Livereview: Gamma Ray - Secret Sphere
29. April 2011, Pratteln - Z7
By Roger W.
Vorfreude überall! Denn Gamma Ray-Schlagzeuger Daniel Zimmermann scheint derart von den Live-DVD-Aufnahmen von Freedom Call begeistert zu sein, dass nun auch die Ray’s ihr Live-Filmchen hier im Z7 drehten. Erstere hört auf den wohl klingenden Namen „Live in Hellvetia“ und erscheint in diesen Tagen. Gamma Ray wiederum stellten die vier Shows unter dem Banner von „Skeleton and Majestic“. Bei diesem Namen werden wohl einige stutzig. Und genau, bereits 2003 hörte ein Live-Album der Hamburger auf den Namen „Skeleton In The Kloset“. Und wie dazumal, spielte auch heuer die Band ein etwas spezielles Set. Wobei es diesmal wirklich ganz besonders war. Dafür garantierten auch die Fans, welche über die Homepage im Vorfeld Vorschläge machen konnten. Bevor nun aber rare Perlen im vollen Lichter- und Soundglanz erstrahlen durften, musste sich das Publikum mit den mässig famosen Italienern Secret Sphere abgeben.

Secret Sphere

Bei allem Respekt vor der Ausdauer, welche die Powermetaller seit 2001 an den Tag legen: So was wie an diesem Abend geht nicht! Denn Secret Sphere gehören genau zu der grossen gesichtslosen Masse an Power Metal-Bands, welche spielerisch perfekt ihren 0815-Metal an den Mann bringen wollen. Die einzige Chance, sich dabei von der Konkurrenz abzuheben, wäre eine Energie geladene Show gewesen. Aber Motivation? Fehlanzeige! Bewegung? Nicht im Geringsten! Feuer in den Augen und Knochen? Nicht vorhanden! Einbezug des Publikums in die „Show“? Ganz selten! Kitschige Chöre ab Band? Bingo! Umso erstaunlicher mutet es an, dass die Band während des Konzerts verkündet, bereits zum vierten oder fünften Mal im Z7 zu spielen. Was hatten Secret Sphere bei diesen Auftritten gelernt? Nichts! Klar machen sich beim Schreiberling langsam Abnützungs-erscheinungen bemerkbar. Mit regelmässigen Konzertbesuchern wird man automatisch zum Feinschmecker, es sei denn man ist eine „Alles Gutfinder“ (gäll, Rockslave). Trotzdem war ich beispielsweise von sämtlichen Vorgruppen der Apokalyptischen Reiter zwei Wochen vorher hell begeistert, und dies obwohl ich deren Metal-Genres eigenlich nicht mal höre. Lange Rede, kurzer Sinn: Secret Sphere werden in dieser Form keine Zukunft haben und waren der berühmte Griff ins Kloh. Wer die Band um den barfüssigen Sänger trotzdem mochte - schön. Ich zumindest hoffe, künftig von solchem Zeugs verschont zu bleiben.


Gamma Ray
Wie man es richtig macht, bewiesen danach Gamma Ray. Und so reiste der Metalfans mit Lichtgeschwindigkeit in ein anderes Heavy Metal Universum, auch wenn man gerade auf diesen Song (Heavy Metal Universe) heute vergeblich warten musste. Dafür starteten Gamma Ray nach einem spassigen Intro mit „Anywhere In The Galaxy“ vom Powerplant-Album. Soundtechnisch gaben sie mit diesem Speed-Metal-Song gleich mal Vollgas, während Sänger Kai Hansen und vor allem Bassist Dirk Schlächter eher nervös und zurückhaltend wirkten. Gerade Schlächter schien noch keine Freude zu haben. Hansen löste das Rätsel um den Bassisten dann auch bei einer der ersten Ansagen gleich auf. „Dirk hat die Grippe.“ So die einfache Erklärung, die er aufgrund der DVD-Aufnahmen mehrheitlich auf Englisch und nicht auf Deutsch von sich gab. „Men, Martians And Machines“ und „The Spirit“ sorgten aber bald dafür, dass nicht nur Hansen auftaute, und so spätestens nach „Wings Of Destiny“ neben Dauergrinser Henjo Richter auch die anderen beiden strahlten. Das Publikum stand dem in nichts nach und feierte die selten live gehörten Perlen wie grosse Hits ab. Klar hatte es darunter auch Lieder, die nicht wirklich zum Besten der Gamma Strahlen gehören. Die Frische, mit der die Band die Lieder spielte, machte diesen Umstand aber mehr als wett. Nur mit Bass und durch Gast-Keyboard begleitet, intonierte Hansen die Ballade „Farewell“. Diese ging durch Mark und Bein und dürfte wohl künftig öfters im Set auftauchen. Genauso wie das göttliche und etwas schräge „Gamma Ray“. Dabei handelt es sich zwar um den namensgebenden Song, das Lied selber stammt aber von den deutschen Krautrockern Birth Control.

