Livereview: Back To Rock Festival 2009
04. - 05. September 2009, Reiden (LU)
By: Roger W. (rog), Nicole (nic), Kissi (kis),
«Gehört ihr auch zu denen im Schützenhaus? Seid ihr eine Gruppe, ein Turnverein oder so?», fragt uns eine alte Dame im Coop von Reiden, wo man neben ihr hauptsächlich schwarz gekleidete Menschen mit Bandshirts antrifft. «Nein nein!», erklären wir ihr freundlich, «auf dem Sportareal bei der Badi findet ein Rockfestival statt»... Wie es heisst? Back To Rock natürlich! Schon zum fünften Mal fand es dieses Jahr statt, das kleine aber feine Festival im Mittelland. Qualität statt Quantität, Gemütlichkeit statt «Wo Ist Walter?»-Spiele, das ist das Rezept der Festivalmacher, die neben den langsam traditionellen, leckeren Pizzas und dem für manche verheerenden Met natürlich auch anno 2009 wieder eine ganze Horde hochkarätiger Bands am Start hatten. Ob Einheimisches der Marke Appereance Of Nothing, Pertness oder The Order, kultiges wie Hellish War und Grailknights, German Thrash à la Hatred und Vendetta oder grössere Namen wie die Headliner Wizard und die «T.N.T.»-Interpreten Live Wire, für jeden Fan hochwertiger verzerrter Gitarrenmusik wurde etwas geboten, wobei die eine Band einen besseren, die andere einen schlechteren Tag erwischten, was nicht zuletzt auch mit dem Wetter zusammenhängen konnte.

Zog am Freitag Abend ein wütender Sturm über Reiden und versuchte unser Metal-Factory-Zelt mit sich zu reissen, zeigte sich Petrus am Samstag zwar von seiner sonnigen Seite, machte abends dann aber Väterchen Frost Platz und liess auch beinharte Metaller schlottern. Und dennoch: Mit massig Metal und guter, relaxter Stimmung feierten Metalheads aus der ganzen Schweiz das Wochenende über, testeten bei unseren Freunden von Rockstation ihr Musikwissen oder tranken mit uns einen Hörner-Spezi (Jägermeister mit Fanta - momentaner MF-Lieblingsdrink). Und so freut man sich schon kurz nach dem Festival auf nächstes Jahr nach dem Motto: «Back To Rock, hopefully back in 2010!» (kis)

Freitag 04.09.2009

„Na, wo ist denn unser Metal Factory-Stand? Und wieso ist unser lieber Cheffe Roxx und der Rock-Stationäre Rock’n’Rolla so angepisst?“ Die Fragen galt es am frühen Freitag Abend zu beantworten. Nach einer kurzen Nachfragen, wurde klar, dass die Schuld daran nicht etwa bei schlechten Bands oder einem unkooperativen, geizigen Back To Rock-Veranstalter lag, sondern beim Metal-Gott persönlich. Dieser wollte uns Jünger auf die Probe stellen und schickte seinen Propheten Wind zu uns hinab. Dieser fand unser Zelt und trug es gleich ein paar Meter weit. An einen Metal Factory- und Rockstation-Stand war danach nicht mehr zu denken. Angepisst ob soviel Strafe von oberster Betriebsleitung richteten unser Bullroxxe und Rock’n’Rolla ihre Stinkefinger in die Höhe und wurden bis am Samstagmorgen nicht mehr gesehen. Das Schreiberlinge Team freute sich ob der fehlenden Kontrolle der Gottesvertreter auf Erden und feierte mit Appearance of Nothing, The Order und Live Wire eine fette Party. Dass das Unwetter dann doch dem Metalfactorianer wohlgesinnt war, zeigte sich am Samstag, wo wir aufgrund des angerichteten Schadens zusammen mit unseren gesegneten Brüdern von Quam Libet Records das CD-Verkaufs-Monopol hatten. Tja, die Wege des Metal-Gottes sind unergründlich. (rog)

