Interview: Within Temptation
By Maiya
An Within Temptation kommt man kaum mehr vorbei. Die sympathischen Niederländer ernten für ihr neuestes Werk "The Heart Of Everything" massenweise positive Kritiken. Musikalisch vielfältiger, besser und stärker denn je präsentierten sie sich ihrem Publikum im restlos ausverkauften Zürcher Palais X-Tra. Am Nachmittag traf ich die charmante und überaus gut gelaunte Sängerin Sharon den Adel zum Interview.

MF: Hallo Sharon, wie geht es dir?

SdA: Oh, sehr gut! Danke! (lacht fröhlich)

MF: Kannst du mir etwas über das Bühnenbild verraten?

SdA: Wir haben das Bühnenbild dem Cover des neuen Albums angepasst. Es gibt einen Gargoyle zu sehen über einer Stadt. Die Stadt im Hintergrund finde ich wirklich schön. Wenn wir dürfen, dann bringen wir gerne Pyros, aber das ist nicht immer erlaubt. Ich glaube dass wir heute keine haben, aber wir planen für heute Abend zwei Feuer auf der Bühne, falls das okay geht, weil manchmal gar kein Feuer geduldet wird.

MF: Wo wir gerade vom Bühnenbild sprechen... Du bist ein grosser Teil des Bühnenbildes mit den wunderschönen Kleidern. Woher hast du die bloss?

SdA: Das ist verschieden. Manchmal gehe ich einfach shoppen und finde zufällig etwas, das zu meinen anderen Sachen passt, zum Beispiel ein Korsett. Manchmal entwerfe ich auch etwas zusammen mit einem Designer.

MF: Du hast einen Designer?

SdA: Ja, ich habe einen Designer. Ich zeichne meine Ideen auf und diskutiere sie dann mit jemandem, der die Kleider für mich machen kann. Wenn die Ideen umsetzbar sind, dann werden sie auch genäht.

MF: Ich muss sagen, dass ich von der Energie des neuen Albums sehr überrascht bin. Ich meine, deine sehr flexible Stimme und die kraftvollen Gitarren...

(An dieser Stelle sieht Sharon mich mit grossen Augen an und bedankt sich verlegen und sehr geschmeichelt.)

MF: ...eine Menge Bands werden nach vier Alben langweilig, aber ihr werdet immer besser mit jedem Release. Was ist euer Geheimnis?

SdA: Vielen Dank! Das Gehemnis... also wenn es ein Geheimnis gibt, dann ist es das, dass wir nicht immer gleich klingen möchten. Wir verändern uns und gehen mit der Zeit, denke ich. Wir wollen für uns selbst interessant bleiben, weisst du. Solange wir für uns selbst interessant bleiben, sind wir es vermutlich auch für unsere Fans. Das ist auch das einzige Kriterium. Wir tun was uns gefällt, das ist der Grund dafür, dass wir uns immer wieder ändern. Manche Leute hassen es, und manche lieben es.

MF: Die Leute hier lieben es, denn ihr seid ausverkauft.

SdA: (begeistert) Jaaa, die Tickets waren scheinbar innert weniger Wochen schon weg!

MF: Das stimmt! Verrätst du mir, woher ihr die Inspiration für die Texte und die Melodien nehmt?

SdA: Von verschiedenen Dingen wie unserem persönlichen Leben oder von Freunden, aber auch von Büchern oder Filmen. Der Song "The Heart Of Everything" basiert auf dem Film Braveheart, schon wieder! (lacht) Beim Album "Mother Earth" waren die Melodien durch Braveheart inspiriert, aber diesmal haben wir keine keltischen Sounds. Es sind eher die Lyrics, die auf der Story von William Wallace basieren und seinem Kampf um Freiheit gegen England. (Sharons Gesicht nimmt ernste und nachdenkliche Züge an, als sie fortfährt) Es ist eine wunderbare Story, auch gemessen daran, dass viele Menschen heute noch um ihre Freiheit kämpfen müssen. Das ist alles so schwierig und speziell, denn jeder kämpft auf seine Weise um seine Art von Freiheit in seinem persönlichen Leben. Um dieses Thema geht es auch in den Lyrics, die vielleicht jemanden inspirieren können, etwas in seinem Leben zu verbessern.