Das Publikum ging steil. Da passte es, dass nun mit “Money” eine ebenfalls extrem progressive, innovative, unglaublich spassige Nummer gezockt wurde. Fasnachtsstimmung war angesagt, was die Band zum Schluss mit Konfetti und Schokoladen-Zwei-Fränkler unterstrich, die sie ins Publikum warf. Die Fans wurden definitiv in Ektase versetzt. Aber auch hier wussten die Ray’s noch einen draufzusetzen. „Time To Break Free“ hiessen die nächsten Takte. Wer das „Land Of The Free“-Album kennt weiss, dass dieses Lied von einem gewissen Herrn Kiske eingesungen wurde. Und genau dieser legendäre Ex-Helloween-Sänger betrat nun die Bühne und trällerte, als hätte es die letzten 20 schwierigen Jahre nie gegeben. Das Publikum rieb sich zuerst die Ohren, dann die Augen, und kniff sich dann gegenseitig um sicher zu gehen, dass das Erlebte kein Traum war. Nach diesem himmlischen Erlebnis war erst mal lustige Pausenmusik angesagt, in der man sich ausreichend erholen konnte. Die nächste Überraschung wartete aber bereits auf den Fan. Der Bandklassiker „Rebellion In Dreamland“ spielten die Rays heute in einer mitreissenden Akustik-Version. Wer aber dachte, dass sich Hansen für diese Nummer von seiner Flying-V-Gitarren-Form verabschiedete, irrte. Denn die Akustik-Klampfe war in eben dieser Form. Ein wenig schneller ging es bei „Send Me A Sign“ zu und her. Dieser war jetzt kein Power-Metal mehr, sondern eher eine lockere Swing-Rockabilly-Nummer. Für den nächsten Übergang wählten die Ray‘s das mächtige Intro „Induction“ von No World Order, gefolgt vom Raser „Daethrone Tyranny“. Wie unbekümmert die Hamburger in den frühen Jahren komponierten bewies nach „Watcher In The Sky“ das wiederum abgefahrene „Hold Your Ground“. Tja, und irgendwie dachte man sich so langsam, was denn der Kiske hinter der Bühne während dem des Konzerts so treibt. Nun wissen wir es: Er übte den Text für die Powerplant-Ballade „A While In Dreamland“. Leider schien er doch noch nicht so gut vorbereitet, so dass das Goldkehlchen das Textblatt gleich mit auf die Bühne brachte. „Das brauchst du nicht“, kommentierte Hansen. Worauf ein lustiger Kampf um die Texte entstand, während die beiden Zweistimmig die Fans in andere Sphären katapultierten. „Es brauchte ziemlich viel, um Kiske mit uns auf die Bühne zu bringen“, lachte Hansen, und streckte dabei Kiske einen Schokoladen-Zweifränkler hin zu.

Abermals fragten sich die Fans, wie die Ray‘s dies noch toppen sollten. Und wiederum konnten sie es. Die Sleaze-Metal-Nummer „Brothers“ bewies, wie viele Hits die Band neben ihren Klassikern besitzt und wie vielfältig die Kompositionen sind. „We are not only here to Metal, we are here to rock“, komentierte ein stahlender Kai Hansen. Danach war erst mal Schluss und die Band verzog sich hinter die Bühne. Nach kurzer Pause kamen die Mannen zurück. Hansen verbeugte sich und konnte die Begeisterung kaum fassen, welche ihm galt. Und genau das war es, was den Auftritt so einmalig machte: Dieses Wechselspiel zwischen Band und Fans, gespickt mit ein paar Raritäten für die Die-Hard-Fans. Zum grandiosen „Insurrection“ konnten sich die Fans nun wieder ein wenig beruhigen. Dann war Kürbiszeit angesagt: „Gorgar“ vom ersten Helloween-Album definierte den rauen Sound der Anfangstage und wurde auch damals von Hansen gesungen. Ein Album später definierten die Kürbisköpfe mit Keeper Of The Seven Keys ein ganzes Genres. Michael Kiske wurde zur Blaupause und intonierte auch heute den Schlusspunkt „Future World“. Fazit: Freut euch auf die DVD. Denn dieser historische Moment musste für die Metalwelt eingefangen werden. Wer da war, wird wohl noch lange von diesem Abend schwärmen.

Playlist Gamma Ray: Anywhere In The Galaxy (Powerplant), Men, Martians And Machines (Somewhere Out In Space), The Spirit (Sign No More), Wings Of Destiny (Powerplant), Farewell (Land Of The Free), Gamma Ray (Insanity And Genius), Money (Heading For Tomorrow), Time To Break Free (Land Of The Free), Rebellion In Dreamland (Land Of The Free), Send Me A Sign (Powerplant), Induction (No Word Order), Deathrone Tyranny (No World Order), Watcher In The Sky (Somewhere Out In Space), Hold Your Ground (Heading For Tomorrow), A While In Dreamland (Powerplant), Rise (To The Metal), Brothers (Insanity And Genius), Insurrection (Land Of The Free II), Gorgar (Walls Of Jericho), Future World (Keeper Of The Seven Keys)