Livereview: Brienzersee Rockfestival 2015

07. - 09 August 2015, Brienz
Text & Pics by Oliver H.


Das Brienzersee Rockfestival (im Volksmund schlicht Rockfescht genannt) gehört wahrlich nicht zu den grössten und auch nicht zu den härtesten Festivals der Saison es ist aber mit Bestimmtheit eines der am Schönsten gelegenen. Am oberen Ende des Brienzersees steht das Festzelt mit direktem Seeanstoss, das zum Baden und auch im Schlechtwetterfall ca. 4000 BesucherInnen einen trockenen Platz garantiert. Der Regen sollte aber zumindest die ersten beiden Tage nicht das Problem sein, denn mit Temperaturen um die 30 Grad waren Bier und der eigene Schweiss, das Einzige in flüssiger Form. Für drei Tage RocknRoll steht beinahe ein ganzes Dorf im Einsatz, was dem Ganzen eine familiäre Note aufdrückt.


Maxxwell
Die Truppe aus Luzern betrat am Freitag um 19 Uhr die Bühne. Der Fünfer legte mit enormer Spielfreude los und schaffte es innert Kürze, mit ihrem rotzig rauen Hard Rock, die Zuschauer vom Seeufer in das Festzelt zu locken. Optisch sind die Herren eher unauffälliger Natur. Haare kurz, Jeans und T-Shirt fertig! Nur der neue Sänger Gilberto Meléndez stach mit seiner Glatze und kurzen Hosen aus der Band heraus. Er strahlte von Anfang an mit dem Publikum um die Wette, das vom Dialekt her geschätzt, an diesem Tag zu einem Grossteil sicher wegen Maxxwell angereist war. Gerade stimmlich und in Sachen Härte hat sich bei der Formation einiges getan. Meléndez singt mit Abwechslung aber immer mit dem Gefühl dafür, dass der Sound im Ohr hängen bleibt. Die typische Pose, das Mikrofon am Kabel in der Luft kreisen zu lassen, feierte die Menge euphorisch. Musikalisch top und immer in Bewegung. Fürs Publikum war der Auftritt von Maxxwell ein wahrer Genuss und beim Song Slapshot gab es kein Halten mehr. Hart, straight und dynamisch. So traten die Innerschweizer im Berner Oberland auf. Mit ihrem Album Tabula Rasa von 2014 haben sie sich endgültig der härteren Gangart verschrieben, die aber dennoch mit fetten Riffs melodiös geblieben und mitsingbar ist. Dies haben sie auch am Brienzer Rockfest sehr eindrucksvoll gezeigt und müssen mittlerweile den Vergleich mit internationalen Topacts keineswegs mehr scheuen.

Setliste: «Partykings» «Fuck It!» «Nothing Changes» «Boogie Man» «No Pain No Gain» «Out Of Contro»l «Gone Forever» «Run Or Hide» «Trails Of Hate» «Heads Or Tails» «Slapshot» «Dead End Street» «Man Of Steel» «Black Widow» «Outlaw» «Cause Im Lovin It» «Take Me Away» «The Devil Walks»

H.E.A.T.
Die Rocker aus dem hohen Norden traten sehr energiegeladen und überzeugend auf. Die noch ziemlich junge Band tat alles, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Besonders jüngere weibliche Fans füllten nun die vordersten Plätze am Gitter aus. Sänger Erik Grönwall spukte und tanzte wie ein Derwisch auf der Bühne rum und auch Gitarrist Eric Rivers stampfte beim Refrain jeweils so laut mit dem Fuss auf, dass man im Fotograben um den Boden fürchten musste. Während eineinhalb Stunden zeigten die Schweden ohne zu schwächeln was sie können und überzeugten musikalisch auf ganzer Linie. Grönwall stoppte wohl mit diesem Auftritt auch den letzten Zweifler, der den wenig rühmlichen Werdegang des Sängers kennt. Bekannt wurde er nämlich 2009 als Schmuserocker und Gewinner in der Castingshow Swedish Idol. Nachdem der ehemalige Frontmann Kenny Leckremo im Jahr 2010 H.E.A.T. verlassen hatte, kam Erik Grönwall als neuer Mann am Mikro zur Band. Das diese Tatsache dem einen oder anderen hartgesottenen Freund der Rockmusik grauste, ist mehr als nur verständlich. Für die wenigen Balladen konnte Grönwall von seinem alten Image Gebrauch machen und allein mit Gitarre ein Liebeslied anstimmen. Unter frenetischem Applaus verliess die Band schliesslich um 22:30 Uhr die Bühne. Sehr publikumsnah zeigten sich die Schweden auch nach ihrem Gig, als sie alle geschlossen im Publikum standen und mit Bier und guter Laune, Foto- und Autogrammanfragen bewältigten.

