Interview: Voodoo Circle
By Tinu
Alex Beyrodt gehört zu den fleissigsten und besten Gitarristen im musikalischen Sektor. Sein Engagement bei Sinner und Primal Fear, sowie seiner eigenen Band Voodoo Circle und das Mitspielen beim «Rock Meets Classic» hat dem Deutschen einen mehr als nur hervorragenden Ruf eingebracht. Wer den ehemaligen The Sygnet- und Silent Force-Saitenzauberer schon mal auf der Bühne erlebt hat, wird noch lange von diesem Ereignis berichten. Nach dem exzellenten zweiten Voodoo Circle-Album «Broken Heart Syndrom» und dem bevorstehenden neuen Sinner-Album «One Bullet Left» steht die Tour mit Sinner und Voodoo Circle in den Startlöchern. Somit auch genügend Themen, die mit Alex (AB) zu besprechen waren. Nicht nur dass Mister Beyrodt Musik schreibt, spielt und produziert, nein er stellt auch Effektgeräte her und möchte gerne wieder mal beim Skifahren den Kopf freikriegen. Oder steht ganz einfach mal auf dem Golfplatz. Aber lassen wir die Freizeitbeschäftigungen und konzentrieren wir uns auf das Wesentliche, die Musik.

MF: Du hast beim «Rock Meets Classic» mitgespielt. Wie hast du das erlebt?


Alex Beyrodt: Das kann man in einem Satz sagen. Das war das bisherige Highlight meiner Karriere! Drei Wochen stand ich mit dem Sänger meiner Lieblingsband auf der Bühne (lacht), die Truppe, die verantwortlich war, dass ich selber begann Musik zu spielen. Das waren Deep Purple und Ian Gillan. Mit ihm nun die Bühne zu teilen, das war schon etwas ganz Besonderes für mich. Auch aus dem Grund, weil er sich als absoluter Gentleman erwiesen und mich teilweise mit Komplimenten überhäuft hat. Das fand ich total Klasse. Ist man mit dieser Musik gross geworden, steht mit einem Originalmitglied auf der gleichen Bühne und der sagt dir nach der Show, wie toll er deinen Auftritt fand und wie super ich die Songs umsetzte und ihnen meinen eigenen Stempel aufdrückte... Wow, das ist schon toll. Da wird man belohnt für all den Schweiss, Ärger und die Mühen, welche man all die Jahre auf sich genommen hat.

MF: Speziell bei den Purple-Songs hatte ich das Gefühl, dass du richtig in diesen Liedern aufgegangen bist, hast dich wohlgefühlt und konntest dich ausleben.

Alex Beyrodt: Ja! Das ging allerdings nicht nur mir so, sondern das haben alle anderen auch so gefühlt. Solche Tracks sind für die Gitarre prädestiniert und als Gitarrist hast du auch mehr die Möglichkeiten dich zu präsentieren. Alle haben auf diesen Purple-Set gewartet. Du hast das aber richtig erkannt, dass ich bei diesem Teil der Show richtig aufgeblüht bin.

MF: In wie weit haben dich Gitarristen wie Ritchie Blackmore, Yngwie Malmsteen oder Gary Moore auf deinem Weg beeinflusst?

Alex Beyrodt: Die haben mich ganz entscheidend geprägt. Speziell Ritchie war und ist immer meine absolute Nummer 1 gewesen. In den achtziger Jahren habe ich aber ein bisschen mehr den damaligen neuen Gitarrenhelden nachgeeifert. Das ist für die Entwicklung ja auch ganz okay. Man muss weiterkommen und sich weiterentwickeln. Vor einigen Jahren habe ich meine Wurzeln wiederentdeckt und sie wieder lieben gelernt. Darum bin ich echt froh darüber, dass ich in der damaligen Zeit gross geworden bin und schätze, was für ein Vermächtnis Blackmore, Gary Moore, Rory Gallagher oder Jimi Hendrix hinterlassen haben. Ich bin froh, dass ich das weiterführen... darf, hätte ich jetzt fast gesagt. Das ist das falsche Wort. Dass ich die Möglichkeit habe dies weiterzuführen.

MF: Ich denke, dass diese Bands auch ein wichtiger Grundstein für Voodoo Circle sind?

Alex Beyrodt: Absolut!

MF: Das neue Album «Broken Heart Syndrom» ist noch eine Spur eingängiger und traditioneller ausgefallen, als das Debüt?

