Interview: W.A.S.P.
By Tinu
Auch wenn für viele Blackie Lawless (BL) ein schwieriger Zeitgenosse sein soll, mir gegenüber war er immer sehr nett, freundlich und zuvorkommend. Zudem ein immer äusserst interessanter Gesprächspartner. Wie auch an diesem Abend im Zürcher Volkshaus. Blackie machte zwar einen müden Eindruck, die lange Konzertreise schien an dem singenden Gitarristen nicht spurlos vorbei zu gehen, aber für ein paar Minuten nahm sich Mister Gesetzlos gerne Zeit. In diesen Minuten liessen wir die 28 Jahre andauernde Karriere in einzelnen Schritten Revue passieren. Dabei kam die Frühphase der Truppe, mit all ihren schockierenden Elementen, wie rohes Fleisch und nackte Frauen ebenso zum Zuge, wie die Verletzungen, die Blackie seit Jahren mit sich herumträgt. Der Meister ist ein Musiker, der sich Gedanken um viele Dinge macht und in der Vergangenheit das Lieblingsopfer der P.M.R.C. war. Eine Vereinigung frustrierter Washingtoner Frauen, die meinten die Welt verbessern und auf die Gefahren in Songtexten hinweisen zu müssen. Auf deren Index steht noch immer die erste EP von W.A.S.P. «Animal (I Fuck Like A Beast)».

MF: In der Vergangenheit habt ihr mit der EP «Animal (I Fuck Like A Beast)» geschockt. Ist heute so was noch möglich?


BL: Natürlich! Schock ist bloss eine Reflektion des Seins. Allein bei einer Rockband kannst du damit vieles reflektieren. Das war vor 20 Jahren so und ist heute noch so. Du kannst damit die Stimmung der Gesellschaft darstellen und der Effekt ist immer der Gleiche. Alle sind geschockt. Nicht das fiktive schockiert, sondern das reale Leben und das ist das Verrückte an der ganzen Sache.

MF: Würdest du denn heute nochmals mit den alten Kostümen, den nackten Frauen, dem rohen Fleisch und dem Blut auf die Bühne gehen?

BL: Nein, die Zeiten sind vorbei. Ich denke auch nicht, dass dies noch zu uns passen würde. Leider hören die Leute mit ihren Augen und nicht mit den Ohren. Sie wollen die Message nicht verstehen, oder die sozialen, politischen Texte. Wenn ich in unserer Karriere zurückblicke, stoppten wir sehr früh diese abgedrehte Show. W.A.S.P. zogen das nicht für lange Zeit durch und beendeten dies schon nach unserer ersten Tour. Wir wollten die Gesellschaft erreichen und ich bemerkte, dass dies nur über die Lyrics stattfinden wird. Das visuelle stand uns da nur im Weg. Nimm als Beispiel unser «The Headless Children»-Album. Es brauchte seine Zeit, bis die Leute das Werk verstanden. Ich begriff mit der Zeit aber auch, dass es für die Leute einfacher ist eine Band an einem visuellen Image festzunageln, anstatt sich intensiver mit einer Truppe auseinander zu setzen.

MF: Was war für dich schwerer, Alben wie «The Headless Children», «The Crimson Idol» und «The Neon God» zu schreiben, oder Werke wie «The Last Command» oder das Debüt?

BL: «The Crimson Idol» war für mich das schwierigste Album zu schreiben. Zu der Zeit hatte ich keine Ahnung, wie man solche Werke komponiert. Bei den ersten drei Platten haben wir das ganze Material aufgenommen und die Lieder einfach mal geschrieben. Bei einem Konzeptalbum musst du dir schon im Vorfeld Gedanken machen, wie du die musikalische Umsetzung der Texte vornehmen willst. Zuerst muss die Story geschrieben sein und dann gibt es nicht mehr viel, was du ändern kannst. Vielleicht einige Teile in der Mitte, aber der Anfang und das Ende sind fixiert. Die Musik muss sich dann dem ganzen lyrischen Fluss anpassen. Die Story überwiegt alles und die Stimmung muss über das komplette Album aufrecht gehalten werden. Als wir die Stücke probten entdeckten wir neue Dinge. Es war schon schwer genug die Songs zu schreiben, es wird dir aber nie jemand sagen, wie schwer es sein wird, dieses ganze Spannungsfeld bei den Live-Shows aufrecht zu erhalten. Ups, das ist eine ganz andere Geschichte. Auch wenn sich alles so simpel anhört, hast du das aber noch lange nicht umgesetzt.