Thunder
Als Headliner des ersten Abends standen dann um 23:00 Uhr die Altrocker von Thunder auf dem Programm. Abgeklärt und sichtlich professionell zeigten die Briten, was sie in fast dreissig Jahren Bühnenerfahrung gelernt und mit zehn Studioalben geleistet haben. Der perfekte Auftritt der Band und Danny Bowes klare Stimme sorgte im Publikum für Begeisterung. Thunder spielen harten Rock mit Einflüssen von Led Zeppelin, The Who, Deep Purple und den zeitlosen Genies, den Beatles. Die Mischung aus fetzigem RocknRoll, Blues oder sogar Soul liess das Festzelt in Brienz erbeben und die Massen tanzen. Die alternden Herren sorgten mit musikalischen Überraschungen und einer gezielten Showeinlage von Gitarrist Luke Morley beim eher älteren Publikum für Furore. Die wenigsten der jungen BesucherInnen, kannten auf meine Nachfrage hin, die Band Thunder noch. Dies ist eigentlich nicht weiter erstaunlich, da sie ihre grössten Erfolge mit dem Album Laughing on Judgement Day in 1992 feierten. Nichts desto trotz, liessen sie es sich nicht nehmen, einer legendären Band beizuwohnen und beim einen oder anderen Song mit zu wippen. Auffälligstes äusseres Merkmal der Londoner waren sicherlich die kurzen Haare. Allesamt haben sie die wilden Mähnen mit einem mehr oder weniger adretten Kurzhaarschnitt getauscht. Mit Dirty Love beendeten sie schliesslich um halb eins in der Nacht ihren Auftritt am See. Zum Schluss standen nun noch die Jungs von Crystal Ball auf dem Programm.

Setliste: «Wonder Days» «River Of Pain» «Black Water» «Resurrection Day» «Broken» «The Devil Made Me Do It» «Backstreet Symphony» « Ill Be Waiting» «The Thing I Want» «When The Music Played» «Love Walked In» «I Love You More Than RocknRoll» «Low Life In High Places» «Higher Ground» «Dirty Love»

Crystal Ball
Die Schweizer Hard Rock/Metal Combo Crystal Ball durfte den ersten Festivaltag beenden. Nach einem langen und heissen Tag, zogen die Schweizer um 01:00 Uhr nochmals alle Register. Das schon etwas mitgenommene Publikum kam dennoch wieder in Schwung und liess sich zumindest in den vorderen Reihen gehörig mitreissen. Die ersten drei Songs folgten nahezu nahtlos aneinander und heizten die Stimmung so richtig auf. Frontmann Steven Mageney, lässig mit Fliegerbrille und Lederhose, war die Freude anzusehen und er spielte regelrecht mit dem Publikum. Den Fuss locker auf dem Monitor platziert, suchte er immer wieder Blickkontakt mit den weiblichen Fans der ersten Reihe. Die restlichen Bandmitglieder bearbeiteten ihre Instrumente nach aller Art der Kunst und schüttelten dazu ihre Metal Mähnen, die an diesem Tag doch klar in der Unterzahl lagen. Nach Stranded, etwa zur Hälfte des Konzerts, wurden vier Standtoms auf die Bühne gebracht und in einer Reihe aufgestellt. Unter der Führung von Drummer Marcel Sardella gaben alle fünf Bandmitglieder ein Schlagzeugsolo der Extraklasse, das auch lichttechnisch eine gelungene Abwechslung darstellte. Im Anschluss setzte das Quintett nochmals unbändige Energien frei und brachte den Raum erneut zum Kochen. Mit Liferider und Paradise folgte ein powergeladenes Schlussbouquet bevor es nach einer kurzen Pause mit zwei Zugaben in die Schlussrunde ging. Um 02:30 Uhr verstummten dann auch ihre Verstärker und im Anschluss standen auch Crystal Ball, schweissgebadet und gut gelaunt den Fans noch für kurze Zeit ganz nahe zur Verfügung.

Setliste: «Balls Of Steel» «Hellvetia» «Mayday! » «He Came To Change The World» «Hold Your Flag» «Rock Of Life» «Dance With The Devil» «The Brothers Were Right» «Stranded Floor» «Toms» «Break Of Dawn» «Gods Of Rock» «Back For Good» «LifeRider» «Paradise» «Powerflight» «Anyone Can Be A Hero»