Alex Beyrodt: Das ist völlig korrekt und war auch so geplant. Beim Songwriting wollte ich so weit wie möglich zurückgehen zu den Wurzeln und die bestmöglichen Songs schreiben, die zum damaligen Zeitpunkt möglich waren. Gott sei Dank, gibt uns der Erfolg recht (lacht). Das Album ist, wie du sicherlich weisst, in Deutschland in die Charts eingestiegen. Darüber bin ich sehr, sehr froh und auch stolz. Mit dieser Art von Musik, solchem traditionellen Hardrock im Stil von Deep Purple, Rainbow und Whitesnake zu spielen und als deutsche Band in die heimischen Albumcharts einzusteigen, das ist schon etwas Besonderes (lachend).

MF: Was war für dich anders als beim Erstling?

Alex Beyrodt: Der Erfolg des Debütalbums überraschte mich erstmals. Beim zweiten Werk habe ich mir im Vorfeld sehr genau überlegt was ich abliefern will. Beim Erstling habe ich einfach drauflos geschrieben und Songs kreiert, die aus dem Bauch heraus entstanden sind. Bei «Broken Heart Syndrom» bin ich eine grosse Portion vorbereiteter ans Werk gegangen. Das heisst ich wusste, dass es da draussen noch immer eine grosse Anzahl an Leuten gibt, welche diese Art von Musik noch immer toll finden und auf einen Nachfolger warten. Die Menschen wollte ich nicht enttäuschen.

MF: Wie hast du die Band Voodoo Circle zusammengestellt?

Alex Beyrodt: Das war das Einfachste, da wir alle schon seit vielen, vielen Jahren befreundet sind. Dabei überlegte ich mir, mit welchen Leuten ich auf der Bühne stehen und Musik spielen möchte? Mit welchen Menschen verstehe ich mich gut, einige gehören zu meinen engen Freunden, mit denen ich privat Kontakt habe und abends mit ihnen telefoniere, wenn’s auch mal nicht um Musik geht? Solche, mit denen ich mich zum Grillen treffe oder auch einmal ins Kino gehe (lacht). So ist die Band entstanden. Die Ideen Voodoo Circle zum Leben zu erwecken, die entstanden schon vor einiger Zeit. Als ich mit David Readman und Mel Gaynor von den Simple Minds auf der Bühne stand. In einem kleinen Club haben wir zusammen gejammt. In diesen zwei Stunden spielten wir nicht mehr als sechs Songs, der Rest war alles pure Improvisation. Nach diesem Gig habe ich David zu mir nach Hause genommen, weil er bei mir geschlafen hat und fragte ihn im Auto: «In zwei Stunden haben wir gerade mal sechs Coversongs gespielt und in diesem Club mit 200 Leuten ist keiner nach Hause gegangen, sondern alle haben gejubelt, das scheint gut anzukommen, wir sollten eine Band gründen» (lachend)? So ist Voodoo Circle entstanden, über die Bühne und das live Spielen.

MF: Bedingt dadurch, dass alle Musiker noch in anderen Bands aktiv sind, bekommt Voodoo Circle einen Projekt-Charakter. Dies ist aber für dich eine richtige Truppe, mit der du nochmals voll durchstarten möchtest?

Alex Beyrodt: Absolut! Das mit dem Projekt-Charakter höre ich nicht zum ersten Mal (lacht). In jedem Interview kommt dies zur Sprache. Das hat immer einen negativen Touch. Aber ich kann dir versichern, dass wir alle in der Band die Angelegenheit sehr, sehr ernst nehmen, das Ganze als Band sehen und betrachten und damit auch Gas geben wollen. In der heutigen Zeit gibt es so viele Musiker, die nicht nur in einer, sondern in mehreren Truppen spielen. Willst du irgendwie überleben und Musik als deinen Beruf ausleben, kannst dich nicht nur auf eine einzige Combo verlassen. Das geht einfach nicht mehr. Man muss gucken, wie man klarkommt und aus diesem Grund nehme ich jeden Job an, den ich bekomme als Gitarrist. Ich tingelte kürzlich mit Martin Engelien (Bass) von der Klaus Lage Band und Charlie von Marius Müller Westernhagen durch diverse Clubs und spielte ganz tolle Musik. Am Schluss bin ich mit einem schönen Pay-Check nach Hause gefahren (lacht). Selber sehe ich mich als Musiker, da muss und soll man alles annehmen was man kann.

MF: Wie schwer ist es für dich eine neue Truppe wie Voodoo Circle heute im Business zu etablieren?

Alex Beyrodt: Wie es aussieht, hat sich die Band selbst schon nach dem Debütalbum etabliert. Sehe ich mir die Kommentare und E-Mails an... Schon das Debütalbum wurde in vielen Heften als Album des Jahres gehandelt, oder als Genre-Highlight. Nach dem Erfolg und dem Charteinstieg mit dem zweiten Album sowieso. Das ist alles von alleine passiert und wir mussten nur gute Musik schreiben und spielen. Der Rest kam von ganz alleine (lacht).

