Livereview: Evile - Warbringer - The Fading
16. Februar 2010, Bad Bonn Düdingen (FR)
By André G.
Bis Mitte des letzten Jahres lief für die englischen Thrasher von Evile alles absolut perfekt. Touren im Vorprogramm von den ganz Grossen des Sektors, super Kritiken für die Longplayer... Dann geschah das Unfassbare: Basser Mike erkrankte schwer und verstarb. Die Tour, auf der sie sich gerade befanden, wurde abgebrochen, aber die Band entschloss sich, im Sinne von Mike zu handeln und die Band weiter am Leben zu erhalten. Jetzt haben sie sich auf die Tour zum neuen, viel gelobten Album „Infected Nations“ aufgemacht. Da Thrash Metal gerade ziemlich angesagt ist, haben sie sich gleich noch eine relativ junge Combo aus der gleichen musikalischen Ecke in den Tourtross geholt: Warbringer aus Amiland haben auch sehr gute Kritiken für ihre Alben eingeheimst und sich auf diversen Touren mit Grössen wie Exodus, Nile oder auch Napalm Death einen positiven Ruf erspielt. Metalheads, die sich auch für die etwas metalmässig unbeschriebeneren Fleckchen auf unserem Planeten interessieren, denen ist sicher auch schon aufgefallen, dass aus dem heiligen Land Israel so einige unheilige Klänge in den Rest der Welt erschallen. Mit The Fading haben wir als Opener gerade so eine Gruppe: Sie haben letztes Jahr ihr Debut veröffentlicht. Die Jungs haben sich dem Melodic/Death Metal der Göteborger Spielart verschrieben, was einen interessanten Einstieg in den Abend versprach.

The Fading

Alle Combos des Abends, aber insbesondere die Israeliten von The Fading, mussten vor nicht allzu zahlreichen Fans aufspielen. Am Eintrittspreis von 25 Kröten kann es nicht gelegen haben, denn das waren die 3 Acts allemal wert. Vielleicht war es die Kälte oder es lag daran, dass es ein Dienstag war, keine Ahnung. Aber von dieser Tatsache liessen sich die Jungs nicht entmutigen und stiegen richtig fett ins Set ein. Die Band harmonierte sehr gut miteinander und spielte tight und auf den Punkt, dass es eine wahre Freude war. Auch der Sound im Bad Bonn war wirklich gut und kam wuchtig rüber. Die Israelis boten guten Melodic/Death Metal der Marke Götheborg mit leichtem Thrash-Einschlag. Die Songs waren allesamt sehr abwechslungsreich und boten von knallharten Double Base-Salven über ruhige, melodiöse Passagen bis hin zu eher schleppendem, schwerem Riffgewitter alles, was es brauchte. Der Sänger hatte mit seiner charismatischen Art und mit seiner tiefen, kraftvollen Stimme gleich voll zu überzeugen gewusst. Er suchte auch von Beginn weg die Konversation mit dem Publikum und lockte es an den Bühnenrand. Die Gitarrenfraktion erfreute die Zuschauer immer wieder mit kurzen, knackigen Soli und geilen Läufen. Die Band hatte, wie die zwei anderen nach ihnen, mit dem sehr begrenzten Platzangebot auf der Stage zu kämpfen. Da war nicht viel mit Bewegung, aber dafür liessen sie die Matten Kreisen und fliegen, dass man Angst haben musste, sie würden demnächst abheben. Ihr Auftritt ist mit den Worten groovig und tightes In-die-Fresse-Gedonner meiner Meinung nach am besten beschrieben. Welche Band ausser The Fading kann schon von sich behaupten, zweimal auf dem legendären Wacken-Festival gerockt zu haben, aber erst jetzt auf ihrer ersten Tour überhaupt unterwegs zu sein? Wohl keine. Respekt vor der Leistung, die sie im Bad Bonn gezeigt haben, und ich bin mir sicher, da kommt noch einiges auf uns zu.

