Livereview: Baroness - Zatokrev- Wardhill

26. Juli 2012, Basel - Sommercasino
By Kissi
Ein Risiko ist es, im Sommer Konzerte zu organisieren. Macht man sie draussen, fürchtet man den Regen. Macht man sie drinnen, fürchtet man die Sonne. Feucht, das wird es sowieso, ob durch das Wasser von oben oder den Schweiss aus den Poren. Wenn denn auch wirklich Leute kommen. Mit letzterem Problem mussten die Veranstalter jedenfalls nicht kämpfen, als die amerikanischen Ausnahme-Metaller Baroness zusammen mit den Basler Lokalhelden Zatokrev und den Genfern Wardhill das Sommercasino am 26. Juli zum Kochen brachten. Schon bei der Ankunft erstaunte einen die Vielzahl der Menschen, die sich auf den Sitzgelegenheiten des Basler Kultschuppens die letzten Sonnenstrahlen des Tages reinzogen. Und als dann später Baroness das Publikum mit ihrem grandiosen Doppeldecker «Yellow & Green» im Gepäck in kollektive Ekstase rockten, interessierte sich dann auch niemand mehr für den Schweiss, ob er nun von einem selbst oder von seinem Nachbarn stammte.

Wardhill
Ob es wirklich ein Dürfen, oder doch eher ein Müssen ist, an einem wolkenlosen Sommertag um 19.30 Uhr in einem aufgewärmten Club einen Konzertabend zu eröffnen, das sei dahingestellt. Wardhill jedenfalls meisterten diese Aufgabe mehr als gekonnt. Das Trio aus Genf klatschte dem zugegeben noch beschaulichen Publikum ohne Mätzchen seinen Sludge Metal ins sowieso schon schwitzende Gesicht. Nicht zuletzt wegen dem grundlos kargen und hellen Bühnenlicht versprühte der Dreier um Basser und Brüller Julien zwar nicht gerade Rockstar-Flair, doch zumindest musikalisch gaben sie sich keine Blösse. Mal stonermässig rollend, dann wieder vertrackter, immer aber tight empfahlen sich Wardhill dem Basler Publikum als eine weitere Band aus der Romandie, die es in der Deutschschweiz erst noch zu entdecken gilt.



Zatokrev >>>
In Basel nicht mehr entdeckt werden müssen Zatokrev. Die Truppe um Front-Bestie Freddy Rotter gehört seit Jahren zur Speerspitze der Schweizer Extrem-Metal-Szene. Wie verdient dies ist, das zeigt das Quartett mit dem dieser Tage erschienenen neuen Machwerk «The Bat, The Weel And A Long Road...» ebenso wie mit ihren schweisstreibenden Live-Shows. Der Schweiss, der lief einem an diesem Abend zwar sowieso schon durch alle Ritze, doch steigerten Zatokrev den Feuchtigkeitsgrad im nunmehr ordentlich gefüllten Sommercasino noch einmal erheblich. Im Gleichklang propellerbangten die vier Jungs zu ihrem zähflüssigen Doom Sludge und das Publikum tat es ihnen gleich. Mit Inbrunst schrie sich derweil Rotter in seinen kurzen Hosen die Seele aus dem Leib, die lange Haarpracht im klitschnassen Gesicht und Bart klebend.


Baroness
Inbrunst, um dieses Wort kommt man auch nicht herum, will man beschreiben, was danach Baroness ablieferten. Heftige Riffs und Geschrei voller Kraft vorzutragen, das ist das eine, doch mit ebensolcher, wenn nicht sogar noch grösserer Power filigrane Epik darzubieten, das zeugt schon von echtem Können. Dabei war ich mir im Vorfeld alles andere als sicher, dass es Baroness schaffen würden, den hymnisch tiefgründigen Sound ihrer letzten beiden Scheiben «Blue Record» und «Yellow & Green» ohne Abstriche auf die Bühne zu transportieren. Doch schon nach dem als Intro verwendeten «Yellow Theme» konnte man sich aller Zweifeln befreien. Das treibende «A Horse Called Golgatha» zog das Publikum kollektiv in einen musikalischen Strudel, aus welchem es erst gut 80 Minuten später mit dem schwebenden Instrumental «Grad» und mit tropfenden Shirts und strapazierten Nackenwirbeln wieder auftauchte. Dabei verliess sich der Vierer vor allem auf die schon erwähnten neusten und gleichzeitig softeren Scheiben. Einzig gegen Schluss, mit «Isak» vom «Red Album» und dem harschen «The Sweetest Curse» packte man noch einmal die Sludge-Rammböcke aus. Ansonsten gab es erhebende Melodien en masse, von dem choralen «Steel that Sleeps the Eye» mit seinen Schrummel-Gitarren, über das ergreifend triste «Eula» bis zum leicht lounge-ige «Cocainium». Doch wie gesagt: Nie, wirklich nie fehlte dabei die Inbrunst. Noch so zierlich konnte der Gitarrenpart, noch so schön die Gesangslinie sein, die Jungs um das Gitarren/Gesang-Doppel John Baizley und Peter Adams präsentierten das Ganze voller Intensität, ja beinahe in Ekstase, ohne dabei die nötige Exaktheit vermissen zu lassen. Das stimmte einen auch irgendwie melancholisch, denn sowohl Band als auch Publikum zeigten sich dabei so euphorisch, dass man sich sicher sein konnte, Baroness bald in einer grösseren Location schauen gehen zu müssen und es überraschte nicht, dass sich nach dieser fulminanten Show mehr als eine Handvoll Leute dafür entschied, sich am nächsten Tag im Zürcher Dynamo die Wiederholung derselben zu Gemüte zu führen. Erneutes Schweissbad hin oder her.

Setlist Baroness: «Yellow Theme» (Intro) - «A Horse Called Golgatha» - «March to the Sea» - «Steel that Sleeps the Eye» - «Swollen and Halo» - «The Gnashing» - «Take my Bones away» - «Ogeechee Hymnal» - «Eula» - «Cocainium» - «The Line between» - «The sweetest Curse» - «Isak» ----- «Jake Leg» - «Grad»


Update: Wie vor Kurzem bekannt wurde, waren Baroness vor einigen Tagen in einen üblen Verkehrsunfall verwickelt. Ihr Tourbus stürzte in England von einem Viadukt 10 Meter in die Tiefe, wobei sowohl Crew als auch Band verletzt wurde. Fronter John Baizley etwa liegt mit gebrochenem linkem Arm und linkem Bein im Spital, genauso wie Drummer Allen Blickle und Basser Matt Maggioni, welche beide unter angebrochenen Rückenwirbeln leiden. Am schlimmsten erwischt hat es aber den Fahrer, welcher immer noch in kritischem Zustand ist. Dass alle anstehenden Gigs bis auf weiteres verschoben wurden versteht sich von selbst.