MF: Siehst du Voodoo Circle als Nachfolger von Deep Purple und Whitesnake, wenn die mal abtreten werden?

Alex Beyrodt: Können tun wir das. Die Frage ist aber, ob uns dies auch gelingt? Das wäre natürlich schön, wenn Voodoo Circle einmal so erfolgreich würden. Momentan geht es mir darum, diese Art von Musik am Leben zu erhalten und den Leuten eine Alternative zu diesen von dir genannten Truppen zu bieten. Sagen wir nicht Alternative, sondern eine weitere Band, welche die Fahne dieser Musik hochhält (lacht).

MF: Im Oktober geht ihr zusammen mit Sinner auf Tour. Wird da auch die Band auf der Bühne stehen, die das Album eingespielt hat?

Alex Beyrodt: Bis auf Einen ja (lacht). Lieder Gottes hat unser Keyboarder (Jimmy Kresic) zu diesem Zeitpunkt andere Verpflichtungen. Das ist doch ein bisschen schade, und er ärgert sich selber am meisten darüber. Es ist aber manchmal so, dass es Überschneidungen gibt. Aus diesem Grund werden wir einen anderen Tastendrücker dabei haben. Trotzdem werden die Konzerte grosse Highlights und wir feiern eine grosse Party.

MF: Du wirst aber auch bei Sinner mitspielen...

Alex Beyrodt: ...aber SICHER!

MF: Ist diese Konzertreise dann pure Freude, oder auch mit Stress verbunden?

Alex Beyrodt: Nun ja, für mich bedeutet auf Tour zu sein: Lebensinhalt. Ich bin froh, glücklich und zu 100 % lebendig wenn ich auf Konzertreise bin. Viele meiner Kollegen sehen dies anders. «Ach schon wieder Tour und Nightliner, das ist alles so anstrengend». Bei mir ist dies genau das pure Gegenteil und ich geniesse jede Sekunde davon. Es ist sehr anstrengend auf Tour zu sein, aber für mich ist dies trotzdem immer wie Urlaub (lacht). Ich freue mich da drauf und habe Spass ohne Ende. Sicherlich, in zwei Bands zu spielen, was aber auch für Mat (Sinner) gilt, ist schon eine harte Nummer. Aber! Von nichts kommt nix (lacht)!

MF: Wer spielt denn nun alles bei Sinner mit, neben dir und Mat?

Alex Beyrodt: Christof Leim und Alex Scholpp der heute bei Tarja und früher bei den Farmer Boys spielte, somit sind wir drei Gitarristen und am Schlagzeug sitzt André Hilgers, mein alter Weggefährte von Silent Force und jetzt aktueller Trommler bei Rage...

MF: ...so trifft man sich wieder...

Alex Beyrodt: ...ich sag ja, das ist eine grosse Familie. Das wird oft in Interviews gesagt, aber in dem Fall ist es tatsächlich so. Wir kennen uns teilweise schon seit über 20 Jahren.

MF: Du hast schon mal bei Sinner gespielt...

Alex Beyrodt: ...ja, sehr lange sogar...

MF: ..wie kam es damals zum Bruch?

Alex Beyrodt: Man muss fairer- und ehrlicherweise sagen, dass ich zweimal ausgestiegen bin. 1988 habe ich dort angeheuert und habe 1993 die Segel gestrichen, weil ich damals mit Paul Shortino dem ehemaligen Rough Cutt- und Quiet Riot-Sänger in Los Angeles eine Band startete. Zu der Zeit lebte ich auch eine zeitlang in L.A., kam dann wieder zurück nach Deutschland und stieg 1995 erneut bei Sinner ein. Da ging es dann gleich direkt auf die Supporttour für Mr. Big und ich blieb bis 2001 bei Mat. Zu dem Zeitpunkt gründete ich Silent Force und wollte mich zu 100 % auf diese Truppe konzentrieren und sie nach vorne bringen.

MF: Zwischenzeitlich bist du dann auch bei Primal Fear ein- und auch wieder ausgestiegen...

Alex Beyrodt: ...nein, da muss ich dich korrigieren, da hat mich Mat jeweils für ein paar Konzerte angeheuert und ich habe den Jungs ausgeholfen...

MF: ...stimmt, du hast nie ein Studioalbum mit ihnen eingespielt...

