Interview: Volbeat
By Maiya R.B.
Im Rahmen ihrer diesjährigen Tournee kamen Volbeat in die Schweiz, um ihren Fans das neue Album "Guitar Gangsters & Cadillac Blood" live zu präsentieren. Metal Factory hatte die Gelegenheit, vor dem Konzert mit dem immer noch leicht erkälteten Sänger Michael Poulsen (MP) ein interessantes Gespräch über den Blues, Inspirationen, Perfektionismus und Lebensträume zu führen. Der immer wieder als stimmliche Reinkarnation von Elvis betrachtete Däne hat mit seinem sympathischen nordischen Akzent äusserst spannende Antworten gegeben, während er seinen leidenden Hals mit Ricola Schweizer Kräuterzucker kurierte, gesponsert von Metal Factory, da die Interviewerin zu diesem Zeitpunkt ebenfalls erkältet war. Lest hier ausserdem, wie Michael über die Schweiz denkt!

MF: Michael, wie geht es Dir?

MP: Nicht so gut! Irgendwie scheinen gerade alle krank zu sein bei uns. Wir sind vierzehn Leute im Bus, und zehn davon sind krank. Naja, die Ansteckungsgefahr steigt halt auf so engem Raum. Aber ein paar Tassen Tee mit Whiskey drin werden es schon richten.

MF: Das möchte ich doch hoffen! Vielleicht kuriert Dich aber auch eine erfreuliche Nachricht: Euer neues Album ist auf Platz Nummer 30 in den Schweizer Charts eingestiegen.

MP: Echt? Das ist grossartig! Das letzte Album war schon auf sehr hohen Plätzen in allen möglichen Charts vertreten, und nun scheint sowas wieder zu passieren! Seit dem letzten Release wird natürlich einiges mehr von uns erwartet, deshalb freue ich mich immer darüber, wenn wir in den Charts verschiedener Länder auftauchen. Einerseits waren wir auf den Erfolg nicht gefasst, aber andererseits sind wir sehr, sehr stolz darauf, dass wir mehr als nur die berühmten fünfzehn Minuten Erfolg haben. Nun konnten wir beweisen, dass diese Art von Musik es verdient, so hoch oben in den Charts zu sein, und auch das macht mich sehr stolz.

MF: Gute Worte! Und wie verläuft die Tour bisher?

MP: Sehr gut! Jede Show bisher war ausverkauft. Wir haben in Paris angefangen, und es ist nicht sehr einfach, dort zu spielen. Trotzdem hatten wir viel Publikum und die Reaktionen waren gut. Wir touren sehr gerne, es ist unser Leben, auch wenn die meisten gerade krank sind. Aber wir sind nur Menschen, und da gehen wir durch.

MF: Der Blues auf Eurem neuen Album dagegen ist aber schier übermenschlich. Verrätst Du unseren Lesern, wie Nordeuropäer so einen Blues hinkriegen? Nur schon das Intro "End Of The Road" versetzt einen direkt nach Missisippi!

MP (grinsend): Hahah, das liegt daran, dass nicht ich Gitarre spiele, sondern Anders Pedersen. Er macht das wirklich hervorragend! Ich habe ihm etwas über die Lyrics erzählt und ihm ein paar Songs vorgespielt. Irgendwann sass er dann einfach hin und spielte spontan etwas auf der Lap Guitar, und das klang einfach verblüffend! Zwar sind es nicht meine, sondern seine Gefühle in diesen Gitarrenklängen, aber die Fans mögen es trotzdem, und das freut mich!

MF: Seine Spielart erinnert mich ein bisschen an Buddy Guy in den sechziger Jahren.

MP: Buddy Guy? Wer ist Buddy Guy? Ist der neu?

MF: Nein, im Gegenteil. Er hat während der letzten fünfzig Jahre ungefähr achtzig Alben veröffentlicht. In der Neunzigern hat Fender sogar eine Stratocaster für ihn modifiziert. Hör Dir mal seinen Song "First Time I Met The Blues" an, das ist traumhaft!