The Quireboys
Samstag, pünktlich um 7o clock, war es time for a party! Die Quireboys, die nun doch schon eine ganze Weile im Musikbusiness dabei sind, betraten selbstsicher und motiviert die Bretter des Brienzer Rockfestivals. Sänger und Mastermind Jonathan Spike Gray begrüsste das Publikum persönlich mit einem Drink in der Hand, bevor es dann auch musikalisch zur Sache ging. Der typische Quireboys-Sound, bestehend aus RhythmnBlues beeinflusstem Hard Rock zog Scharen ins Festzelt und liess die Menge innert kurzer Zeit tanzen. Unter vielen BesucherInnen galt die Band bereits im Vorfeld als Geheimfavorit. Für mich war der Auftritt der Quireboys ebenfalls lang ersehnt, da ich die Truppe zuletzt als Vorband für GunsnRoses auf ihrer Use your Illusion-Tour 1993 live gesehen hatte, bevor die Band in der aufsteigenden Grunge-Welle unterging. Der Auftritt in Brienz hatte bestimmt ein paar Zuschauer weniger als noch vor zwanzig Jahren aber er war bestimmt doppelt so gut! Die Show der Londoner war herausragend und musikalisch auf höchstem Niveau. Immer wild, immer laut und dennoch angenehm in den Ohren, dröhnte der Sound über eineinhalb Stunden über das Publikum hinweg. Klassiker reihte sich an Klassiker und die Zeit verging wie im Flug. Die Reise in die 90er Jahre endete schliesslich mit dem legendären Hit Sex Party. Was der eine oder andere Besucher mit dieser Aufforderung anfing sei dahingestellt und entzieht sich meiner Kenntnis. Für mich waren die Quireboys die geheimen Headliner mit dem besten Auftritt des Festivals.

Setliste: «Too Much» «Misled» «There She Goes Again» «Roses & Rings» «This Is RocknRoll» «Whippin Boy» «I Dont Love You Anymore» «Tramps & Thieves» «Hey You» «Searching» «Beautiful Curse» «7O Clock» «Sweet Mary Ann» «Black Mariah» «Sex Party»

Magnum
Der Beginn von Magnum stand nicht unter einem guten Stern. Beinahe eine Stunde später, anstatt der geplanten 30 Minuten Unterbruch, betrat der Ansager die Bühne mit dem Spruch, dass bei den älteren Herren wohl alles ein wenig länger dauert. Trotz der Verspätung blieben die Magnum Anhänger in den vorderen Reihen ruhig, bis Sänger und Mitbegründer Bob Catley die Bühne betrat. Da gab es für sie kein Halten mehr. Die äussere Erscheinung dieses Mannes, eine Mischung aus Hobbit und Fuchur dem Glücksdrachen (nicht böse gemeint) haben mich zu Beginn ein wenig schmunzeln lassen und ich habe ehrlich gesagt nicht sehr viel erwartet. Dann aber diese Stimmgewalt! Mit bald 68 Jahren besitzt Catley noch eine Stimme von der manche Jungmusiker nur träumen können. Magnum hatten sichtlich Spass und spielten vermehrt mit dem Publikum. Je mehr Titel die Herren gespielt hatten umso besser kamen sie in Fahrt. Musikalische Arrangements und die grossartige technische Qualität der Band liessen Vergleiche mit Queen oder Meat Loaf in mir aufkommen. Wenn man bedenkt, dass Magnum seit 1972 unterwegs sind dann ziehe ich meinen Hut! Catley und seine Mitstreiter powerten sich so richtig aus und bliesen schweren Hard Rock durchs Festzelt am Brienzersee. Gegen Ende des Konzerts ging aber den Zuschauern ein wenig die Puste aus und es wollte nicht mehr ganz so viel Stimmung aufkommen, da sich die Fangemeinde doch auch schon im fortgeschrittenen Alter befindet. Der Sound der Briten ist aber keineswegs in Vergessenheit geraten und ans Aufhören denken Magnum noch lange nicht. Bob Catley hat zum Schluss angekündigt, dass sie nächstes Jahr wieder in die Schweiz kommen wollen im Gepäck das neue Album.

Setliste: «Live Til You Die» «Freedom Day» «Dance Of The Black Tattoo» «Blood Red Laughter» «Unwritten Sacrifice» «Jerusalem» «Les Morts Dansant» «Falling For The Big Plan» «All Englands Eyes» «Vigilante» «Kingdom Of Madness» «The Spirit» «Sacred Hour»

Dies waren die härteren Highlights des diesjährigen Brienzersee Rockfestivals. Der Sonntag stand dann ganz im Zeichen des Mundart Rock mit Span und Polo Hofer und heftigem Regen. Diese Urgesteine haben sicherlich ganz schön Party gemacht, passen aber definitiv nicht in einen Livebericht von Metal Factory. Die Rockbands der letzten Tage haben die Stimmung dermassen angeheizt, dass eine Abkühlung mehr als nötig und bei einigen BesucherInnen sicher auch willkommen war. Die Organisatoren können mit dem Anlass wirklich voll zufrieden sein und planen sicherlich bereits am Programm des 29. Brienzersee Rockfestivals. Wir sehen und hören uns im nächsten Jahr, wenn es wieder heisst: Heisser Rock, am kühlen See!