Appeareance Of Nothing
Feinster Progressiv Metal boten Appearance Of Nothing, die das diesjährige Back To Rock eröffneten. Sie spielten sich dabei mit einer solch Lockerheit in einen Rausch, dass man zuweilen das Gefühl bekam, dass es sich hier um einfach gestrickten Rock’n’roll handelt. Prog schien plötzlich gar nicht mehr so schwer zu spielen sein. Dazu trug auch bei, dass sich die zwei Gitarristen und der Bassist reichlich bewegten, sich zum Teil neckten und sichtlich Freude hatten, auf der Bühne zu stehen. Was Appearance Of Nothing aber definitiv abhebt von ähnlichen anderen Bands ist, dass sie mit Gitarrist Pat Gerber und Omar Cuna gleich zwei begnadete Sänger haben, die sich den Leadgesang aufteilten. Songs wie „Man In The Mirror“, „Wasted Time“ oder die 12 Minütige Zugabe „The Science Of Light“, sorgten für offene Münder und in den ersten zwei Reihen für heftiges Headbangen. Der Applaus nach 50 Minuten Spielzeit war deshalb mehr als verdient. Appearance Of Nothing bestätigten zudem den Ruf der Prog Bands, dass diese nicht allen gefallen. So waren dann die Meinungen im Publikum durchaus geteilt und reichten von totaler Ablehnung bis zur Begeisterung. Prog halt… (rog)

The Order
Etwas verspätet erschien nach dem recht starken Auftritt von Appereance of Nothing die zweite Schweizer Band des Back to Rock 2009, The Order. Und sogleich fiel auf, dass die Zuschauerschar deutlich gewachsen war im Vergleich zu den Progern. Es machte fast den Anschein, dass der ein- oder andere auf The Order gewartet hatte – zu Recht, darf ich hier sagen. Denn The Order präsentierten sich mit ihrer Mischung aus ¾ Hard Rock und ¼ Melodic Metal entspannt, gutgelaunt und äusserst spielfreudig. Obwohl die Soundeinstellungen zu Beginn des Auftritts recht schrecklich waren (wenigstens was den Gesang betraf), tat das der guten Stimmung keinen Abbruch. „Mama, I love Rock’n’Roll“ drückte volle Kanne durch die Boxen, bevor es mit „I want Satisfaction“ in eher stampfendem Gang weiterging. Mit „Sex, Drugs & Rock’n’Roll” kam denn auch ein Stück des neuen Albums Rockwolf zu ehren. Ein mutiger Entscheid wenn man bedenkt, dass Rockwolf zu der Zeit noch gar nicht veröffentlicht war. Das Publikum gab dem Quartett aber Recht und machte kräftig mit – die Mitklatschspielchen funktionierten makellos. Gitarrist Bruno Spring und Basser Andrej Abplanalp verzichteten darauf, ab und an die Plätze zu tauschen. Trotzdem blieb das Zuschauen jederzeit interessant, konnte man doch Springs unterschiedliche Mimiken studieren oder Andrej beim Grooven beobachten. Sänger Gianni Pontillos Bewegungsdrang sowie seine teilweise sehr humorvollen Ansagen rundeten die Szenerie schliesslich perfekt ab. Fazit: Ich freue mich schon jetzt darauf, The Order bald wieder live zu sehen! (nic)