MP: Das klingt ja grossartig! Schreib mir seinen Namen und den Songtitel bitte auf! Danke für den Tipp!

MF: Gerne! Kommen wir zu einer weiteren Frage: Vor drei Jahren hast Du mal darüber gesprochen, wie Du Songs schreibst. Du sagtest, dass ein Song zum Mitsingen animieren muss, sonst sei er Dir nicht gut genug, um auf ein Album zu kommen. Siehst Du das heute immer noch so?

MP: Ja, zudem verwerfe ich beim Schreiben jeden Song, der nicht innerhalb von fünfzehn Minuten "zündet". Bei Volbeat zählt jeder einzelne Song, und ich mag die Vorstellung, dass unsere Fans total mit unserer Musik mitgehen und mitsingen können. Die Melodie wiegt bei mir mehr als der Chorus, das ist einfach mein Ding und meine Vorstellung, so mag ich es.

MF: Bleiben wir mal bei diesem Thema, denn ich habe da noch eine weitere Frage. In Euren Songs tauchen des öfteren Personen auf, die der Fan schon von früher kennt, wie zum Beispiel Danny und Lucy. War das von Anfang an geplant, oder ist das spontan passiert?

MP: Das fing an, als ich mir mal einen Schwarzweiss Film im Fernsehen angeschaut habe. Also eigentlich habe ich nur zwanzig Minuten davon gesehen und wurde dann von irgendwas anderem abgelenkt. Jedenfalls ging der Film mir nicht mehr aus dem Kopf, also habe ich ihn in meinem Kopf einfach so weiterlaufen lassen, wie ich ihn gerne haben wollte. Das hat mich irgendwie inspiriert... "Danny & Lucy" kamen schon im "Fire Song" vor, wurden ein Album später zu "Mr & Mrs. Ness" und sind nun beim neuen Release auf "Mary Ann's Place". Ich kombiniere sehr gerne solche Geschichten, und die Fans scheinen es auch zu mögen.

MF: Definitiv! Sprechen wir über Eure Gastsängerin Pernille Rosendahl. Ich finde es bemerksenswert, dass Ihr Euch für eine international eher unbekannte Sängerin entschieden habt, anstatt Euch irgend eine Berühmtheit zu schnappen. Vor ein paar Tagen habe ich mir andere Werke von ihr angehört und fand ihre Stimme aussergewöhnlich gut. Wer ist Pernille und wie kam es zur Zusammenarbeit mit ihr?

MP: Pernille war vor einigen Jahren eine der berühmtesten dänischen Sängerinnen. Sie hatte früher ihre eigene Band namens Swan Lee. Sie haben zwei Alben veröffentlicht und sich dann aufgelöst. Ich habe mir für den Track "Mary Ann's Place" eine weibliche Stimme gewünscht, aber ich wollte nicht, dass diese Stimme nach Evanesence klingt, so wie man es bei unzähligen anderen Metal Bands hört. Das macht mich krank, und es gibt doch auch noch andere Möglichkeiten, eine weibliche Stimme in einem Song unterzubringen. Ursprünglich hatte ich einen Gospelsong geschrieben und dafür eine schwarze Lady als Mitsängerin vorgesehen. Doch leider reichte die Zeit nicht aus, eine passende Gospelsängerin zu finden. Also habe ich den Chorus umarrangiert und den Song "Mary Ann's Place" daraus gemacht. Der Wunsch nach einer weiblichen Stimme war nach wie vor da, aber mir fiel niemand ein. Ich fuhr dann kurze Zeit später mit dem Auto herum, und da lief die Swan Lee CD meiner Freundin. Und da fiel es mir plötzlich ein: Pernille ist die Frau, die ich gesucht habe! Ihre Stimme gefiel mir schon immer, aber ich habe einfach nicht an sie gedacht bei meiner Suche, weil sie schon seit einiger Zeit nicht mehr aktiv war. Also habe ich sie angerufen und hatte grosses Glück, denn sie hat alle unsere Alben und liebt unsere Musik. Ich fragte sie, ob sie mit mir an dem Song arbeiten würde, und sie hat sich sehr darüber gefreut. Also haben wir den Song zusammen aufgenommen und sie hat mit ihrer einzigartigen Stimme einen sehr guten Job gemacht. Ich bin stolz darauf!

