Livereview:
House Of Lords - Sandalinas - Tommy Denander & Vic Heart
12. Februar 2012, Pratteln - Galery
By Rockslave
Die amerikanische Hardrock Band, die Ende der 80er aus Giuffria heraus entstand, hat seit damals bis zur Gegenwart nur eine Konstante und die heisst James Christian (v). Der Rest des Lineups trug im Verlauf der Jahre Namen wie Chuck Wright (b), Ken Mary (d) und auch Tommy Aldridge (d). Am Anfang produziert von Kiss Schlabberzunge Gene Simmons, tummelte man sich tatsächlich in den Top 100 der US-Billboard-Charts. Weitere der frühen Alben wurden von einer Vielzahl an bekannten Musikerkollegen unterstützt, darunter auch Paul Stanley (Kiss), Doug Aldrich (Ex-Lion, Ex-Dio, Whitesnake) und eben auch Fiona Flanagan. Dies war anfangs der 90er und 1992 war dann erst mal Schluss. Die Reunion zehn Jahre später, begleitet von ein paar Konzerten in den Staaten, war nur von kurzer Dauer und eigentlich beginnt der zweite Teil der Geschichte von House Of Lords mit dem Jahr 2006, als James Christian alle Songrechte erwerben konnte, ein Deal mit Frontiers Records abgeschlossen wurde und seither fünf starke Alben erschienen sind. Weil Christian letzten Herbst die Diagnose Prostata Krebs erhielt, musste die Tour verschoben werden. Als Support war eigentlich Fiona vorgesehen, die jetzt zwar auch dabei war, aber nur als Special Guest und mit zwei ihrer neuen Songs. Als zusätzlicher Gast schloss sich AOR-Ikone Tommy Denander dem Tross an und stellte mit dem Schweden Vic Heart einen talentierten Jüngling vor. Schliesslich wartete mit Sandalinas eine weitere Überraschung auf, wenn auch eine ziemlich ernüchternde!

Tommy Denander / Vic Heart

Dass es überhaupt Support-Acts an diesem Abend zu sehen und hören gab, war zunächst gar nicht selbstverständlich, denn die über Chef Roxx weiter geleitete Nachfrage beim Veranstalter und entsprechende Einträge bei Facebook vermittelten ein anderes Bild! Es hiess kurz und knapp: keine Support-Band(s)! Gegen 19.30 Uhr in der Galery angekommen, lärmte es allerdings schon ordentlich und meine verdutzten bis halb aufgerissenen Augen erspähten Fiona auf der Bühne, die gerade ihren Soundcheck abhielt. Ich hielt kurz inne und hoffte schwer, dass ich jetzt nicht gerade was verpasst hatte. Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! So um 21.00 Uhr herum betraten Tommy und Vic die Bühne und die meisten Leute fragten sich dann wohl, was denn jetzt kommen möge. Vic trug eine Akustik-Gitarre und Tommy kam mit seiner E-Guitar daher. Letzteren erkannte ich zuerst gar nicht und so fragte ich mich dann, wer denn wohl dieser sichtlich beleibte Mann sein möge. Wie dem auch sei, spielten die zwei also alleine auf und Vic Heart empfahl sich dabei als toller Sänger. Nach knapp einer Viertelstunde war die Einleitung auch schon wieder vorbei! Das Ganze war denn auch eher als Appetizer gedacht und konnte als Aufwärmrunde für die beiden anstehenden Akustik-Sessions (zusammen mit Fiona!) aufgefasst werden. Obwohl der Härtegrad des Gezeigten auf sehr kleinem Feuer rangierte, vermochte das Opener-Duo das Publikum zu erfreuen. Wenn man sich allerdings vor Augen hätte führen können, was "der Dicke" da alles schon in seiner Karriere abgeliefert hat, wäre man vor Ehrfurcht auf die Knie gegangen. Der Gitarrist und Producer ist nämlich ein absolutes AOR-Ass und hat neben eigenen Bands wie Radioactive, AOR oder Sayit auf nicht weniger als 500 Scheiben (!) mitgewirkt, unter anderem dem HOL-Album «Cartesian Dreams» von 2009. Somit schloss sich der Kreis, warum er in diesem Package mit dabei war. Mit ein paar töften Soli deutete der Maestro immerhin mal an, was noch in ihm stecken würde.

