Livereview: Joe Lynn Turner - Lucky Bastardz

16. September 2015, Pratteln – Mini-Z7
By Tinu
Manchmal frage ich mich, ob sich die allgemeine Musikgemeinschaft überhaupt bewusst ist, welche Musiker bei welchen Songs welche tragende Rolle spielten. Wahrscheinlich gerade mal gefühlte 0.001 %. Anders kann ich mir den Umstand nicht erklären, dass sich Joe Lynn Turner im Mini-Z7 auf die kleine Bühne begeben musste. Wahrscheinlich Joe selber auch nicht - der schon zusammen mit Glenn Hughes im Z7 auftrat - und an diesem 16. September 2015 zielsicher die Treppen zur grossen Stage betrat und dann vom Tourmanager den richtigen Weg gezeigt bekam. Mein lieber Herr Gesangsverein. Mister Turner war Mitglied bei Rainbow, Deep Purple (ne Rockslave, ich erspare mir einen Kommentar - I wanna thank you!), Yngwie Malmsteen und in vielen Projekten wie Sunstorm, Rated X oder HTP und gehört mit seinen 64 Jahren noch immer zu den besten Rock-Sängern. Hat ein David Coverdale (Whitesnake) heute Mühe die hohen Parts zu singen, holt Joe einmal kurz Luft und shoutet die Halle in Schutt und Asche. Ist ein Lemmy in die Jahre gekommen (leider!), so sieht der braungebrannte New Jersey-Boy noch immer wie ein knackiger Mittevierziger aus. Und da stand er nun wieder. Leider auf der kleinen Bühne im Z7, aber mit einer Performance, die Seinesgleichen sucht.

Lucky Bastardz
Bevor Mister Turner sprichwörtlich den Weg auf die Bühne suchte, standen die Italiener von Lucky Bastardz auf der Stage. Der kernige Kick-Ass Rock n' Roll, im Stile der alten Skid Row, wusste zu gefallen. Abseits der alltäglichen, italienischen Drachenjagd und der dramatischen Filmmusikinszenierung, rockte sich der Vierer locker durch das abwechslungsreiche Set. Sänger Titan lässt sich als Mischung aus Sebastian Bach (Skid Row) und Toby Jepson (Little Angels) charakterisieren und versuchte sofort, die mit respektablem 4-Meter Bühnenmindestabstand desinteressierten Besucher für sich und die Band zu gewinnen. Den Applaus konnte sich die Truppe erkämpfen, das Schliessen der Lücke zwischen Publikum und Bühne nicht ganz. Dies lag auch daran, dass die Jungs sicherlich coole, groovige Songs haben, aber ein Hit fehlte. Einer, den man auf den Nachhauseweg nicht mehr aus der Gehörstube bringt und man sich schon fast ärgert, die Melodie oder den Refrain immer zu summen oder zu pfeifen. Trotzdem! Meinereiner sah schon bedeutend belanglosere Truppen als Support und Lucky Bastardz hinterliessen einen guten Skid Row-, L.A. Guns- und Dead Daisies-Groove.

Joe Lynn Turner
Was nun folgte, waren knapp neunzig Minuten geschichtsträchtige Unterhaltung. Auch wenn sich Joe an Lieder wagte, die er selber nicht eingesungen hat, wie «Long Live Rock n' Roll» und «Man On The Silver Mountain» (Dio), «Burn», (David Coverdale) «Smoke On The Water», «Perfect Strangers» und «Highway Star» (Ian Gillan), alles was der Ami sang, klang hervorragend. Unterstützt von den schwedischen Dynazty als Begleitband, schöpfte Joe aus dem Vollen. Allerdings, und das fand ich nicht sooo prickelnd, wurden nur Songs aus der Rainbow-, Deep Purple-, und Malmsteen-Ära gespielt. So verzichtete der Sänger auf tolles Material von Sunstorm, Mothers Army oder seinen Solo-Scheiben. «This is a song from Yngwie Malmsteen, from the best record he done», verkündete Joe mit einem breiten Grinsen oder huldigte Ronnie James Dio als Sänger und Mensch. Genau diese Menschlichkeit, die von der Bühne kam, machte die lebende Legende so sympathisch. Wie seine durch Mark und Bein gehenden Screams («Highway Star», wer braucht hier noch einen Ian Gillan? - Hä??? Rockslave) und seine Performance. Selten stand er still! Nein, er ist eine Rampensau. Eine, die das Gitarrensolo luftgitarrenartig mitspielte. Oder sich gesanglich bei «Highway Star» mit seinem Gitarristen Love Magnusson beim Solo duellierte. Die Stimmung im Mini-Z7 wurde von Song zu Song besser. Die sehr gut gefüllte Location stand immer wieder kurz vor einer kompletten Ekstase. Dies erwärmte sogar Joe, welcher «Stone Cold» mit den Worten «…from the warm Greece to the cold Switzerland! Pratteln are you ready?» ankündigte. Die Stimmung schlug auf Joe über, der sich immer wieder bedankte und dann wieder aufs Publikum zurück. Auch wenn «Deja Vu» ein kleiner Stimmungskiller war, Joe wusste genau, wann welche Ansage seine Wirkung hatte: «Wie sagt man bei euch? Prost? Na dann Prost! Cheers Man». Er war sich auch nicht zu schade, um kleine Anekdoten zum Besten zu geben. «Ritchie (Blackmore) worked for the first record («Difficult To Cure»). This is a song about a young man with all his visions, dreams and hopes». So leitete Mister Turner «Spotlight Kid» ein. Ein Track, der ebenso abgefeiert wurde wie «Burn». Der Sänger liess sich auch nicht unter Druck setzen, dass er den Flieger nach dem Konzert nicht verpassen durfte. «Rock n' Roll is sleeping when you're dead. Fuck the plane!»

Das Konzert wurde dirigiert von Joe, der die Fans mitriss («Sing with me, don't be shy!»), Hände abklatschte in den vordersten Reihen und seinen Mitmusikern genügend Freiraum für solistische Ausflüge gab. Speziell die Rhythmus-Sektion trumpfte gross auf, während die Gitarre oftmals kaum zu hören war, was den gitarrenlastigen Tracks schadete. Trotzdem, es war ein Siegeszug und Mister Turner bedankte sich mit «Thank you so much! You're a very good crowd» beim Publikum. Ganz am Schluss durfte ein Erinnerungsbild fürs Facebook (Originalton Joe) nicht fehlen. Zufrieden gingen Joe, die Band und die Fans nach Hause. Es war ein ergreifendes Konzert, auch wenn Love nicht alle Gitarrenparts original wie seine berühmten und talentierten Partner vorführte, die Begleitband trug zusätzlich dazu bei, dass man von diesem Konzertabend gerne seinen Enkelkindern erzählen wird.

Setliste: «Death Alley Driver» (Rainbow), «I Surrender» (Rainbow), «Perfect Strangers» (Deep Purple), «Stone Cold» (Rainbow), «Rising Force» (Yngwie Malmsteen), «Man On The Silver Mountain» (Rainbow), «Highway Star» (Deep Purple), «Deja Vu» (Yngwie Malmsteen), «MISS Mistreated» (Rainbow), «Spotlight Kid» (Rainbow), «Long Live Rock n' Roll» (Rainbow), «Burn» (Deep Purple), «Smoke On The Water» (Deep Purple)