MF: Das kannst Du auch sein, denn wie Du selbst gesagt hast, sie ist nicht die hundertste Kopie von irgendwas.

MP: Freut mich, dass Du so denkst!

MF: Lass mich an dieser Stelle kurz einwerfen, dass Du einen gewissen Perfektionismus wohl kaum abstreiten kannst. Ist es so?

MP: Ja! Bis zu einem gewissen Punkt ist das so. Ein Beispiel: Wir waren nur zweieinhalb Wochen im Studio und wurden darauf hin gefragt, wie wir bloss so schnell fertig werden konnten. Das liegt daran, dass wir immer sehr vorbereitet zu den Aufnahmen gehen. Alles ist geregelt, es gibt keine offenen Fragen mehr... Natürlich kann sich im Studio spontan etwas neues ergeben, aber wenn ich ein Studio betrete, dann weiss ich hundertprozentig was ich tue. Dasselbe gilt generell für das Business von Volbeat. Es lässt sich so am einfachsten erklären: Volbeat ist mein Kind, und man muss sich sehr gut um seine Kinder kümmern.

MF: Und um seine Haustiere...

MP (grinsend): Richtig! Ich habe einen Hund, und auf den passe ich auch sehr gut auf!

MF: Kannst du mir etwas über Eurer CD Artwork sagen? Die drei CDs sind alle im gleichen dunkeln Stil aufgemacht, sehr edel, aber trotzdem schlicht.

MP: Ich denke es liegt daran, dass... Hmm... Hmm... Wenn Du Dir mal das erste Album ansiehst, dann... Hmm... Ich denke ich wollte einen Mix aus Metal und Rock n' Roll. Metal war symbolisch schon immer eher dunkel, während ich mit dem Mikrofon auf dem Cover darauf hinweisen wollte, dass Volbeat auch Rock n' Roll machen. Dasselbe gilt für "Rock The Rebel / Metal The Devil". Da ist einerseits Metal im Titel enthalten, und andererseits ist dieser alte Funken sprühende Plattenspieler auf dem Cover abgebildet. Es ist mir einfach wichtig, diese beiden musikalischen Feelings zu vereinen, so wie Traurigkeit und Glück, da diese beiden Dinge für mich einfach zusammen gehören. Man kann kein Glück fühlen, wenn man nie traurig war, und man kann nicht traurig sein, wenn man nie glücklich war. Diese Gegensätze verwende ich auch gerne für Volbeat, und mittlerweile ist es zum Stil der Band geworden.

MF: Man könnte auch sagen, dass es im Bereich Metal schon etwas einzigartiges ist, so wie auch Eure Musik, denn auch Euren Stil-Mix hat es in dieser Szene vorher noch nicht so markant gegeben.

MP: Hmm...ja... Was den Stil-Mix betrifft stimme ich Dir zu. Natürlich sind ja die 50er / 60er Jahre ein starker Einfluss für uns, wie auch alte Metal Bands. Aber wir haben uns eigentlich keine Gedanken darüber gemacht, wie unsere Musik nach getaner Arbeit klingen würde. Wir haben einfach mal ein paar Songs gemacht und diese dann vor Publikum getestet. Wir waren wohl einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

MF: Und mittlerweile könnt Ihr ja auch von der Musik leben, richtig?