Sandalinas
Als kurz darauf die nächsten Musiker die Bühne enterten, war ziemlich schnell klar, dass das House Of Lords, sondern der offizielle Toursupport Sandalinas waren! Und nun war meine Verwirrung in Sachen Information und Kommunikation an diesem Tag, respektive Abend perfekt! Der inzwischen sehr gut bevölkerten Galery konnte das jedoch noch so recht sein, dass man für sein Eintrittsgeld mehr Musik geboten bekam. Gitarrist wie Namensgeber und in dem Fall Mainman Jordi Sandalinas brachte allerdings ein verändertes Lineup mit, denn am Schlagzeug sass ziemlich sicher nicht Alvaro Svanerö und auch am Bass schien nicht Mats Rendlert zu spielen. Dazu kam ein zusätzlicher Rhythmus-Gitarrist, der auf den ersten Blick wie der Kollege von Jordi's Soloauftritten mit der Akustik-Gitarre zu sein schien. Auf dem Papier ist Seńor Sandalinas in seiner Heimat Spanien kein Unbekannter und hat schon einige Erfolge einfahren können. Dazu kommt auch die Mitarbeit von Szene-Grössen wie Andy LaRocque (King Diamond), der das Debüt «Living On The Edge» von 2005 produzierte und Chris Caffery (Ex-Savatage, TSO) sowie Derek Sherinian (Ex-Dream Theater, Black Country Communion), die dann alle zusammen auf dem Nachfolgealbum «Fly To The Sun» (2008) mitwirkten. Das klingt soweit alles gut, aber keine Ahnung, was der liebe Jordi an diesem Abend intus hatte oder auch nicht, doch ich stand direkt vor ihm und hörte von Anfang an, was der für einen Quark zusammen spielte! Sowas Mieses hatte ich ehrlich gesagt schon lange nicht mehr gehört und darum bin ich jetzt in der Nachlese extrem erstaunt, was der Spanier eigentlich für einen Leistungsausweis hat. Davon hörte das Pratteler Publikum heute Abend kaum was und wäre da nicht der alte Haudegen Rick Altzi von At Vance und der mir leider nicht bekannte Drummer gewesen (der exzellent aufspielte!), würde gar nichts zu Buche stehen! Die Songs an sich wären nicht mal schlecht gewesen und dann und wann klang es mal (mit vom Band eingespielten Keyboards) nach alten Whitesnake oder Dio mit einem powermetallischen Überzug. Die Ballade «As The Rain Falls» oder auch der geile Rocker «No Matter What» liessen zumindest erahnen, dass die Band es eigentlich schon drauf hat. Doch sobald Jordi Sandalinas anfing zu solieren, sank das Niveau merklich und es klang wirklich dilettantisch! Dazu muss (hinten weg) ein grottenschlechter wie leider an dieser Stelle bekannter "Galery-Sound" geherrscht haben, und darum passte die Reaktion von Z7-Boss Norbert bestens ins Gesamtbild, als dieser nach etwa 40 Minuten Spielzeit zur Bühne hin ging und dem etwas verdutzten Rick Altzi das allseits bekannte "mach zackig Schluss Junge" Zeichen (ausgestreckte Hand quer zwischen Kinn und Gurgel durch) machte. Wenn man sich aber die Musik von Sandalinas auf jeden Fall auf Tonkonserve anhört, ja anhören muss, dann hat sich die Vorband heute Abend in der Schweiz ziemlich schlecht verkauft. Ein Auftritt zum Vergessen und die Bestätigung dazu sollte der Headliner schon bald abliefern!

Setliste: «All Along The Everglades» - «Double Cross» - «If It Wasn't For You» - «The Wrong Side Of Me» - «As The Rain Falls» - «Shadows In The Rain» - «Ring Of Fire» - «No Matter What» - «Living On The Edge».

House Of Lords
Was lange währt, wird bekanntlich gut und nachdem die Hartwurst-Szene im letzten Herbst mit der betrüblichen Nachricht von James Christian's Krebserkrankung das Schlimmste wegbeten musste, ist erfreulicherweise wieder Land in Sicht! Obwohl im Gesicht noch deutlich von der Behandlung gezeichnet, schien James guten Mutes und nahm gleich mal 'ne Halbliter-Pulle Rotwein inklusive Glas mit auf die Bühne. Meine Wenigkeit und ein gewisser Thomas Wildi freuten sich derweil nicht nur auf den Special Guest Fiona Flanagan, denn für mich stand die Konzertpremiere von House Of Lords an! Den Vorgänger Giuffra kannte ich von früher, aber das war es dann auch gleich wieder, und die Nachfolge-Band war ebenso kaum im CD-Player vertreten. Erst Frontiers Records mit deren offensivem Verhalten in Sachen Signing von neuen wie altgedienten Bands aus der Melodic- und Hardrock-Ecke brachten 2006 die Truppe mit «World Upside Down» wieder ins Bewusstsein zurück. Alles was danach kam, bis hin zum letztjährigen Langeisen «Big Money», brachte besten Genre-Stoff hervor und kann keinesfalls stiefmütterlich behandelt oder gar ignoriert werden. Die aktuelle Lineup mit James Christian (v), Jimi Bell (g) , BJ Zampa (d) und "Neuzugang" Chris McCarvill (b) gehört mit Sicherheit zu einer der bisher stärksten Formationen in der ganzen Bandgeschichte. Dass dem wirklich so ist, war schon nach dem knackigen Opener «Sahara» klar und in der Folge zündeten die Amis ein wahres Hardrock-Feuer vom Feinsten, das keinerlei Wünsche offen liess. Dazu trug ein wesentlich besserer Sound als zuvor bei und den Rest besorgten geile Songs, die von einer total aufeinander abgestimmten Band mit viel Schmackes und Spielfreude pur vorgetragen wurden. Der Gesang von James war stets kraftvoll wie leidenschaftlich und die Instrumental-Abteilung, allen voran Gitarrist Jimi Bell, liess den zuvor an gleicher Stelle ziemlich ungelenk agierenden Kollegen steinalt aussehen. Der Linkshänder gehört zu der Sorte von Gitarristen, die keinen Rhythmus-Sidekick brauchen, um die Soundlöcher zu füllen. Untermauert wird das Ganze durch die taffe Rhythmusmaschine BJ Zampa, der vom jüngsten Bandmember Chris McCarvill die nötigen Bässe kriegt. Immer wieder nippte James an seinem Weinglas rum, was vornehmlich als "Schmierung der Stimmbänder" verbucht werden konnte.