Warbringer
An zweiter Stelle im Billing waren die Jungthrasher aus Ventura, einem sonnigen Vorort von Los Angeles, gesetzt. Auch bei ihnen ein ähnliches Bild, was die Zuschauerzahl betraf: Ein paar mehr Zuschauer waren anwesend, aber nicht so, dass es eng wurde vor der Bühne. Nichtsdestotrotz erklommen die Jungs nach kurzer Umbaupause die Bretter, die die Welt bedeuten, und jagten die ersten Thrash-Riffs in die Gehörgänge der Anwesenden. Ihr Sound war deutlich rauer als der ihrer Vorgänger und klarer Old School-Thrash Metal, ganz im Sinne der alten Bay Area-Helden der ersten Stunde. Voll auf die Zwölf und ja keine Gefangenen machen lautete die Devise. Zu Beginn wirkten die Musiker etwas arrogant, aber das legte sich ziemlich schnell und sie wechselten die starren Mienen zu grinsenden und gut gelaunten Gesichtern. Einzig Sänger John Kevill bot seinen gewohnten Psycho-Blick und fixierte die Headbanger in den ersten Reihen, als ob er sie zum Nachtisch verdrücken möchte. Gitarrist John Laux begab sich des öfteren für seine Soloeinlagen von der Bühne runter in die Zuschauer und rockte dort die Meute. Sehr zur Freude der Fans, die voll einstiegen und um ihn herum bangten und ihre Hände in Richtung Decke streckten. Auch hier fehlte halt die Bewegungsfreiheit. Sänger John stieg öfters mal auf die Monitore, aber er merkte immer, dass es eine ziemlich wackelige Angelegenheit war, denn diese standen nur auf Getränkeharassen, was einen Sturz zur Folge hätte haben können. Gegen Ende eines Songs hielt Nic Ritter, seines Zeichens King hinter der Schiessbude, plötzlich den einen Arm des Drumkits in seinen Händen. Das Material hatte unter den wuchtigen Schlägen nachgegeben und musste ersetzt werden, aber die kurze Pause überbrückte die Band mit Witzeleien und Spässen. Aber nach dem Break ging es mit absoluter Wucht weiter im Set. Die Kalifornier konnten dank zwei CDs, die auf dem Markt sind, aus einem guten Repertoire schöpfen und boten von beiden Silberlingen eine Auswahl, die zu gefallen wusste. Wer bei dieser Band auch wirklich mit Können begeistern konnte, waren die beiden Cracks an den Sechssaitern, Adam Carol und John Laux. Speziell bei den Soli gab es immer ein Wechselspiel, sie warfen sich sozusagen die Soli immer zu, damit der andere sie weiterführen konnte. Von Adam Carol war ich echt begeistert, die Geschwindigkeit, mit der seine Finger über den Gitarrenhals flitzten, war wirklich beeindruckend. Keine Frage, die Amis haben voll zu überzeugen gewusst und machten Laune, abzufeiern und die Haare zum Fliegen zu bringen. Man fühlte sich so richtig schön durch eine Zeitmaschine 25 Jahre zurück in die Vergangenheit katapultiert.

Evile
Neben den vielen sinnvollen wie auch sinnlosen Reunions in den letzten Jahren schiessen auch viele junge Combos, die sich dem Retro-Thrash Metal verschrieben haben wie Pilze aus dem Boden. Einige sind nicht wirklich erwähnenswert, andere haben gute Ansätze und dann sind noch die englischen Recken von Evile. Die haben auf ihren zwei Tonträgern „Into The Grave“ und „Infected Nations“ schon eindrucksvoll ihr Können unter Beweis gestellt. „Infected Nations“ wurde auf den Markt gebracht und mit Lorbeeren überschüttet. Sie haben auf dem neuen Album die starke Metallica-Schlagseite etwas mehr in den Hintergrund geschoben und einfach guten, abwechslungsreichen Thrash Metal eingespielt. Auf der aktuellen Tour wollen sie das neue Album auch live präsentieren. Die Jungs haben ein paar Wochen vor Tourbeginn einen neuen Mann am Tieftöner gefunden und unverzüglich mit dem Einstudieren und aufeinander Einspielen begonnen. Die Tour war gebucht, also wurde die Zeit knapp. Es hat leider nur für 11 Songs gereicht. Dementsprechend fiel ihr Set etwas kurz aus. Aber wie sagt man so schön? In der Kürze liegt die Würze! Das war so. Die Band trat geschlossen als Einheit auf, der Raum war auch gut gefüllt und die Headbanger stiegen gleich mit der Band ein. Der Sound der Musiker aus dem United Kingdom war abwechslungsreich und sehr rifflastig aufgebaut. Die Gitarren jagten Brett um Brett durch die Boxen und wurden in ihrem Vorhaben, die Gehörgänge zum Kochen zu bringen, von der Rhythmussektion insbesondere vom Tier hinter den Kesseln, Ben Carter genannt, hart und präzise unterstützt. Der Sound war extrem wuchtig, wie eigentlich bei allen Bands des Abends, und erfreute die Nacken aller Anwesenden. In ihren Stücken boten sie immer eine Mischung zwischen High Speed-Geballer und ruhigeren Melodielines. Gerade die Drums legten manchmal echtes Sprinttempo an den Tag, wobei aber die Kraft nie nachliess. Von der Song-Auswahl her kamen natürlich einige der neuen Tracks zum Zug, aber immer wurde zwischendrin ein alter ‚Klassiker’ präsentiert, das Ende des Hauptsets wurde mit „Into The Grave“ eingeläutet. Leider lichteten sich gegen Ende hin die Zuschauerreihen immer mehr. Was aber einfach auch am Rauchverbot liegen könnte, das nun auch den fribourgischen Teil der Schweiz erreicht hatte. Die Jungs bedankten sich bei den Besuchern und versprachen, nächstes Jahr wieder zu kommen. Eins war nach dem Auftritt klar: Die Schweiz gehörte nun auch zu den „Infected Nations“!