Szene: George Lynch (Ex-Dokken, KXM, Dirty Shirley, The End Machine...)

02.07.2020
By Tinu
 
Musik als schlechter Einfluss.



George Lynch ist ein umtriebiger Gitarrist, der in den frühen achtziger Jahren mit Dokken sensationelle Erfolge feiern konnte. Nachdem er sich abnabelte und mit Lynch Mob seine eigene Truppe startete, wurde es wenig später dank der Grunge-Phase etwas ruhiger um das Gitarren-Ass. Heute gehört der Ami sicherlich zu den Musikern mit den häufigsten Veröffentlichungen in einem Jahr. Bands wie KXM, Sweet & Lynch, The End Machine oder auch Dirty Shirley zimmerten seinen Weg in den letzten Monaten.

"Zuerst hatte ich keine Unterstützung meiner Eltern. Sie dachten, die Musik könnte einen schlechten Einfluss auf mich nehmen. Darum nahmen sie mir meine Gitarren weg und schickten mich zu meinen Grosseltern, die sehr streng waren. Ich lebte und arbeitete bei ihnen und war als Teenager ein Jahr lang gitarrenlos", erinnert sich der Meister an seine ersten Schritte mit der Gitarre. "Meine Einflüsse waren vielfältig. Von Blues, Jazz, R&B, Soul, Funk, über alle Epochen des Rock, Klassik, Metal, bis zu Gospel, ich sog alles in mich auf und liess mich dabei inspirieren».

Für grosses Aufsehen sorgte der junge Mann mit seinem zweihändigen Finger-Tapping. Ob nun George oder Eddie Van Halen als der Erfinder dieser Spielweise gelten, darüber streiten sich noch heute die Geschichtsbuchschreiber. Jedenfalls konnte George mit seinem aussergewöhnlichen Spiel das Interesse von Ozzy Osbourne auf sich ziehen, als dieser seine Solo-Karriere startete. Allerdings musste sich Mister Lynch zuerst Randy Rhoads und später Jake E. Lee geschlagen geben, inspirierte trotzdem Tausende von Junggitarristen mit seiner einzigartigen Spielweise und landete bei Dokken. Mit diesem Quartett konnte der Saitenakrobat Platin-Auszeichnungen für «Under Look And Key» und «Back For The Attack» einheimsen und kreierte mit ESP seine eigenen Gitarren-Modelle. Das kreative Dokken-Verhältnis gipfelte aber auch immer in einer bandinternen Zerstrittenheit zwischen George und Sänger Don Dokken. Einige Reunions später berichtet Lynch über die Situation bei seiner ehemaligen Stammband: "Ich weiss nicht, ob eine erneute Zusammenarbeit möglich ist. Vorerst sind Dokken und Lynch Mob für einige gemeinsame Konzerte vorgesehen. Am Ende des Abends werde ich vier Lieder zusammen mit Dokken spielen. Das wird viel Spass machen und das Publikum wird es lieben". Das letzte Dokken-Konstrukt fiel 2016 nach einigen Japan-Shows auseinander: "Japan beherbergte immer unsere zweitgrösste Fangemeinde. Wir haben viele schöne Erinnerungen an die Tourneen in den frühen Tagen unserer Karriere. Es war wunderbar, dorthin zurück zu kehren", erinnert sich Mister Lynch an die letzten gemeinsamen Auftritt mit Don, Jeff Pilson und Mick Brown.

Nach seiner Dokken-Zeit wagte George den Start mit Lynch Mob: "Es war eine herkulische Anstrengung, um alles für diese Truppe zu mobilisieren, aber ich nutze die Gunst der Stunde. Abgesehen davon führten wir eine weltweite Suche durch, um ein Dreamteam aufzubauen. Etwas, das meiner Meinung nach glückte. Die Maschine um die Band mit Managern, Agenten, Produzenten und einem historisch bedeutsamen ersten Album, funktionierte bestens. Trotzdem blieb uns der grosse Erfolg verwehrt. Nirvana und Grunge sein Dank! Diese musikalische Bewegung brach uns das Genick, war aber eigentlich nur eine Reaktion oder ein Symptom auf die Exzesse des Hardrocks der achtziger Jahre. Ich denke nicht, dass Lynch Mob in Zukunft weiter existieren werden. Ich fühle mich nicht wohl dabei, den Namen aus unterschiedlichen Gründen weiter zu verwenden", trägt George seine erste Solo-Band zu Grabe, um gleich wieder die Lynch Mob- und Dokken-Fans zu besänftigen: "Jeff Pilson und ich arbeiten mit Robert Mason an der zweiten The End Machine-Platte. Wir sind bemüht uns näher an die Kompositionsformel anzulehnen, die wir damals beim Schreiben der Dokken-Lieder verwendeten."

Wie erwähnt, arbeitet der Gitarrist mit vielen anderen Musikern in ebenso vielen anderen Projekten zusammen. "Früher dachte ich, dass eine stabile Band sehr wichtig ist. Ich unternahm unzählige Versuche eine Truppe zusammen zu stellen und zusammen zu halten. Heute ist dieser Zug für mich abgefahren. Ich betrachte jedes Projekt als ein neues Kapitel mit neuen Möglichkeiten. Ich liebe das Komponieren und den Prozess, eine Idee aufblühen und in sich manifestieren zu sehen. Dies mit unterschiedlichen Charakteren zu erarbeiten, beflügelt mich in solchen Projekten mitzuarbeiten. Klar vermisse ich es live aufzutreten. Aber es ist nun mal sehr schwer die Projekte auf die Bühne zu bringen, weil die Jungs noch in anderen Truppen tätig sind. Das ganze Reisen vermisse ich aber definitiv nicht", grinst der Amerikaner. "Bis jetzt verbrachte ich im Studio ein sehr produktives 2020. Ich lieferte bisher drei Alben ab. Mein Solo-Instrumentalalbum mit dem Titel «Seamless», die Scheibe zum 30. Jahrestag des Lynch Mob Werkes «Wicked Sensation» und «Pynch» von Lynch + Pilson. Das ist eine Ansammlung von Covers aus verschiedenen Genres und Jahrzehnten in unterschiedlichen Stilen gespielt.»

«Die letzten zehn Jahre waren meine produktivsten, fruchtbarsten und lohnendsten Momente. Klar habe ich mich dabei verändert, aber ich versuche immer dabei zu profitieren. Ich weiss, dass ich mich sehr glücklich schätzen kann, das zu tun, was ich tue und versuche es nie als selbstverständlich hinzunehmen!", sieht sich George glücklich in der Lage zu sein, noch immer als Gitarrist sein Geld zu verdienen. Zum Schluss lässt uns George noch in seine Zukunftspläne blicken: «Ich habe ziemlich viel in mein Studio investiert und werde weiterhin komponieren, aufnehmen und experimentieren. Dabei versuche ich in die Filmmusik einzusteigen und zu meinen Wurzeln zurück zu kehren. Ich möchte mehr Zeit damit verbringen, die Natur zu erforschen und von ihr zu lernen.»