Livereview: Angra - Geoff Tate's Operation Mindcrime - Halcyon Way - Ravenscry

14. April 2018, Pratteln – Z7
By Tinu
Mit den Brasilianern von Angra (und einem italienischen Sänger), Geoff Tate und seinem Ensemble sowie zwei Support-Bands sollten an diesem Samstagabend die Massen eigentlich in Scharen angezogen werden. Vielleicht kam es zu spät ans Tageslicht, dass Mister Tate das komplette «Operation: Mindcrime»-Werk von seiner alten Abend Queensrÿche spielen sollte, aber das Z7 und speziell die Bands hätten durchaus mehr Publikum verdient gehabt…

Ravenscry
Die italienischen Ravenscry eröffneten den Abend mit ihrem (sorry) austauschbaren Sound, denn mit zunehmender Spielzeit verstrickte sich der Fünfer in kaum interessanten Songs, die auch nicht durch die eigentlich tolle Stimme von Giulia Stefani spannender wurden. Logisch war die Shouterin eine sehr sympathische Performerin, die immer wieder versuchte, die Besucher auf ihre Seite zu ziehen. Aber am Ende des Konzertes blieb sehr wenig hängen, weder optisch noch musikalisch. Der Sound bewegte sich irgendwo zwischen alternativem Metal und traditionell angehauchten Elementen. Sicher ein musikalischer Farbtupfer neben Angra und Geoff Tate, aber leider keiner, der sich nachhaltig in den Gedankengängen der Konzertbesucher niederlegte. Eigentlich schade, denn die angesprochene sympathische Performance hätte auf mehr hingedeutet. So blieb aber nach dem letzten Ton nur der Gang nach draussen und die Vorfreude auf das, was noch kommen sollte.


Halcyon Way
Das waren zuerst die Amis von Halcyon Way. Die Jungs aus den Staaten um Sänger Steve Braun sitzen musikalisch irgendwo zwischen Stuhl und Bank. Auf der einen Seite überzeugen sie mit tollen Doppel-Leads wie kräftigen Riffs, und auf der anderen Seite versuchen sie mit Bassist Skyler Moore und seinen Growls einen sehr modernen Touch zu integrieren. Dieser regiert ab und zu auch bei den Sounds, was dem Ganzen sicherlich einen etwas anderen Anstrich verleiht, die Jungs aber auch ohne einen roten Faden erklingen lässt. Steve überzeugte mit tollen Screams und liess es sich selbst beim Singen nicht nehmen zu bangen. Der Bang-Faktor war bei den Jungs auf einem sehr hohen Level und mit Gitarrist Jon Bodan hat die Truppe einen optischen Hingucker, dank seines Iro-Haarschnitts. Ich gebe ehrlich zu, dass ich Halcyon Way auf die eine Seite sehr spannend finde, aber auf der anderen Seite gleichermassen langweilig. Auch wenn der Stimmungspegel im Z7 anstieg, selbst die Amis konnten die Euphorie nicht in die Höhe schiessen lassen. Jungs überlegt euch, welchen Sound ihr spielen wollt und glaubt mir, plötzlich wird das Interesse der Besucher um einiges grösser sein.


Geoff Tate's Operation Mindcrime
Mit einer runderneuerten Truppe stand der ehemalige Queensrÿche-Sänger Geoff Tate wenig später auf der Bühne. Mit den drei Gitarristen Scott Moughton, Kieran Robertson und Bruno Sa, der auch die Keyboardtasten drückte, sowie Bassist Jack Ross, Trommler Josh Watts und Geoffs Tochter Emily Tate als Sister Mary, hatte der Shouter eine sehr junge Truppe um sich geschart. Und diese Band besass verdammt viel Spielfreude in den Sitzbacken. Auch wenn sie musikalisch nicht an die Souveränität der Queensrÿche-Jungs heran reichten und weder die Rhythmus- noch die Saitenfront das Flair der Ur-Rÿcher auf die Bühne zauberte, es war ein wirklich tolles Konzerterlebnis. Dies lag auch an Geoff, der noch immer verdammt toll singt und durch seine theatralische Bühnenpräsenz den Songs noch mehr Leben einhauchte. Dass man nichts falsch macht, wenn man das komplette «Operation: Mindcrime»-Album spielt, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. So frassen die Fans Mister Tate von der ersten Sekunde an aus der Hand, sofern sie die Songs kannten… Es waren packende Momente, als «Speak», «Spreading The Disease», «The Needle Lies», «I Don't Believe In Love» oder «Eyes Of A Stranger» erklangen. Und als bei «Suite Sister Mary» noch Emily auf der Bühne erschien, gab es kaum mehr ein Halten in den lichten Reihen des Z7, zu diesem gesanglichen Duett. Ja, Mister Tate kann es noch immer, auch wenn man seinen neusten Studio-Ergüssen skeptisch gegenüber stehen kann. Aber er hat nun mal mit seiner alten Truppe Musikgeschichte geschrieben und sehr wahrscheinlich mit «Operation: Mindcrime» die Mutter aller Konzeptalben veröffentlicht und komponiert. Der tosende Applaus nach dem letzten Ton stellte jedenfalls sicher, dass Geoff an diesem Abend alles richtig gemacht hatte. Auch wenn gewisse Gesangsparts nicht mehr so erhaben erklingen wie früher, so ist er noch immer einer, der seine Schreie sehr klar und rein raus haut und dabei das ein oder andere verdutzte Gesicht zurück liess.

