Livereview: '77 - Sideburn - Worry Blast

27. August 2015, Pratteln – Mini-Z7
By Rockslave
Seit die oldschool AC/DC-Rocker aus Spanien in der Szene aufgetaucht sind, haben sie sich seit der Gründung 2006 sprichwörtlich den Arsch abgespielt. Im Gegensatz zu vielen anderen Combos, die sich eher im Fahrwasser von Airbourne oder Bullet befinden, hielten sich '77 bewusst an die Zeit von Bon Scott. In Windeseile sprach sich herum, dass Armand Valeta (v/g), LG Valeta (g), Raw (b) und Johnnie Dolphin (d) stets für schweisstreibende Shows standen und vor allem in kleinen Clubs voll zur Geltung kamen. Dies kam auch der Schweiz zugute, wo seit dem Erscheinen des Debüt-Albums «21st Century Rock» (2009) diverse Konzerte stattfanden und sich eine überschaubare, aber eingeschworene Fanbase bildete. Auch der zweite Longplayer «High Decibels» wandelte weitgehend auf den gleichen Pfaden und liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Spanier aus Barcelona nicht nur wegen der Herkunft eine heisse Nummer waren. Nach dem dritten Album «Maximum Rock n‘ Roll» (2013) brach das ursprüngliche Line-Up dann aber leider auseinander. Die beiden deutlich jüngeren Nachfolger Guillem Martinez (b) und Andy Cobo (d) haben sich inzwischen jedoch etabliert. Im Vorprogramm standen mit Sideburn und Worry Blast gleich zwei Schweizer Combos.

Worry Blast

Den Anfang machte eine mir bis anhin nicht bekannte junge Schweizer Band aus Martigny, sprich dem Kanton Wallis! Es gibt aus dieser Ecke der Schweiz also noch mehr als unter anderem Samael oder Dawnless. Das 2010 gegründete Quartett hat sich primär dem Aussie-Rock von Angus Young & Co. verschrieben und führt neben Krokus interessanterweise auch die Scorpions als Inspirationsquelle auf. Davon ist allerdings nichts unmittelbar zu hören, aber Worry Blast traten im Sommer in Sion als Support der deutschen Kult-Rocker und Gotthard auf. Des Weiteren war der Weg der Band bis dahin mit einigen Contests versehen und da man dabei Jury-Mitglieder wie auch das Publikum überzeugen konnte, ist der eingeschlagene Weg offenbar richtig. Da der Opener «Raised by Rock’n’Roll» weder auf der aktuellen ersten Langrille «Break Out >From Hell» (2013) noch der EP «We Ain’t Gonna Stop» zu finden ist, kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei wohl um einen neuen Song gehandelt hat. Frontmann Mat Petrucci legte sich nicht nur von der sleazigen Optik her voll ins Zeug. Allerdings gefiel mir der Sound schon bald besser als die Stimme an sich. Mat machte hier einen auf raues whiskeygetränktes Sanges-organ, aber das passte dann irgendwie nicht so zu seinem jugendlichen Alter. Musikalisch war es wie gesagt in Ordnung, wenn auch nicht wirklich prickelnd. Die technischen Fähigkeiten insgesamt, inklusive ein paar gute Soloeinlagen und Riffs von Leadgitarrist Allan Claret hievten das Niveau der ersten dreissig Konzertminuten des Abends immerhin mehrheitlich über das Durchschnittsniveau hinaus. Mich vermochten die Jungs unter dem Strich allerdings nicht abzuholen, da bis auf den letzten Song «Girl Like That» kaum was hängen blieb, und das, was mir beim eben genannten Schlusssong dann jedoch dennoch eine Weile im Gedächtnis verblieb, war die Ähnlichkeit zu W.A.S.P.‘s «I Don’t Need No Doctor» im Grundriff. Wie dem auch sei, den Innovationspreis gewinnen die Walliser mit ihren Sound nicht, aber für die nächste Scheibe konnte man sich die Dienste von Producer-Papst Dennis Ward (Pink Cream 69, Jaded Heart) sichern. Mit Sicherheit kein schlechtes Omen, doch ohne zündende Ideen beim Songwriting ist das noch längst kein Garant für erfolgreichere Zeiten!