MF: Der Song "What Have You Done" wurde für das Videospiel "The Chronicles Of Spellborn" verwendet. Wie ist deine Meinung darüber, dass Videospiele einen negativen Einfluss auf Jugendliche haben?

SdA. Hmm,das ist schwierig zu beantworten. Wenn man nicht von Videospielen beeinflusst wird, dann vielleicht von etwas anderem. Manchmal denke ich auch, dass so etwas einfach als Ausrede benützt wird. Es gibt aber auch Menschen, die den Songtext einer Band beschuldigen und sagen, dass sie es wegen den Lyrics getan haben. Manche Spiele sehen sehr realistisch aus und können vielleicht Schaden anrichten. Aber wenn realistische Spiele auf jemanden einen negativen Einfluss haben, dann eher auf solche Menschen, die eh schon verrückt sind. Trotzdem, es ist eine schwierige Frage und ich hab gemischte Gefühle bei diesem Thema.

MF: Ich habe gelesen, dass eure Songs im Koreanischen Radio gespielt werden. Was kannst du mir über euren Erfolg in Asien sagen?

SdA: wir haben in Japan gespielt, das war bisher das einzige asiatische Land und es war sehr gut. Wir hatten vor etwa einem Jahr einen Auftritt bei einem grossen japanischen Festival. Arch Enemy und andere harte Metal Bands spielten dort, und dann stand ich dort auf der Bühne mit meinem weissen Kleid... Ich denke wir stachen ziemlich heraus. Die Leute müssen gedacht haben "Mein Gott, was ist das für eine Band?" Aber tatsächlich wurden wir gefragt, ob wir wieder einmal dort spielen würden. Diese Gelegenheit konnten wir jedoch nicht wahrnehmen, da wir später mit dem neuen Album beschäftigt waren. Vor zwei Monaten gingen wir dann aber wieder nach Japan, hatten fast ausverkaufte Shows vor beinahe zweitausend Leuten, und es war wirklich grossartig! Das Publikum dort ist soviel anders. Hier macht das Publikum vor Konzertbeginn Smalltalk und so, dort hingegen sind alle ganz still, sie stehen einfach da und niemand spricht. Aber sobald das Konzert anfängt, bildet sich gleich ein Moshpit. Sowas haben wir auch bei dem Festival erlebt, das ich vorhin erwähnt habe. Die erste Band dort spielte schon um elf Uhr vormittags, trotzdem war das ganze Publikum bereits anwesend. Jeder mit einem Ticket wollte von der ersten Sekunde an mit dabei sein. Und dort wieder dasselbe: kein Smalltalk, alle sind ruhig, elf Uhr und schon legt der Moshpit los. Das besondere dort war, dass uns zu dieser Zeit fast niemand kannte.

MF: Euer aktuelles Album "The Heart Of Everything" wird bald auch im nordamerikanischen Raum veröffentlicht. Macht dich das sehr nervös?

SdA: Oh ja, auf jeden Fall! Wir haben schon mal etwas dort veröffentlicht und waren zweimal drüben auf Tour. Ein paar wenige Shows haben wir auch in Kanada gespielt. Wir hätten gerne mehr Konzerte dort gegeben, aber leider konnten wir nicht darüber entscheiden. Es waren eine Menge Leute bei unseren Konzerten, manche fuhren sogar sechs Stunden dafür, weil wir nicht in ihren Städten spielen konnten. Als wir in Chicago waren kamen die Fans sogar mit Flugzeugen aus Alaska, um mit dabei zu sein. Es war so schön zu sehen, dass die Fans wegen uns so etwas tun. Ich meine, siebzig Prozent unserer Shows waren wirklich sehr gut besucht, fast ausverkauft, einfach grossartig!

MF: Hattet ihr dort genug Zeit, um euch die Gegend anzusehen?

SdA: Ja, die hatten wir! Es gefiel mir sehr gut!

MF: Welche Städte haben dir denn am besten gefallen?

SdA: Boston und Chicago waren wirklich wunderschön! Ich habe so viele schöne Städte gesehen, und das ist überraschend. Als wir die erste Tour drüben machten, spielten wir eher in kleinen Clubs mit Lacuna Coil und haben nicht viel von den Städten gesehen. Es waren auch eher kleine Städte mitten im Nirgendwo, die nicht wirklich eine Geschichte haben. Die Städte in Japan waren schon viel grösser.