Setliste: «I Remember Now», «Anarchy-X», «Revolution Calling», «Operation: Mindcrime», «Speak», «Spreading The Disease», «The Mission», «Suite Sister Mary», «The Needle Lies», «Electric Requiem», «Breaking The Silence», «I Don't Believe In Love», «Waiting For 22», «My Empty Room», «Eyes Of A Stranger»


Angra
Konnten die Brasilianer nach dem Tate-Auftritt noch einen drauf legen? Die Grundvoraussetzungen dafür schienen schwierig, verliess doch mit Kiko Loureiro 50% des begnadeten Gitarrenduos das Schiff in Richtung Megadeth. Mit Marcello Barbosa wurde dafür ein für die Frauenwelt wahrer Hingucker und für die Männerfront ein sehr talentierter Gitarrist als Ersatz gefunden. Trotzdem fehlt dem Gitarrenduo Bittencourt/Barbosa das Flair, welches Bittencourt/Loureiro immer auszeichnete. Diese spielerische Note und dieses "wir bauen kurz einen kleinen Flamenco-Jam ein", kam an diesem Abend nicht mehr zum Tragen. Zudem hat die Truppe mit dem 27-jährigen Bruno Valverde einen Trommler in den Reihen, der zu den Besten gehört, die ich bis anhin sehen und hören durfte. Dass er das gleiche Alter wie das Bestehen von Angra hat, verkündete Raffael beim Vorstellen der Band mit den Worten: «…er wurde für Angra geboren!» Dass Fabio Lione das Mikrofon seit dem Ausstieg von Edu Falashi bedient, ist, wie es ist… Fabio, der Shouter von Rhapsody, besitzt mit seiner italienischen Art in meinen Augen zu viel Theatralik in seiner Stimme und der Performance. Da waren mir der Schalk von Edu und dem Ur-Shouter Andre Matos um einiges lieber. Allerdings muss man Fabio zugestehen, dass er seinen Job als Sänger mit viel Bravour meistert. Wie auch Rafael Bittencourt, der einmal mehr mit seiner Präsenz und seiner virtuosen Art der grosse Meister auf der Bühne war.

Musikalisch boten Angra eine guten Querschnitt aus ihrer musikalischen Schaffensphase, die mit schnellen Parts «Carry On/Nova Era», verspielten Elementen «Acid Rain» und ab und zu schon fast Dream Theater-liken Elementen zu gefallen wusste. Dabei kamen ruhigere Momente, wie bei «Rebirth», ebenso zum Tragen wie auch ein kurzes, aber extrem tolles Drumsolo. Das Zusammenspiel der beiden Gitarristen liess immer wieder aufhorchen, und wenn man ehrlich ist, trumpften Angra dermassen gross auf, dass sie zu Recht der Headliner dieses Abends waren. Die Dankbarkeit von Raffael ans Publikum und seiner Band kam vor der ersten Zugabe mit viel Emotionen und Ehrlichkeit rüber. Wieso aber genau eine solche Band wie Angra mit ihrem sympathischen Auftreten und dieser musikalischen Vielfalt und Virtuosität nie den grossen Durchbruch schaffte, bleibt wohl für immer und ewig ein Geheimnis. Einmal mehr hätte ein Konzertabend, zumal an einem Samstag, mehr Besucher verdient gehabt. Die, welche da waren bekamen aber mit den beiden letzten Bands verdammt viel Gutes und Interessantes geboten, und ich wünsche Angra auf ihrem Weg den Erfolg, den sie eigentlich schon lange geniessen sollten.

Setliste «Dr. Tyrell's Death (Intro)», «Nothing To Say», «Travelers Of Time», «Angels And Demons», «War Horns», «Acid Rain», «Final Light», «Drum Solo Bruno Valverde», «Insania», «Lisbon», «Magic Mirror» - «Rebirth», «Silent Lucidity (with Geoff Tate)», «Carry On/Nova Era»