Setliste: «Raised By Rock’n’Roll» - «Get Ready!» - «Break Out From Hell» - «Snakes» - «It Seems Like Rock’n’Roll» - «Girl Like That».


Sideburn
Die Sprache (Französisch) blieb bei der zweiten Band erhalten und der Stil der Musik weitestgehend auch, aber mit den Waadtländern Sideburn durfte ein Qualitätszuwachs erwartet werden. Dies war dann auch bald ersichtlich, wie zu hören. Die Jungs sind auch schon lange im Geschäft, auch wenn bei dieser Betrachtung vor allem Frontmann Roland Pierrehumbert und Drummer Lionel Blanc gemeint sind. Will heissen, dass die anderen Bandmembers in den vergangenen bald zwanzig Jahren (ohne den Vorläufer Genocide) einige Male gewechselt haben. Dem grundsoliden Rock’n’Roll Sound, der aufgrund der Stimmfarbe von Pierre am ehesten bei Rose Tattoo angesiedelt ist, konnte dies allerdings nicht gross was anhaben. Die bisherige Diskographie besticht durch Beständigkeit und eigentlich stetig steigender Qualität bei jeder neuen Scheibe. Warum dabei die hartnäckige Etikette der „ewigen Support-Band“ bis heute nicht entscheidend abgelegt werden konnte, gehört in die Abteilung der grossen Ungerechtigkeiten des grossen Haifisch-Beckens des Music-Business. Das alles hinderte Sideburn heute Abend freilich nicht daran, erneut eine schweisstreibende wie geile Rock’n’Roll-Show abzuliefern. Das jetzige Line-Up, zu dem mit Bassist Nick Thornton (Ex-Maeder) ein ehemaliger Bandkollege des heutigen Gotthard-Sängers Nic Maeder gehört, liess nichts anbrennen und präsentierte einen bunten Reigen des bisherigen Schaffens. Die Chose kam stets auf den Punkt und man merkte im Gegensatz zu den Vorgängern Worry Bast deutlich, wie sich jahrelange Bühnenerfahrung bemerkbar macht. Um das Konzert aufzulockern wie bereichern zugleich, profilierte sich Master Pierrehumbert ausserdem als versierter Mundhamonika-Spieler. Dazu kam, dass man einige Hits wie «Crocodile», Lazy Daisy oder das unverwüstliche «Gangster Lover» im Programm hatte. Damit holte man das Mini-Z7 Publikum locker ab und es entstand das gute Gefühl auf und vor der Bühne, dass man gerade am richtigen Ort war und einfach Spass an der Sache hatte. Nachdem die Show die 50-Minuten Marke überschritten hatte und es nicht danach aussah, dass Sideburn nächstens aufhören zu spielen, tauchten unvermittelt die beiden Valeta-Brüder an der rechten Seite der Bühne auf. Mit wiederholten Blicken auf die Uhr deuteten sie an, dass jetzt dann bald Schluss sein muss. Doch unsere Schweizer Rocker zogen ihren letztlich stündigen Set im Sinne eines “Special Guests” voll durch und brachten den Headliner dadurch offensichtlich in Rage. Wie dem auch sei, einmal mehr zeigte die Schweizer Vertretung von Angry Anderson und seiner Truppe wie gut sie eigentlich ist. Es wäre deshalb wirklich mal an der Zeit, dass dies auch entsprechend gewürdigt wird, aber wie heisst es doch treffend, dass der Prophet im eigenen Land nichts zählt.

Setliste: «Devil May Care» - «Knockin' At The Wrong Door» - «Crocodile» - «Slave To The Core» - «Lazy Daisy» - «Never Get Down» - «Cherry Red» - «Six Feet Under» - «Train / Black Powder» - «Gangster Lover» - «Live to Rock» - «Get That Way» - «Jail».