MP: Ja! Ich noch mehr als meine Bandkollegen, weil ich für das Songwriting prozentual mehr Geld bekomme, hahah! Ernsthaft: Ich denke jeden Tag daran, was für ein riesengrosses Glück wir haben. Ich war nie besonders an einer Ausbildung interessiert und ich war ein schlechter Schüler. Ich konnte mich auch noch nie irgendwelchen Autoritäten unterordnen und wollte schon immer einfach nur mein Ding machen. Irgendwann wollte ich Fussball-Profi werden, aber mit der Zeit fand ich Fussball dann doch nicht mehr interessant genug. Ich wollte lieber Gitarre spielen und herum kommen, und ich bin sehr stolz darauf, dass mein Lebenstraum wahr geworden ist. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr habe ich sehr hart in diesem Musikbusiness gekämpft, es ist also nicht so, als hätte ich irgendeinen Wettbewerb gewonnen. Vielleicht werden Volbeat ja irgendwann mal keine Fans mehr haben, und dann werden wir uns wohl wieder normale Jobs besorgen müssen. Aber jetzt sind wir hier, und was wir machen, das geschieht aus Liebe zur Musik.

MF: Das merkt man! Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dich gerne fragen, wie Du zu meiner Arbeit stehst. Der Tourmanager hat Dir ja vorhin gesagt, dass ich für das grösste Metal Webmagazin des Landes arbeite. Wie denkst Du über Webzines?

MP: Ich finde sie grossartig! Vor allem deshalb, weil sie für sämtliche Bands eine Promotions-Möglichkeit sind. Es gibt da draussen Menschen, die sich keine Magazine mehr am Kiosk kaufen, und die sich keine Filme mehr im Kino anschauen, weil sie all das auch daheim auf ihrem Computer bekommen. Meiner Meinung nach ist das Internet das beste Promotionswerkzeug für jedermann. Natürlich kann man betreffend des Downloadings verschiedene Meinungen haben, aber darauf möchte ich jetzt nicht eingehen, das gehört nicht zum Thema. Leider gibt es aber auch Magazine bei denen Leute arbeiten, die nicht wirklich viel von Musik verstehen, wenn Du mich fragst. Hmm... Ich erinnere mich gerne an die Zeit, als man in einen Plattenladen gehen und den Kerl am Verkaufstresen nach der neuen Platte irgend einer beliebigen Band fragen konnte, und der Kerl konnte einem dann tatsächlich etwas über die Band erzählen. In der heutigen Zeit muss man scheinbar nichts mehr von Musik verstehen und auch keine Bands mehr kennen; man braucht nur noch ein Register, in dem man nachsehen kann. So ist es leider auch mit Magazinen, denn auch dort hat man es manchmal mit Leuten zu tun, die nichts von der Geschichte der Musik verstehen. Oder sie sind dermassen stur in ihren musikalischen Vorlieben und Abneigungen, dass sie gar nicht richtig auf die Musik eingehen, die sie rezensieren. Das ist ein dicker Minusfaktor bei den Webzines. Trotzdem gibt es aber auch ein paar gute Magazine.

MF: Und es gibt auch eine ganze Menge sogenannter Schreiberlinge, die das nicht aus Leidenschaft machen, sondern aus Gründen der Prestige.

MP: Oh ja, das sehe ich auch so! Und es ist ja auch sooo einfach, hinter seinem Computer versteckt in Foren irgendwelchen Bullshit zu schreiben. Wenn diese Leute sich aber öffentlich und unversteckt äussern sollen, dann geht gar nichts mehr.

MF: Da stimme ich Dir zu! Danke für dieses eindrückliche Statement! Kommen wir zur letzten Frage: Hast Du eine Message für Eure Fans in der Schweiz?

MP: Wir haben uns sehr darauf gefreut, wieder in der Schweiz zu spielen. Jeder Besuch in diesem Land bisher war sehr schön, und wir bekommen nach wie vor viele freundliche Mails aus der Schweiz. Gestern haben wir in Deutschland gespielt, und dann sahen wir nach, wo wir heute spielen würden. Als da "Switzerland" stand, haben alle sich gleich gefreut und gesagt "Switzerland! Das wird wieder grossartig!" Natürlich haben wir hier kein so grosses Publikum wie in anderen Ländern, aber wir kommen immer wieder sehr gerne in die Schweiz, weil wir hier sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Also, danke an Euch da draussen!

MF: Michael, ich danke Dir für das interessante Interview!

MP: Und ich danke Dir! Es hat echt Spass gemacht! Viel Vergnügen bei der Show!


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