Live Wire
Nach den noch relativ jungen Appereance Of Nothing und dem nicht minder neuen Rockwolf war dann die Zeit reif für eine massige Portion guter alter Rock-Hits in Schuljungen-Uniform. Mit unzähligen soliden und trinkfreudigen Auftritten hatten sich Live Wire aus dem Baselbiet in den letzten Jahren den Ruf als eine der besten Ac/DC-Coverbands unserer Breitengrade erackert. Einen Ruf, dem sie an diesem Abend mehr als gerecht wurden. Aktuell stieg man dabei mit «Rock'n'Roll Train» von «Black Ice», dem letzten Kracher der Aussies ein und schaffte es schon mit diesem Neu-Hit, das Back To Rock für sich zu begeistern. Verwundern kann das keinen, denn die Schweizer und die Schweizerin (geschlechtlich nicht ganz passend, dafür um so ansehnlicher ist bei Live Wire nämlich Bassistin Karin für die tiefen Töne zuständig) boten sowohl optisch als auch musikalisch die volle Ladung DC. Während abgefeierten Mitgröhl-Hymnen für die Ewigkeit wie «Back In Black», «Thunderstruck» oder «Shot Down In Flames» konnte dabei ein unerwartetes Phänomen beobachtet werden: Sänger Brian Johnson stahl dem immer runzelig werdenden Gitarrenhelden Angus Young die Show. Soll heissen: Während Cello seine Rolle in passender Form zwar souverän spielte (inklusive Strip zu «Bad Boy Boogie») und musikalisch nichts anbrennen liess, wirkte er im Vergleich zu der schieren Energie, die von Fronter Däny ausging, doch etwas verhalten. Dieser kann nämlich keinen anderen Vater haben, als Brian Johnson selbst. Körperlich zwar deutlich grösser, kreischte und krächzte, bewegte und grinste Däny, als hätte er dem Original die Stimmbänder rausgeschnitten und sich selbst eingepflanzt. So feierten diejenigen, welche den Weg durch den Sturm nach Reiden gefunden hatten wie Wilden, liessen ihren Kopf zu «Riff Raff» kreisen, gröhlten bei «If You Want Blood» aus voller Seele und klatschen zu «Hells Bells» brav mit. Da schienen auch niemandem die üblen Rückkopplungen oder der zeitweise doch sehr matschige Sound auf die Nerven zu gehen. Man kann darüber streiten, ob eine Cover-Band wirklich einen Headliner-Posten bei einem doch langsam schweizweit bekannten Festival innehaben sollte. Stimmung und Reaktion des Publikums jedoch sprechen für sich und für Live Wire. Und sind wir mal ehrlich: Wer kann schon widerstehen, nach ein, zwei, drei Bierchen bei einem Song wie «Whole Lotta Rosie» mit zu singen? (kis)
 
Samstag 05.09.2009

Tobende Winde, biblische Wassermassen, unmenschliche Temperaturen? Von alledem merkte man am Samstagmorgen, als man zurück aufs Festivalgelände kam nichts mehr. Einzig die eine oder andere schlammige Pfütze liess vermuten, welch apokalyptischer Sturm am Tag zuvor über Reiden und das Back To Rock gefegt war. Machte so der azzurblaue Himmel und der wohltuende Sonnenschein frühen Bands wie den Schweizern Maxxwell oder Pertness Konkurrenz, gabs mit den Hatred und Vendetta fränkische Thrash-Bomben, die mal mehr, mal weniger ins Schwarze trafen. Wer eher Bock auf klassischen Stahl hatte, der wurde von den kultigen Brasilianern Hellish War und deren Tourkumpanen Custard bedient, bevor die alteingesessenen Wizard das BTR 2009 unter eisigen Aussentemperaturen truer als true abschlossen. Das Highlight aber spielte vorher und hörte auf einen anderen Namen: Die Deutschen Grailknights bestachen sowohl optisch als auch musikalisch und werden wohl dafür verantwortlich gemacht werden müssen, wenn die Verkaufszahlen von eng anliegenden Spandex-Overalls in die Höhe schiessen... (kis)