Etwa in der Mitte des regulären Sets war es dann soweit, als der angetraute Ehemann von Robin Beck (die ja unlängst am «Rock Meets Classic» in Sursee und Zürich ihre Visitenkarte hinterliess) deren beste Freundin ankündigte: Fiona Flanagan! Sie hatte im letzten Herbst nach satten 20 Jahren Pause mit «Unbroken» eine neue, tolle Scheibe heraus gebracht, die produktionstechnisch, Ihr ahnt es, aus der Feder von James Christian stammte. Darum lag es nahe, dass Fiona einen kurzen Gastauftritt einschieben konnte. Viel lieber hätten wir sie natürlich als vollwertigen Support-Act gesehen, aber das war heuer halt nicht vorgesehen. Sie war jedoch beim HOL-Tross mit dabei, weil sie ja zusammen mit dem Duo Denander/Heart (siehe oben) noch zwei Akustik-Sets vor sich hatte. Und dann kam sie (zusammen mit Tommy Denander, der anstelle von Jimi Bell spielte), eine Frau von mittlerweile auch schon 50 Jahren, die aber locker zehn Jahre jünger aussah. Als erster Song kam der Opener «Loved Along The Way», der sich bekanntlich wie eine alte Schote von Aldo Nova anhört. Fiona konnte hierzu ihre prägnante Stimme nicht ganz entfalten, respektive man hatte das Gefühl, dass sie ein kleinwenig auf der Bremse stand. Für meine Begriffe waren aber ihre wohl noch "kalten Stimmbänder" dafür verantwortlich, denn «Shadows Of The Night» hörte sich bereits einen Tick besser an. So kurz der Auftritt auch war, der Kultfaktor für meinen Kollegen Tom und mich konnte grösser nicht sein! Fiona live..., und das erst noch hier in der Schweiz, hätte ich mir angesichts der bisherigen Geschichte nie erträumen können. Was sie beim im letzten Herbst geführten Skype-Interview darüber hinaus alles zu sagen hatte, wird Euch nicht vorenthalten und demnächst bei Metal Factory nach zu lesen sein. Die Amerikanerin, die in jungen Jahren mal bei der Kult-Serie «Miami Vice» ein Stelldichein gab, genoss sichtlich jede Minute und bedankte sich herzlich beim artig applaudierenden Publikum. Der Rest des Abends gehörte dann wieder dem Headliner, der nochmals voll vom Leder zog, inklusive weitgehend kurzweiliger Soli der Herren Zampa und Bell. Wer beim Anblick von «Rock Bottom» (UFO) und «Slip Of The Tongue» (Whitesnake) auf der unten stehenden Setliste an zwei Cover-Versionen denkt, liegt falsch! Obwohl Ersterer natürlich starke Assoziationen hervor ruft, ist es ja nicht verboten, zu eigener Musik einen bestehenden Titel zu verwenden, zumal diese zwei Songs ihren Namensvettern qualitativ in Nichts nachstanden. «One Foot In The Dark» als letzte Zugabe beendete nach guten 90 Minuten ein sackstarkes Konzert, das das nächste Mal vor hoffentlich deutlich mehr Leuten abgehalten werden kann.

Setliste: «Sahara» - «I Don't Wanna Wait All Night» - «Big Money» - «Come To My Kingdom» - «S.O.S.» - «In America» - «Love Don't Lie (Stan Bush cover)» - «Cartesian Dreams» - «Blood» - «Loved Along The Way (Fiona)» - «Shadows Of The Night (Fiona)» - «I'm Free, These Are The Times» - «Drumagogery (Drum Solo)» - «One Man Down» - «Rock Bottom» - «I Wanna Be Loved» - «Pleasure Palace» - «Slip Of The Tongue» -- «One Foot In The Dark».