'77
Mag sein, dass der sichtliche Ärger über die „zu lange“ Spielzeit von Sideburn gerade richtig kam, aber die spanischen Aussie-Rocker brauchen in der Regel eh keine Aufwärmzeit, können den Schalter locker einfach umlegen und gleich ohne Verluste voll drauf losrocken. Da das Quartett mit der Affinität zu den alten AC/DC schon diverse Male in der Schweiz zu Gast war, dürften am heutigen Abend nicht wirklich viele Fans anwesend gewesen sein, die zuvor noch nie was von '77 gehört hatten. Mit ihren drei bisherigen Studioalben, siehe auch im Vorwort, konnte auf jeden Fall schon mal ein mächtiges Rock-Fundament gelegt werden, das nicht selten den Eindruck hinterliess, dass dies nun die Songs seien, die AC/DC nach dem Tod von Bon Scott (R.I.P.) nicht mehr haben schreiben können. Das sehen zwar nicht alle Leute so, zumal die ganz grossen Hits à la «Highway To Hell» nach wie vor fehlen. Trotzdem versteht das Brüder-Paar Valeta es bestens, ergreifende Songs in diesem Umfeld zu schreiben und diese vor allem auf der Bühne ekstatisch wieder zu geben. Diese Ehre gebührt ohne Zweifel Leadgitarrist LG Valeta, der jeden Quadratzentimeter der kleinen Mini-Z7 Bühne für sich beanspruchte und dabei zweifach aufpassen musste, nämlich dass er erstens nicht unsanft von der Bühne runter segelte oder einen seiner Kollegen, respektive Bruder Armand nicht über den Haufen rannte. Ebenso gefährdet war der junge Bassist Guillem Martinez. Letzterer wie auch Drummer Andy Cobo sind ja noch nicht so lange dabei und hatten zu Beginn mit Sicherheit einen schweren Stand, in die Fussstapfen ihrer Vorgänger zu treten. Mittlerweile ist der Welpenschutz aber weg und vor allem der schmächtige wie kleine Schlagwerker stellt seine Live-Qualitäten mit bemerkenswerter Power unter Beweis. Was im letzten Dezember als Support von Audrey Horne im Böröm in Oberentfelden noch nicht so homogen wirkte, kam jetzt absolut auf den Punkt. Einzig Guillem suchte immer wieder den Blickkontakt zu Armand und/oder LG und das so oft, dass man es nicht mehr übersehen konnte. Obwohl sein Spiel darunter nicht offensichtlich litt, drückte er auf diese Weise eine gewisse Unsicherheit aus, was sich mitunter auch mit ständigem „Haare-aus-dem-Gesicht-wischen“ manifestierte. Die Band präsentierte sich musikalisch, respektive im Ganzen gesehen aber arschtight und das übertrug sich entsprechend auf das Publikum. Die Setliste (wobei auf der Bühne nirgends eine zu sehen war!) deckte mit ziemlicher Sicherheit alle drei bisherigen Alben ab und vom kommenden vierten Album «Nothing’s Gonna Stop Us» (VÖ: 30.10.2015) wurde ebenso was zum Besten gegeben. Der bedeutungsschwangere Titel bringt ausserdem mit sich, dass sich der Sound der Spanier immer deutlicher erweitert, das heisst man ist etwas von den reinen AC/DC-Vibes abgerückt und lässt auch andere Sounds nebenher gewähren. So sind künftig zum Beispiel Swing-Elemente (!) zu hören, was zu Beginn vielleicht nicht jedermanns Sache ist. Nichtsdestotrotz kann das aber zum Erfolg gereichen, wenn man nicht stur in den Anfangstagen verharrt. Wie es bei den grossen Vorbildern diesbezüglich hätte heraus kommen können, also wenn Bon vor 35 Jahren (schon so lange? *sic*) nicht umgekommen wäre, lässt sich allerdings nur noch erahnen. Mal sehen und hören, wie der Weg von '77 weiter gehen wird.