Maxxwell
Man nehme ehemalige Musiker u.a. von Luke Gasser, Ancient Season, Crown of Glory oder Andy Portmann, vervollständige diese noch mit ein paar anderen Musikertalenten und voilà, Maxxwell ist da! Ob denn die Gründung wirklich so einfach war kann der Autor dieser Zeilen nicht sagen – aber auffallend ist ganz klar, dass die Band allesamt aus erfahrenen Musikern besteht. Darf man da auch einen vernünftigen Auftritt erwarten? Um es vorne weg zu nehmen, man darf. Anfangs wirkten die fünf Herren aus dem Grossraum Luzern zwar noch etwas verschlafen, doch schon ab Song Numero 2 kam mehr Bewegung in den Auftritt. Ein straighter Songbeginn mit Stakkatoriffs, das Ganze ziemlich bassbetont abgemischt, den rhythmischen Teil mit kurzen Proganleihen zum Schluss – so hört sich ein guter Song an! Doch auch mit schleppend-groovigen Stücken scheinen Maxxwell keine Probleme zu haben – sie drücken gut durch und mit prägnanten Gitarrenriffs werden zusätzlich Akzente gesetzt. Danach ging es mit einem klassischen Hard Rocker in bester Rock’n’Roll Manier weiter. Hier waren die Energie und die Spielfreude der Truppe deutlich spürbar. Mit „Black Widow“ entführte der Fünfer die leider etwas spärlich erschienenen Zuhörer in die weiten Metallgefilde, bevor er mit „Bad to the Bone“ in den klassischen Hard Rock à la Gotthard zurückkehrte. Alles in allem boten Maxxwell am Back To Rock einen sehr guten Auftritt. Einziger Wehrmutstropfen: Die Songs könnten noch etwas innovativer und somit spezieller werden, sodass sie besser im Ohr hängen bleiben. Ansonsten, tadellose Leistung! (nic)

Pertness
Die Berner Oberländer Pertness waren runter ins Wiggerland gekommen, um ihren urigen Folk-Powermetal am Back To Rock zu zelebrieren. Die Reise hatte sich definitiv gelohnt, wie der Publikumsaufmarsch bewies. Da hatten spätere Bands durchaus vor weniger dichten Reihen zu spielen. Ob nicht Kenner der Bands allerdings viel vom Titeltrack „Seven Seals Eternety“ mitbekommen haben, ist fraglich. Denn zu Beginn des Sets war der Gesang noch sehr übel eingestellt. Dies änderte sich aber zum Glück mit zunehmender Dauer, so dass Perlen wie „Religion ist Calling“ „Riders Of Heaven I + II“ und zwei brandneue Songs in einem würdigen Soundgewand genossen werden konnten. Die neuen Banger liessen Raum für Spekulationen über eine leicht veränderte Ausrichtung des im Winter erscheinenden Silberlings. Waren die bisherigen Songs von Pertness eine gelungene Mischung aus Grave Digger artigen True Metal, gemischt mit Power-Metal à la Blind Guardian und Folk in der Melange von Alestorm, kamen jetzt noch entscheidend bösere Elemente zum Zug. Man darf gespannt sein. Pertness dankten die guten Publikumsreaktionen mit viel Bewegungsfreude und bewiesen, dass mit ihnen auch Live zu rechnen ist. Das zufriedene Grinsen wollte denn auch nach dem Auftritt noch lange nicht verschwinden. (rog)

Hatred
Auf Schotten folgen die Franken. So jedenfalls die Reihenfolge am Nachmittag, als nach den (CH-)Kilt-Metallern von Pertness Hatred aus Schwaben die Thrash-Bombe platzen liessen. Kaum hatten die Süddeutschen dabei die Bühne betreten, herrschte auf den Brettern, die die Welt bedeuten das reinste, haarige Chaos. Allesamt des Fünfers bangten und bewegten sich was das Zeug hielt, sodass zwischenzeitlich mehr Haarschöpfe auf der Bühne in Bewegung waren als im noch nicht allzu vielzähligen Publikum. Als Beschallung kredenzte man dabei wie schon erwähnt schnörkellosen Trash mit reichlich Exodus-Einsprengseln. Dabei beeindruckte insbesondere Fronter Matze, der neben einer einwandfrei agressiven Shout-Leistung auch durch schweisstreibenden Körperansatz glänzte. Wenn man dann auch noch zwischen Songs wie «Ressurection» oder «Caught In The Pit» locker witzige Sprüche klopft und auf die sprachlichen Gemeinsamkeiten von Franken und Schwaben hinweist («Sagt mal alle: Scho!»), dann darf man gut und gerne als vorbildlicher Frontmann bezeichnet werden. Hat man zu allem hin dann auch noch so bärenstarke Thrash-Pfeile wie «Fractured By Fear», «We Are The Moshcrew» oder «Metal Massacre» im Köcher, so kann man sich sicher sein, dass nach dieser Show das eine oder andere T-Shirt bzw. Die eine oder andere Kopie ihres letzten Silberlings «Madhouse Symphonies» über die Merchstand-Theke geht. Thrash aus Franken mit Chaos-Faktor - davon will man mehr! (kis)