MF: Im Gegensatz zu vielen anderen Bands scheint euch Fannähe sehr wichtig zu sein. Ich meine, ihr lädt sie nach den Shows backstage zu einem Drink ein und redet mit ihnen. Das finde ich grossartig! Warum macht ihr das?

SdA: Weil manche Fans uns sehr nahe stehen. Sie schicken uns Briefe, und manchmal reisen sie uns von Konzert zu Konzert hinterher. Man steht auf der Bühne und erkennt ihre Gesichter wieder. Es ist wirklich schön, mit ihnen zu reden. Sie sprechen manchmal über ihr Privatleben und über ihre Familien. Das schafft eine ganz andere zwischenmenschliche Beziehung als das übliche "Künstler und Fan". Es macht einfach Spass, diese Leute zu einem Drink einzuladen. Manchmal gehe ich auch mit ein paar Tassen zu ihnen raus und trinke etwas mit ihnen. Es kommt natürlich auf das Wetter an (lacht). Es ist sicher nicht immer möglich und hängt davon ab, wieviele Leute da sind. Es gibt auch total fanatische Leute, oder wir sind zu sehr beschäftigt dafür. Ein paar Stunden nach der Show, wenn alle geduscht sind, gehen mir vielleicht raus. So spät sind dann nur noch wenige anwesend, 25 Personen vielleicht. Das macht es einfacher für uns, weil wir sonst fünf Stunden lang nicht mehr dort weg kommen würden. Die Fans sind aber sehr nett und nicht hysterisch oder so. Es macht echt Spass mit ihnen!

MF: Welche ist deine wertvollste Erinnerung im Zusammenhang mit Fans?

SdA: Ich habe eine Menge wertvoller Erinnerungen an Fans, aber eine berührt mich besonders. Es geht dabei um einen belgischen Fan, der bei einem Motorradunfall um Leben kam. Er hatte gerade erst das Mother Earth-Album gekauft, und seine gesamte Familie kam zu unserem Konzert, um auf diese Weise Abschied von ihm zu nehmen. Wir haben es so arrangiert, dass sie uns nach der Show treffen konnten, und wir haben dem Fan einen Song gewidmet. An seiner Beerdigung wurden seine liebsten Songs von uns gespielt und es war mehr oder weniger alles von Within Temptation umgeben. Ein Jahr später war dann das mit dem Konzert, und wir haben mit der Familie gesprochen. Es war sehr,sehr,sehr persönlich, wie wir über ihn geredet haben. Wir haben ihn zwar nicht gekannt, aber ich denke für die Familie war es sehr wichtig. Es war auch für uns schön zu sehen, wie sie als Familie damit umgehen und einander unterstützen. Es waren viele Leute da, Familie und Freunde, etwa dreissig Personen. Ich habe immer noch per E-Mail Kontakt zu seinem Vater. Wir schreiben einander zu Neujahr, und so viele Jahre nach diesem Unglück schreibe ich ihnen zum Todestag ein E-Mail und frage sie, wie es ihnen geht und wie sie damit umgehen. Irgendwie stehen sie einander jetzt noch näher als Familie, und das ist schön.

MF: Wo wir gerade über Fans sprechen, möchtest du deinen Fans hier etwas mitteilen?

SdA: Es ist eine sehr grosse Überraschung für uns, dass unser erstes ausverkauftes Konzert in der Schweiz ist. Es tut uns sehr leid, dass wir das Konzert wegen dem Videodreh verschieben mussten, aber die Fans haben uns nicht im Stich gelassen, sie sind heute hier, darum werden wir sie auch nicht im Stich lassen. Wir sind restlos ausverkauft, und das ist für uns eine grosse Ehre. Wir hoffen ein paar Fans nach der Show zu sehen, um mit ihnen zu sprechen und etwas zu trinken. Wein womöglich, oder...

MF: Oder Tee!

SdA: Oder Tee! Tee ist auch sehr gut! (lacht)

MF: Sharon, ich danke dir für das tolle Interview!

SdA: Es war mir ein Vergnügen, danke auch dir!