Livereview: House Of Lords

19. Oktober 2015, Pratteln – Mini-Z7
By Tinu
Eigentlich ist es das gleiche Trauerspiel wie kurze Zeit davor bei Joe Lynn Turner. Es stehen mit James Christian (v), Jimi Bell (g), Chris McCarvill (b) und B.J. Zampa (d) absolute Spitzenkönner auf dem Parkett und der Konzertgänger gibt lieber viel Geld für eine völlig überbewertete Gurkentruppe aus. House Of Lords haben Musikgeschichte geschrieben, als sie 1988 mit ihrem Debüt und der monumentalen Ober-Ballade «Love Don't Lie» auf sich aufmerksam gemacht haben. Das selbstbetitelte Werk bestach durch die technischen Fähigkeiten der Musiker, welche die hart rockenden Songs, mit orchestralen Arrangements, völlig von Poison-Liedern abheben liessen. Was sich unter den Fittichen von Kiss-Bassist Gene Simmons als imposante Super-Gruppe aufbaute, brach an den Egos 1992 wieder auseinander. Seit 2006 besteht die Truppe nun aus den gleichen vier Musikern, die sich familiär auf der Bühne präsentieren und tight wie Arsch im Mini-Z7 aufspielten.

Ohne Vorgruppe startete HOL um 21.00 Uhr und rockten das Mini-Z7 für die kommenden knapp neunzig Minuten. Von Beginn weg präsentierte sich das Quartett sehr sympathisch, völlig locker und ohne Rockstargehabe. Dabei stachen die technischen Qualitäten nicht nur bei den entsprechenden Solos hervor, sondern auch als kleine Parts bei den jeweiligen Songs. Der Vierer hätte sich locker auf die ersten drei HOL-Scheiben konzentrieren können, aber weniger als die Hälfte der Tracks stammten aus der Frühphase der Amis. Der Rest repräsentierte die letzten sechs Studioscheiben, wobei dabei der neueste Output «Indestructible» klar im Mittelpunkt stand. «What an end of the tour here at the Z7!», verkündete James mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Mister Christian sang sehr gut und sah mit seiner Sonnenbrille wie Joe Lynn Turner aus. Seine Performance war um einiges agiler als auch schon, und man merkte es dem Shouter an, dass er diesen Gig mit allen Poren genoss. Unterstützt durch die Keyboards vom Band konnte er sich aber auch getrost auf seine Mitmusiker verlassen, bei denen B.J. ein echter Hingucker ist. Was der Trommler mit seinen dünnen Armen und Beinen alles verdrosch, war absolute Weltklasse. Mit kleinen Breaks und wirbelnden Stöcken überzeugte er von der ersten Sekunde an. Er ist allerdings kein Tommy Lee (Mötley Crüe), der sich in den Mittelpunkt spielen muss, sondern ein filigraner Handwerker, der sich seiner Fähigkeiten bewusst ist und dabei die Halle verzauberte. Vor ihm stand Bassist Chris, der heimliche Mädchenschwarm. Der blondgelockte Basser zupfte einen fetten Groove aufs Parkett und poste wie ein Gott. Das Einzige was ihn behinderte, war die kleine Stage. Mit seinem Solo zeigte der Bassmann, was alles in ihm steckt und hinterliess dabei viele offene Münder. Jimi Bell ist vom Optischen her eine Mischung aus Gentleman und Rocker. Sein Spiel erreicht locker Malmsteen-Niveau («Battle»), beinhaltete aber auch mal einen modernen Ton («Rock Bottom»). Alle drei zusammen sangen fantastische Backingvocals, bei denen sich speziell Chris als ein echter Traumsäger entpuppte, und auch B.J. ist hierbei nicht zu unterschätzen.

«Thanks that you're here tonight», bedankte sich James nach einer 35 Tage dauernden Tour, welche die Band auch nach Japan führte (das Tourende wurde in Pratteln gefeiert). Dort wurden garantiert die neuen Tracks «Call My Bluff», «100 Mph», «Go To Hell» und «Come To My Kingdom» ebenso abgefeiert wie die alten Hits «Sahara», «I Wanna Be Loved», «Pleasure Palace», die Oberballade «Love Don't Lie» und die einzige Zugabe «Slip Of The Tongue», welche noch immer ein Speedtrack erster Güteklasse ist. Nach dem Klassiker «Can't Find My Way Home» forderte James das Publikum auf; «Please! Hands up in the air for Facebook» und versicherte, nachdem alle diesem Wunsch nachkamen; «I paid nobody!» Abgesehen davon, dass der Sound mit zunehmender Spieldauer zu laut und undifferenziert wurde und dass Hits wie «S.O.S. In America», «Million Miles», «Talkin' but Love», «Remember My Name», oder «Call My Name» nicht gespielt wurden, gab es absolut nichts zu meckern an diesem Superauftritt. Die komplette Band stand fünf Minuten nach dem Konzert den Anwesenden noch für Autogramme und Erinnerungsfotos zur Verfügung und präsentierte sich so sehr fannah. Es war ein Erlebnis, House Of Lords wieder im Z7 zu sehen. Man kann nur hoffen, dass nun wirklich alle merken, was für eine begnadete Truppe die Jungs sind und all diejenigen, welche nicht dabei waren, sich nach dem Lesen dieser Zeilen in den Allerwertesten beissen...

Setliste: «Intro - Purgatorio Overture No. 2» - «Come To My Kingdom» - «Big Money» - «Go To Hell» - «Cartesian Dreams» - «Battle» - «Demon Wheel (Bass Solo Chris McCarvill)» - «Call My Bluff» - «Love Don't Lie» - «I'm Free» - «100 Mph» - «Drumagogery (Drum Solo B.J. Zampa)» - «Can't Find My Way Home» - «Sahara» - «I Wanna Be Loved» - «Guitar Solo Jimi Bell» - «Pleasure Palace» -- «Slip Of The Tongue».