an…

Janet: …wow, wow, wow, was für ein toller Satz.

MF: Hat ihr euch denn verändert oder seid ihr noch immer die Gleichen geblieben?

Share (überlegt): Sehr gute Frage… Ich würde sagen… Ich bin weiser geworden…

Janet: …jede von uns hat sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt, und jeder von uns hat dies sehr gut getan. Wir sind nicht älter geworden, sondern weiser und besser!

MF: Jünger und besser!

Janet: Du hast es erfasst (grinst)! Wir haben gerade vorhin darüber gesprochen. Vieles hat sich hin zum Positiven verändert. Dinge sind heute einfacher, über die wir uns früher noch die Köpfe eingeschlagen hätten. Wir geniessen das Leben mehr…

Share: …dem kann ich nichts mehr beifügen (grinsend).

Brit (lachend): Ich bin gerade dabei, dies zu lernen.

MF: Welches waren die schlimmsten Momente…

Janet: …als ich Share eine geknallt habe…

Share (grinsend): …ja, das war nicht so eine tolle Erfahrung!

Janet: Das war 1991/1992…

Share: …genau! Disharmonische Momente und Missverständnisse waren an der Tagesordnung! Die Art wie wir kommunizierten, war sehr schlecht. Alleine der Tonfall provozierte die anderen schon.

Janet: Zudem kamen viele geschäftliche Dinge hoch, welche das Leben nicht vereinfachten. Wir mussten uns um Dinge kümmern, die wir nicht verstanden. Anstatt bloss Musik zu spielen, vermischten sich geschäftliche mit musikalischen Dingen. Diese Zeiten waren verdammt rau. Für mich… Ich fühlte mich verloren…

Share: …genau! Aber es gab auch schöne Zeiten, wie die Tour zusammen mit den Scorpions und diesen Auftritt am Sweden Rock Festival! Ich kann es noch immer nicht fassen, dass wir noch immer so warm empfangen werden vom Publikum! Sie singen jede Note mit, das ist doch ein unglaubliches Gefühl!

MF: Und dies mittags um 12 Uhr!

Share: Ja, "early in the morning!"

Janet: Nach dem Flug… Es war anstrengend! Aber als wir auf der Bühne standen und das Adrenalin floss…

Brit: …es war fantastisch und hat tierischen Spass gemacht!

MF: Was war für euch früher wichtig, und was ist es heute?

Janet: Oh, das ist eine zu persönliche Geschichte…

Share und Brit (lachen laut los): Oh mein Gott Janet, was kommt bloss jetzt als Antwort?

Janet: Das sind Millionen von Geschichten…

MF: …haben wir nicht Zeit Ladys (alle lachen)?!

Janet: Viele Dinge, speziell wenn du in einer Band spielst… Es sind immer wieder die gleichen Dinge, welche dir das Leben erschweren. Du arbeitest hart und versuchst trotzdem den Spass nicht zu verlieren. Dieser organische Part… Share, komm, sag schon was…

Share (lachend): …sag schon was (lautes Lachen). In den achtziger Jahren war es der nächste Nervenkitzel, der nächste Moment. Heute ist es eher, diesen Moment zu fühlen und zu geniessen. Janet hatte Probleme mit ihrem "explodierenden" Kopf in diesem Jahr. Solche Dinge holen dich auf den Boden der Tatsachen, der Realität herunter, jeden verfluchten Tag! Dürfen wir nicht froh sein, wenn wir noch jeden Tag die Bühne betreten und losrocken können? Diese Nachricht von dir (schaut zu Janet)… Das war WIRKLICH ein Schlag ins Gesicht! Und ein "Wake up!!!" sondergleichen. Was sich wirklich veränderte, sind die normalen Dinge, welche eine andere Bedeutung bekommen. Wir leben unser Leben mehr!

Brit: Ladys, wir werden ein neues Studioalbum machen. Wir sind noch immer da und rocken die Hütte…

Janet: …genau, wir können noch immer Musik spielen und sind fähig auf die Bühne zu gehen. Früher haben wir sicher öfters gespielt, aber heute geniessen wir den Moment viel mehr! Wir sind noch immer glücklich, da zu sein!

Share: Reisst dir der Gitarrengurt, kannst du dich nicht auf der Bühne hören… Was solls, lasst uns rocken!

Brit: Das bedeutet nicht, dass alles einfacher geworden ist, aber unsere Attitüde ist einfacher.

MF: Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft, kommt bald wieder zurück in die Schweiz…

Janet: …danke dir Martin für die Unterstützung, das Interview hat Spass gemacht…

Brit: …ja, was ich alles über euch erfahren habe… Unglaublich! Danke dir Martin für die tollen Fragen!

Share: Danke dir und alles Gute!