Livereview: Dream Theater
4. Februar Festhalle Rüeggerholz, Frauenfeld
By Rockslave
Wenn die Könige zum Tanz bitten, dann kommen die Fans natürlich in Scharen angereist, auch von weit her, was unschwer an den vielen ausländischen Nummernschildern auf den Parkplätzen beobachtet werden konnte. Schauspiel für das diesjährige Schweizer Gastspiel der amerikanischen Prog Kult-Metaller war die Festhalle Rüegerholz in Frauenfeld. Diese Location war mir bisher nicht bekannt, was natürlich immer eine gewisse Spannung und Erwartungshaltung mit sich bringt. Die Fahrt in die Ost-Schweiz dauerte so seine Zeit, aber einmal angekommen, war dies alles vergessen, zumal man vor Ort gleich einige Kollegen und sonst ein paar bekannte Gesichter antraf. Da es schweinekalt war, sorgte bei vielen Fans eine heisse Bratwurst oder Cervelat vor dem Eintritt in die Halle für wohltuende Abhilfe und stillte gleichzeitig den kleinen Hunger. Gestärkt begehrte man darauf um Einlass und konnte sich auf einen Mega-Event der Sonderklasse freuen.

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Dass Dream Theater gelegentlich gut und gerne drei Stunden oder noch mehr spielen, ist ja mittlerweile nichts Neues, aber dieses Mal war die Länge des Konzertes schon zum Voraus bekannt! Drei Stunden ohne Vorband mit einer Pause von fünfzehn Minuten dazwischen sollten es sein. Und, um es gleich vorweg zu nehmen: Es war wirklich so! Punkt 19.30 Uhr startete die Show mit einem längeren Intro, das mit Video-Bildern von den drei grossen aufgehängten Bühnen-Monitoren untermalt wurde. Der Bühnenaufbau sah eigentlich eher karg aus und wurde hauptsächlich durch das opulente Schlagzeug von Mike Portnoy dominiert. Auf der linken Seite, leicht erhöht, stand das Keyboard von Tastenflitzer Jordan Rudess und der Rest waren die Effekt-Geräte von John Myung (b) und John Petrucci (g). Keine Spur von aufwändigen Dekors und sonstigen Spielereien. Was zählt, ist die Musik und diese wird in der edelsten Form zelebriert! Als Opener wurde "As I am", das erste Stück des neuen Album's "Train of thought" gewählt. Dabei ging es gleich ziemlich hart zur Sache und auch der zweite (neue) Track "This dying soul" kam ziemlich brachial daher. Der Sound war zu Beginn etwas matschig und undifferenziert. Das änderte sich aber laufend und spürbar bis hin zu einem Mix, der einen glatt umhaute. Die recht hohe Halle mit der massiven Giebelkonstruktion aus Holz und den darin anwesenden etwa knapp 3000 Fans geriet immer mehr aus dem Häuschen. Als Saitenhexer Petrucci bei "Hollow years" erstmals zu einem dreamtheater04a.jpg (31476 Byte)ausgedehnteren Solo Anlauf nahm, blieben abermals eine Horde frustrierter Gitarristen und Hobby-Musiker unter dem Publikum zurück, die zu sehen und vor allem zu hören bekamen, was möglich wäre, wenn man es nur könnte. James LaBrie schien auch einen guten Tag erwischt zu haben, denn seine Vocals klangen sowas von klar und kraftvoll (genial: "Under a glass of moon"), dass es eine wahre Freude war. Die geschickt eingesetzten Bühnenkameras, die zum Beispiel die Arbeitsplätze von Rudess und Portnoy perfekt von oben gesehen auf die drei Monitoren brachten, vermittelten ein grandioses Bild des Könnens dieser Ausnahme-Truppe. Im Gegensatz zu anderen Konzerten dieser Tour verzichtete man in Frauenfeld auf ein Drum-Solo, was erstens ein Gewinn und zweitens auch gar nicht unbedingt nötig war, weil durch die Kamera laufend raumfüllende Bilder des filigranen Schlagzeug-Spiels vermittelt wurden. Nach dem amtlichen Gebretter folgten aber auch leisere Töne, die genau so überzeugen konnten. "Trial of tears", das auf das erste Key-Solo von Jordan Rudess folgte, beendete den ersten Part des Konzertes nach etwa gut achtzig Minuten. Während an dieser Stelle schon unzählige Konzerte zu Ende gewesen sind, respektive wären, konnte man sich nochmals auf mindestens die gleiche Dauer einstellen und freuen!
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Es fühlte sich schon ein wenig komisch an, als das Licht das erste Mal anging und niemand die Halle verliess. Auf den Punkt eine Viertelstunde später, die eine runterzählende Uhr auf dem mittleren Monitor begleitet hatte, begann der zweite Teil des Abends mit "Metropolis Part. 1". Sekunden später verwandelte sich die Halle wieder in einen Hexenkessel, dass einen glatt das Blut in den Adern einfror. Diese Stimmung..., einfach unbeschreiblich geil! Unterstützt durch dezentes, aber sehr effektvoll eingesetztes Licht nahm die Show seinen Fortgang. Es gibt wohl kaum eine andere Band in dieser Sparte, die den Spagat zwischen brachialer Härte und wunderbaren Melodien derart auf den Punkt bringt. Die jetzige Besetzung scheint mir ohnehin die bisher Beste zu sein. Derek Sherinian, der Vorgänger von Jordan Rudess, ist ja ohne Zweifel auch ein Meister seines Fachs, aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die Band jetzt noch mehr zur Einheit gewachsen ist. Das Level der Musikalität ist dermassen hoch, dass daneben praktisch alles abfällt. Beim Improvisations-Teil zu "Beyond this life" jagten sich Petrucci und Rudess gegenseitig wie gemeinsam durch haarsträubende Solo-Orgien hindurch, die auch auf der Stufe Blast Speed keinen einzigen Aussetzer, geschweige denn einen einzigen Spielfehler hervorbrachten. Die Leichtigkeit dieses Spiels ist schlicht umwerfend und begeisterte das Publikum vollends. "Finally free" setzte dann erstmals den vorläufigen Schlusspunkt, aber ein Blick auf die Uhr deutete noch mindestens eine Zugabe an, die in Form von "In the name of God" auch prompt folgte. Damit wurde schliesslich der verbleibende, respektive noch fehlende der insgesamt sieben Tracks des neuen Albums live vorgestellt. Als die Band unter frenetischem Jubel die Bühne um 22.35 Uhr endgültig verliess, war eines der besten Konzerte, das ich in den letzten fast 25 Jahren überhaupt gesehen hatte, leider schon Geschichte. Allen, die diesem Event ebenfalls beigewohnt haben, wird dieses Hammer-Konzert mit Sicherheit noch lange Zeit in sehr guter Erinnerung bleiben!

Set-Liste: "As I am", "This dying soul", "Under a glass moon", "Hollow years (w/ extended Guitar Solo)", "War inside my head (w/ altered Intro)", "The test that stumped them all", "Endless sacrifice", "Honor thy father", "Keyboard Solo", "Trial of tears" - Pause 15 Min. - "Metropolis Part 1", "Caught in a Web (w/ Zappa breakdown)", "Only a matter of time", "Beyond this life (w/ extended Improv Section)", "Through her eyes", "Vacant", "Stream of consciousness", "Finally free", "In the name of God".