Hellish War
Eine wesentlich weitere Anreise als Hatred hatten Hellish War hinter sich. Zum ersten Mal überhaupt in ihrem Leben hatten die Brasilianer nur Tage zuvor ihren Kontinent verlassen, um die Botschaft des wahren Metals in die Welt zu tragen. Schnell stellte sich dabei während ihrer Show heraus, dass diese Mission alles andere, als zum Scheitern verurteilt war. Mit ihrer True Heavy Metal Mischung irgendwo zwischen Iron Maiden und Manowar konnten sie beim Schweizer Publikum durchaus punkten. Optisch (Denim And Leather!!!) wie auch musikalisch den guten alten 80ern verpflichtet, posten die fünf Südamerikaner um die Wette und feuerten dabei ebenso kultige wie klischeehafte Nummern mit wunderbaren Titeln wie etwa «Metal Forever», «Defenders Of Metal» oder «We Are Living For Metal» ab. Dass dabei der souveräne, wenn auch nicht Aufsehen erregende Sänger Roger Hammer aufgrund der Sprachbarriere nur wenig kommunizierte, die Nervosität erst mit der Zeit zu verschwinden schien und man auch insgesamt nicht mit dem irren Energielevel der fränkischen Vorgänger mithalten konnte wurde mit einem überraschend hohen technischen Level wettgemacht. Insbesondere Basser JR empfahl sich als junger Steve Harris, während die Klampfenfraktion es ihren Helden mit soliden zweistimmigen Gitarrenläufen und ausgedehnten Soli nachmachte. Mit «Ohohoh»'s und eingängigen Melodien konnte man dabei auch das Publikum für sich gewinnen und auch wenn Hellish War vor Klischees nur so triefen und sicherlich noch etwas Erfahrung sammeln müssen, so könnte das Quintett nach Sepultura, Soulfly und Angra die nächste Band aus Brasilien sein, die in Europa Fuss zu fassen mag. Zumindest Songs wie «Sons Of The King» oder «Die For Glory» wiesen dieses Potential deutlich auf. (kis)

Custard
Hinter dem Namen Custard verbirgt sich eine reinrassige Powermetaltruppe. Dies bewiesen die Deutschen bereits zu Beginn des Auftritts mit einer Highspeed-Powermetalnummer, die aber nicht sonderlich viel hergab. Danach folgte ein Stamper mit teilweise etwas schrägen Tönen und einer 0815-Melodie. Der Tempowechsel während des Gittarensolos liess aufhorchen, denn er war die erste unerwartete und somit interessante Wende des Auftritts. Die zweite Wende folgte, indem Sänger Olli Strasser sein Können demonstrierte. Egal, ob Growls, cleaner Gesang oder hohe Schreie – der Mann beherrschte sein Hand- oder besser gesagt sein Mundwerk. Nicht nur während der Songs, auch bei den Ansagen liess der quirlige Kleine sein Organ ertönen und versuchte, das Publikum mit humorvoll-sarkastischen Ansagen zu motivieren. So ganz ging dieser Plan allerdings nicht auf. Denn dummerweise war der Sänger auch das einzig Quirlig-Amüsante am Auftritt von Custard. Seine Bandkumpels liessen ihn kläglich im Stich wenn es darum ging, sich zu bewegen, mal zu bangen oder sonst wie Motivation und Spielfreude zu zeigen. Und auch der zwar gut gemachte, jedoch zu normale, schon zigmal gehörte Powermetal konnte da keine Abhilfe schaffen. Somit war es nicht weiter verwunderlich, dass sich das sowieso schon schlecht gefüllte Bühnenzelt im Verlaufe des Auftritts noch weiter leerte und sich die Zuschauer lieber anderen Genüssen hingaben. Schade für die Truppe, die doch immerhin aus Deutschland angereist war. Mit etwas mehr Spass und Spielfreude wäre da sicher einiges mehr gegangen. (nic)