Alex Beyrodt: ...ich war nie ein festes Bandmitglied, sondern half aus, wenn die Jungs ein Problem hatten und ein Gitarrist eine Tour nicht spielen konnte. Dann stand ich immer Gewehr bei Fuss bereit. Sie wussten, dass sie sich immer auf mich verlassen konnten und ich am Start bin wenn etwas ist. Die erste Primal Fear-Tour spielte ich 1999, dann nochmals 2001, 2003 und 2006. Vielleicht bringe ich jetzt aber auch was durcheinander (grinst). Jedenfalls bin ich mit den Jungs schon um die Welt gejettet. Vor zwei Jahren kam wieder der Zeitpunkt als ich eingesprungen bin. Nun haben wir es fixiert und seit einem Jahr bin ich festes Bandmitglied bei Primal Fear. Das haben wir aber nirgends gross an die Glocke gehängt, sondern hat sich stillschweigend ergeben. Wir sind gerade dabei das Songwriting für das neue Album zu machen. Dann folgen die Recordings und nächstes Jahr wieder exzessives Touren.

MF: Zusammen mit Henny Wolters warst du bei Primal Fear eines der besten und unschlagbarsten Gitarrenduos, das ich jemals auf der Bühne gesehen habe.

Alex Beyrodt: Danke schön! Die Zeit mit Henny habe ich sehr genossen. Auch weil wir aus zwei komplett unterschiedlichen Lagern kommen. Er, der Les Paul am Knie hängende Arbeitertyp, und das meine ich jetzt durchaus positiv, und ich der Stratocaster dünnfingrige Virtuose (lacht). Du weisst, was ich meine?! Verzeih mir meine bildhafte Sprache (lachend). Das hat sehr viel Spass gemacht, weil wir auch viel voneinander lernen konnten. Aus dem Grund, weil jeder von uns unterschiedlich an eine Sache rangegangen ist. Wenn es darum ging, haben wir abgerockt!

MF: Wie wichtig war Mat Sinner über all die Zeit für dich?

Alex Beyrodt: Mat spielt eine zentrale Rolle in meinem Leben, als Freund, wie auch als Musiker und Bandchef (lacht). Wobei bei Voodoo Circle bin ich ja sein Boss (lacht). Wir entscheiden fast alles gemeinsam. Insofern ist er ein wichtiger Mensch und dies schon fast seit 25 Jahren. Das fühlt sich gut an, dass wir uns so lange kennen und so viel erlebt haben. Gutes, wie auch Schlechtes. Speziell in der letzten Zeit ist unsere Männerfreundschaft nochmals gewachsen und das macht sehr viel Spass.

MF: Bist du über all die Jahre ruhiger geworden?

Alex Beyrodt: Absolut. Auf jeden Fall habe ich mich als Mensch wie auch als Musiker verändert und bin gewachsen und gereift. Nicht unbedingt ruhiger (lacht)! Da habe ich eher den Eindruck, dass ich wilder geworden bin (lachend). Aber, das ist ganz gut so und fühlt sich auch ebenso an. Natürlich sind mein Gitarrenspiel und mein Songwriting gereift und ich habe viel dazugelernt. Das ist ein ganz normaler Prozess, wenn man so lange dabei ist. Bei so vielen Konzerten und Produktionen sollte dies, wenn man nicht gerade blind durch die Gegend rennt, automatisch kommen.

MF: Du hast vorhin Paul Shortino erwähnt, hast auch schon mit Glenn Hughes zusammengespielt, wie kommen all diese Kontakte zustande?

Alex Beyrodt: Das kommt daher, dass ich nie was anderes und mit jeder Faser meines Körpers Musik spielen wollte. Da wo andere vielleicht lieber mit der Freundin, die Geburtstag hatte, ins Kino gegangen sind, bin ich in den Proberaum gelaufen und habe einen neuen Song geschrieben. Dort war ich immer der Erste und der Letzte der den Raum wieder verlassen hatte. Das hat mit einem schon fast krankhaften, starken Willen zu tun, das ich vom ersten Moment, als ich eine Gitarre in die Hand genommen habe sagte, das wird mein Beruf. Wenn du Jahre lang mit einer solchen Energie dein Ziel verfolgst, kommt irgendwann auch Energie zu dir zurück. Das ist der Grund, wieso dies alles passiert.

MF: Alex, ich bedanke mich ganz herzlich für dieses ausführliche Interview und deine Präsenz auf der Bühne! Für mich einer der interessantesten Gitarristen, die ich jemals auf der Bühne gesehen habe!

Alex Beyrodt: Danke schön! Das höre ich gerne (lacht). Das ist ein schönes Kompliment. 1983 habe ich Randy Rhoads auf der Bühne gesehen und entschied in der Nacht, das ist es! Als er auf die Stage kam, mit seinem Charisma und seiner Bühnenpräsenz, hat es bei mir Klick gemacht. Eine solche Präsenz wollte ich auch haben, ein Charisma und eine eigene Art und Weise Gitarre zu spielen. Höre ich dann ein solches Kompliment aus deinem Mund, bedeutet mir das sehr viel. Herzlichen Dank, alles Gute und auf bald.