Livereview: Impure Wilhelmina - When Icarus Falls
25. April 2009, Ebullition, Bulle (FR)
By El Muerte.
Hinter die Logik des Ebullition zu kommen, scheint als Aussenstehender fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein - Auf der einen Seite stehen fast sämtliche Veranstalter der Schweiz, die sich darum bemühen, ihre Events zeitig zu starten, um dem Besucher eine einfache Heimreise zu ermöglichen, auf der anderen Seite steht das Ebullition - Konzerte beginnen selten vor 23 Uhr, Headliner werden demnach kaum vor Mitternacht auf der Bühne gesichtet. Andere Regeln, andere Dimension: Das alterwürdige Theater, in dessen Räumlichkeiten sich der Verein Ebullition eingenistet hat, strahlt sowieso einen ganz eigentümlichen Glanz aus. Mit Impure Wilhelmina und When Icarus Falls auf der Speisekarte stand der Abend klar unter der Flagge der Romands - Nicht nur, dass beide Bands aus französisch-sprachigen Teilen der Schweiz kommen, auch ihre Musik spricht eher diese Regionen an. Post-Rock und Post-Hardcore ist in der Welschschweiz mit Bands wie Kehlvin, Berserk for Tea Time und Konsorten bereits mehr als verwurzelt, während die Deutschschweiz immer noch stark hinterher hinkt - Unhold und ihre wenigen Weggefähren machen da aber die qualitative Ausnahme. Wenn dann noch die späte Uhrzeit zu der Ausgangslage hinzugerechnet wird, so lässt sich schnell erklären, weswegen ich wohl der einzige Deutschschweizer am Start war…

When Icarus Falls aus Lausanne haben sich dem flächigen Sound Richtung Isis, Neurosis und Konsorten verschrieben, und begannen das Konzert dann auch äusserst andächtig. In minimalste Beleuchtung getaucht, begannen sie unter dem noch beachtlichen Geräuschepegel des anwesenden Publikums ihre Songs aufzubauen. Während sich Drummer Xavier den ganzen Gig durch nur selten wirklich gehen liess, aber sich daneben mit simplen Grooves und Synthie-Einlagen beschäftigte, türmten die beiden Klampfer massive Akkord- und Echo-Wände auf, um die Sänger Diego seine oftmals geflüsterten Linien tanzen liess. Songs wie 'Black Tree', 'Over The Frozen Seas' und das verstörende 'They Created Lies…' gewährten dabei Einblicke in das noch schlummernde Potential der Band, kamen live aber etwas scheu daher. Der magere Drum-Sound, einige Spielfehler der Klampfer, und nicht zuletzt das doch etwas aufgesetzte Gehabe von Diego, verpassten der ansonsten wirklich mehr als soliden Performance einen etwas schalen Beigeschmack. When Icarus Falls haben klar noch einen langen Weg vor sich, aber mit der richtigen Optimierungs-Arbeit dürfte das Projekt mehr als gelingen.

Impure Wilhelmina sind da schon ein paar Schritte weiter, ihre erste Scheibe erschien bereits 1996 - Eine Zeit, in der der Post-Hardcore offiziell wohl noch nicht mal als geboren galt. Der langen Geschichte der Band entsprechend dauerte es geschlagene zehn Jahre, bis dann auch das aktuelle Line-Up am Start war. Mittlerweile sind allerdings auch illustre Mitglieder wie etwa Klampfer Christian Valleise (Ebenfalls bei den Genfern von Knut aktiv) mit von der Partie. Die aktuelle Scheibe 'Prayers And Arsons' wurde Ende 2008 veröffentlicht, ich hatte dabei das Glück, eine limitierte wunderschöne rote Vinyl-Edition abzugreifen. Mit dem neuen Material sowie Smashern der vorhergehenden acht Scheiben im Gepäck machten sich Impure Wilhelmina dann auch recht spät daran, dem verharrenden Publikum zu zeigen, wo der Sludge-Hammer hängt. Vom ersten Ton an war klar, welches Niveau das Quartett mittlerweile an den Tag legt - Sänger / Gitarrist und Chefdenker Michael Schindl peitschte die Band unentwegt von Song zu Song, ohne dabei auch nur eine Note auszulassen - Ihm stand Gift und Galle förmlich ins Gesicht geschrieben. Basser Didier Baertschiger agierte am introvertiertesten, aber mehr Action hätte die Band auch nicht wirklich nötig gehabt, die Songs sprachen klar für sich. Der grösste Teil des Publikums zeigte sich von Beginn weg restlos begeistert - lediglich ein kleiner Teil Metalheads die's mit der Stil-Treue etwas zu genau nahmen, konnten dem Sound nix abgewinnen, und machten sich nach anfänglichen Bang-Versuchen relativ schnell vom Acker. Da ich persönlich vor allem das aktuelle Werk kenne, sprachen mich diese Stücke klar auch am stärksten an - Impure Wilhelmina liessen es sich dabei aber nicht nehmen, Material von beinahe sämtlichen Releases in die Instrumente zu prügeln. Die Licht-Show unterstützte die Performance dabei optimal, und auch der Sound stimmte. Zurück blieb nach etwas mehr als einer Stunde wie so oft zuvor schon das Gefühl, eine Headliner-Performance der internationalen Güteklasse gesehen zu haben - Auch wenn man es als Schweizer Band nach wie vor schwierig hat, offiziell diesen 'Status' zu erreichen.