MF: Woher hast du die Inspirationen für «The Crimson Idol» oder «The Neon God»?

BL: «The Crimson Idol» befasst sich mit nur einer Frage. Wie hast du deine Aufgabe zu erledigen? Wie kann ich mich selber sein? Leider passiert die Geschichte bei «The Crimson Idol» zu oft im Musikbusiness. Viele wollen den Erfolg, sind sich aber nicht bewusst, welchen Preis sie dafür zahlen müssen. Auch wenn immer alles nach dem Motto: «Yeah, yeah, yeah, I want it» abläuft, verstehen sie nicht, wie die Geschichte ablaufen wird. Denn niemand wird sie davor warnen. Aber willst du den Erfolg, wirst du dafür zahlen müssen und nicht die anderen. Diese Lektionen muss man lernen. Meinen ersten Vertrag verstand ich erst Jahre später. Und in dieser Geschichte geht es eigentlich nur um einen Jungen, der auf der Suche nach Liebe und seinen Eltern ist. Ein grundsätzlich einfacher, normaler und reiner Weg.

MF: Wie gross ist die Gefahr von den Leuten falsch verstanden zu werden?

BL: Geh zurück in diesem Interview und lies zwischen den Zeilen (lacht). Das passiert immer wieder. Lass eine Million von Menschen dein Album kaufen und du wirst keine zehn davon finden, die das Gleich über dieses Werk denken. Du wirst nie wissen, wie ein neues Album von den Leuten aufgenommen wird. Von okay bis brillant wirst du alles hören. Wenn ich neues Material schreibe, versuche ich immer das Beste zu geben. Da kann ein, in meinen Augen, fantastischer Track bei den Fans absolut durchfallen. Das stelle ich dann aber erst auf der Bühne fest, wenn ich ihn spiele und keine Reaktionen vom Publikum erhalte. Das kann meiner Zufriedenheit schon einen Abbruch tun (grinst).

MF: Wie wichtig war «Kill Fuck Die» für dich? Ein Album, das bei vielen Fans durchgefallen ist.

BL: Wir haben mit dem Mix einen Fehler gemacht. Der war zu modern und das wollen die W.A.S.P.-Fans nicht hören. Sie hatten sich an den traditionellen Sound gewöhnt. Selbst Leuten, denen ich vertraue, waren der Meinung, dass die Songs sehr gut waren. Sie hörten die Lieder allerdings in der Rohfassung.

MF: Wie wichtig waren in der Vergangenheit, die Videoclips zu «Wild Child», «Blind In Texas», «I Wanna Be Somebody» oder «L.O.V.E. Machine»?

BL: Das wirst du heute Abend in der Show sehen. Wir haben drei Bildschirme, die uns visuell in unsere musikalische Vergangenheit begleiten. Zusammen mit diesen Bildern und uns als Live-Band wird dies ein sehr intensives Erlebnis sein. Damals waren diese Clips für uns enorm wichtig. Als wir sie produzierten waren wir uns nicht immer sicher, ob wir etwas Interessantes abgeliefert haben. Im Laufe der Zeit haben sie sich aber als genau das richtige Dokument entwickelt und erweisen. Für uns ist es eine schöne Zeitreise und es kommen immer wieder alte Erinnerungen hoch, an die Zeit, als wir die Lieder geschrieben haben und an das, was wir dabei erlebten.

MF: Was sind deine Pläne für die Zukunft?

BL: Es war eine lange Zeit, die wir mit diesem Album auf Tour verbrachten. Nach Weihnachten werde ich nach Jahren nicht drum herum kommen, endlich meine linke Schulter zu operieren. Danach werden wir ein neues Album kreieren und dann wieder auf Tour gehen. Es wurde von Monat zu Monat schlimmer mit meiner Schulter. Das Ganze passierte bei einem Unfall, als ich auf der Bühne bei einer dummen Bewegung ausrutsche. Das ist schon Jahrzehnte her. Das ging soweit, dass ich meinen Gitarrengurt auf der Bühne kaum tragen konnte und dies somit meine Aktionen stark einschränkte. Nach der Operation hoffe ich, dass alles wieder okay sein wird.

MF: Danke für das Gespräch und alles Gute für deine Zukunft und bei der Operation!

BL: Herzlichen Dank und auch dir alles Gute.