Grailknights
Für mich das Highlight des Festivals waren eindeutig die deutschen Graljäger. Angekündigt als Melodic Death Metal Band, entpuppte sich der Sound als unberechenbare Mischung aus fast sämtlichen Spielarten des Heavy-Metals, wobei passend zu den Superman-artigen-Kostümen der Musiker immer wieder True-Metal durch blitzte. Das Motto war dabei „Es darf gelacht werden!“. Wobei der Auftritt von Sir Optimus Prime, Mac Death, Lord Lightbringer, Duke Drumington, Sovereign Storm auch anders auch ziemlich peinlich gewesen wäre. Als roter Faden diente die Jagd nach dem heiligen Gral. Dazu liefen zwei hässliche Komparsen namens Dr. Skull und Morph The Swarf mit einem überdimensionierten violetten Trinkgefäss über die Bühne und immer wieder durchs Publikum. Sir Optimus Prime rief in das gesegnete Mirkofon „habt ihr Durst?“ und zerrte das Bierfass kackende Pferd Zapf Beauty auf die Bühne. Bier für das Publikum war angesagt. „The White Raven“ sorgte mit seinem folkigen Schunkel-Metal für die passende Kneippenstimmung. Das musikalische Niveau war trotz des Klamauks auf erstaunlich hohem Niveau, drohte aber fast zur Nebensache zu werden. Wie man sich oft von deutschen Bands gewohnt ist, wurden auch die Ansagen immer wieder zu kleinen Höhepunkten, wenn die Band die nächsten Lieder verkündete oder die Geschichte weiterspannte. Während ein Teil der Besucher begeistert mitmoshte, bangte und sich auch mehrmals Circle-Pits bildeten, war das Getue für andere definitiv zu viel, und sie verzogen sich lieber an den Metalfactory-Stand oder ins Bierzelt. Ungläubige verpassten damit den siegreichen Kampf gegen den Riesen-Drachen Urks und die Eroberung des heiligen Grals. Die Grailknights demonstrierten eindrücklich, dass es im Heavy Metal durchaus noch Platz für Innovation gibt, sowohl was die Songs wie auch die Bühnenshow betrifft. Voraussetzung dazu ist einzig, dass man sich selber nicht zu ernst nimmt. Die Gralkrieger verpassten damit all denjenigen Bands eine lachende Ohrfeige, die sich nur stur an vorgefertigten Strukturen halten, und sich dabei wundern, wieso der Erfolg ausbleibt. Gut so! (rog)

Vendetta
Thrash aus Franken die Zweite. Vendetta kommen wie Hatred ebenfalls aus dieser Region Bayerns mit dem komischen Dialekt, sind aber schon ein wenig länger unterwegs. Seit 1987 nämlich macht der Fünfer die Bühnen unsicher und veröffentlichte damals, in den guten alten 80ern, mit «Go And Live... Stay And Die» und «Brain Damage» zwei starke, wenn auch nur mehr oder minder erfolgreiche Thrash-Scheibchen, bevor man darauf für 15 Jahre eine Pause einlegte bis 2007 das Comeback mit «Hate» Realität wurde. Doch genug der Vorinformationen, wie schlugen sich also die Dienstältesten des Back To Rock nach dem fantastischen und auch musikalisch überraschend überzeugenden Auftritt der Ganzkörperspandex-Metaller Grailknights? Die traurige aber ehrliche Antwort: enttäuschend! Ein Auge zugedrückt werden kann ja hin und wieder, wenn man, etwas in die Jahre gekommen, nicht mehr Bock auf das ganz heftige Moshen hat und man seine Nackenwirbel ein wenig schonen will. Wenn man aber, wie Vendetta, meist wenig Begeisterung ausstrahlend, wie ein Sandsack auf der Bühne steht, dann fragt man sich wirklich, warum man hier zuschauen sollte. Am agilsten und spielfreudigsten zeigt sich da noch der Neue in der Band, Klampfer Mario Hahn. Für die Ohren hingegen darf die metallische Vendetta als musikalischen Leckerbissen beschrieben werden: «Dead People Are Cool», das irrwitzige «You Want Hate... Call My Number» oder «Praise Insanity» sind Thrash-Walzen erster Güte, mal mehr, mal weniger vertrackt. Auch soundmässig können unsre nördlichen Nachbarn daneben nicht wirklich punkten, denn, wenn es die Gitarren dann mal schaffen, durch die Drum- und Basswand hindurch zukommen, dann sind diese so stark verzerrt, dass es nicht wirklich Spass macht. So ist es denn nicht verwunderlich, dass das Publikum zwar zahlreich (ob die kühlen Aussentemperaturen da mitwirkten?), selten aber am Abgehen ist. Lediglich als Sänger Mario Vogel, welcher übrigens gesanglich nicht wenig an Destructions Schmier erinnert, die Kamera auspackt, um den Moment festzuhalten, wachen die Anwesenden etwas auf, wenn auch nur für ein paar Minuten. Gegen Ende der Show wirken die langsam ergrauenden Jungs zwar etwas lockerer und amüsierter, doch retten kann man einen farblosen Auftritt nach über einer Stunde optischer Langeweile auch mit einer wirklich beeindruckend brutalen Version von Motörhead's «Overkill» nicht mehr. Denn auch die am Ende des Sets entstehende kleine Wall Of Death scheint weniger durch Vendetta, als den langsam auf beachtlichem Niveau stehenden Alkoholpegel des feierwütigen Publikums verursacht. Das soll der Co-Headliner gewesen sein? (kis)

Wizard
Der Headliner des Samstags hörte auf den Namen Wizard, kam aus Deutschland und spielte das, was unsere Nachbarn aus dem grossen Kanton am Besten können: Reinen deutschen Stahl. Dass die Zauberer dabei äusserst umsichtig vorgehen, wird nicht nur durch die eindrückliche Discographie von acht Alben bestätigt, sondern auch vom Publikum in Form von regem Aufmarsch bestätigt. Das motiviert natürlich, und so stand einem druckvollen Auftritt der Deutschen nichts mehr im Wege. Vor allem der Bassist Volker Leson und Sänger Sven D’Anna trieben die Meute vor der Bühne zu Höchstleistungen an, während sich die beiden Gitarristen Dano Boland und Michael Maas und der Trommler Sören van Heek auf ein sauberes Spielen mit gelegentlichem Lächeln beschränkten. Das Festzelt sang begeistert zu Hymnen wie „Thors Hammer“, „Hall Of Odin“ oder „Iron War“ mit. Was die Liedtitel dabei verschweigen ist, dass die Songs nicht etwa eintönig klingen, sondern geschickt sämtliche Grenzen des Genres ausloteten und so für reichlich Abwechslung sorgten. Klar waren Wizard deutlich ernster als die Grailknights und man wusste nun auch, welche Bands die Gralsjäger aufs Korn nehmen. Der Spass am schneidenden, kraftvollen Heavy Metal durchdrang aber auch hier jeden Augenblick des Auftritts. Das viel umjubelte finale „Defenders Of Metal“ machte denn auch nochmals klar, wieso es ein Festival wie das Back To Rock überhaupt gibt. Denn schliesslich haben wir alle ein kleines „Herz aus Stahl“. Und das soll mit feinsten Melodien und kraftvoll verzerrten Gitarren verwöhnt werden. (rog)


Danke an alle die das Metal Factory-Zelt besucht haben !!