Livereview: Jutta Weinhold Band - Wicked Plan

01. Juni 2013, Pratteln – Galery
By Rockslave
Vor einem Vierteljahrhundert, also 1988, kriegte ich eine CD in die Finger, die mir auf Anhieb sehr gefiel, nämlich «From Over Yonder» von Zed Yago! Die grundsätzlich schleppend rockende Mucke setzte sich bald in meinen Gehörgängen fest und das lag letztlich auch an der überragenden Gesangsstimme von Jutta Weinhold. Zudem erahnte kaum jemand, dass die in Hamburg wohnhafte Sängerin mit Jahrgang 1947 damals also schon über vierzig Jahre alt war! Das wiederum verwundert aber nicht, wenn aus der Biographie hervor geht, dass Jutta in den 70ern zum Ensemble des weltberühmten Musicals «Hair» gehörte! Die metallische Phase Ende der 80er war dann aber leider nur von kurzer Dauer und Konzerte fanden lediglich in Deutschland und England statt. Nach weiteren Versuchen mit Velvet Viper und zuletzt unter ihrem Namen Weinhold war dann ab 1993 erst mal Schicht im Schacht. Die an sich sehr gute Comeback-Scheibe «From Heaven Through The World To Hell» (2004) fand leider ebenso nicht die verdiente Beachtung, wie auch die letzten zwei Scheiben von 2006 («Below The Line») und 2010 («Read Between The Lines»). Letztere leitete zudem eine Abkehr vom früher zelebrierten Dramatic Metal in Richtung Hardrock ein. Satte 37 Jahre nach ihrem letzten Besuch in der Schweiz (mit Udo Lindenberg), fand in der Galery ein denkwürdiges Konzert statt, an dem ich keinesfalls fehlen durfte!

Wicked Plan

Als Support des heutigen Abends wurde die Schweizer Band Wicked Plan aus Büren an der Aare verpflichtet, die stilistisch zumindest teilweise nicht mal so weit vom Headliner weg war. Als Bassist fungierte übrigens Kollege Erol Dupovac, den ich bisher eher als Knöpfchendreher denn als Musiker in der Wahrnehmung hatte. Kern der Band ist das (auch private) Paar Dan Keller (g) und Natali Keller (v), das auch zu den Gründungsmitgliedern von Wicked Plan gehört. Ergänzt wird das Berner Quintett durch den zweiten Gitarristen Christof Schafer und den jungen Schlagzeuger Philipp Rytz. Optisch legte sich Mainman Keller mit entsprechender Lederkluft voll rockstarmässig ins Zeug und liess schon bald seine technische Klasse aufblitzen. Die öffentlich genannten Einflüsse von Metallica, Megadeth, Dio, Bruce Dickinson, Yngwie Malmsteen hörte ich live allerdings nicht auf Anhieb heraus, auf der ersten Studio-Scheibe «Becoming God» hingegen eher noch. Frontfrau Natali verfügte dabei über eine reine, kräftige Stimme, die jedoch noch etwas mehr melodische Varianz, wie zum Beispiel beim nicht gespielten «Where My Heart Me Leads» vertragen könnte, da überwiegend stets mit voller Kraft und teilweise ordentlich Vibrato performt wurde. Das hinterliess zumindest bei mir einige Stirnrunzeln, die aber beinahe alle wieder durch die sympathische und herzliche wie spontan wirkende Art von Madame Keller abgebaut werden konnten. Warum sie sich allerdings beim einen oder anderen Solo von Dan an die Seite zwischen zwei Amps verkrümelte oder sich einfach auf eine Art Thron-Sessel auf der Bühne setzte, fand ich etwas komisch und eigentlich unnötig. Obwohl die Galery zwar nicht übermässig viel Platz zu Verfügung stellt, wirkten Wicked Plan insgesamt viel zu hüftlahm. Vor allem Bassist Erol sollte bewegungsmässig noch einen gehörigen Zacken zulegen. Die Band wie auch das Publikum fanden aber Spass aneinander und mit der Zugabe «Slaves Of Pyramids» schälten sich dann die Einflüsse von Metallica doch noch heraus. Nach einer guten Dreiviertelstunde bedankte sich die Vorguppe explizit bei Jutta Weinhold für den ermö-glichten Auftritt und räumte daraufhin das Feld.

Setliste: «Living On The Other Side» - «Story Of A War» - «Queen Of Nile» - «Guitar Solo» - «Becoming God» - «Not Alone» - «Ghost Rider» -- «Slave Of Pyramids».

Jutta Weinhold Band
Auch wenn das bei mir aus gegebenem, sprich altersbedingtem Anlass immer seltener vorkommt, hatte sich heute Abend bei mir eine richtig fette Vorfreude auf das Konzert des Headliners eingestellt. Ich hoffte nach dem Bekanntwerden von einigen Konzerten in Deutschland inbrünstig, dass es auch zu einem Schweizer Gastspiel gereicht und plötzlich war es dann Tatsache! Jutta Weinhold und ihre neue Band hatten kurz vor meinem allerersten „Sweden Rock“-Besuch einen fix gebuchten Gig bei uns. Dass die Wahl dabei auf die Galery fiel, war beileibe nicht schlecht, da der Rahmen für die vorneweg nicht allzu gross zu erwartende Resonanz letztlich genau richtig war. Immerhin fanden doch etwa knapp fünfzig Leute den Weg nach Pratteln und sie sollten dies schon bald keine Sekunde lang bereuen. Mich nahm es dabei natürlich in erster Linie wunder, wie die mittlerweile bald 65-jährige Sängerin (!) stimmlich auf der „The Return Of The Flying Dutchmen Tour 2013“ abschneidet. Das zweite Fragezeichen galt der Setliste und im Speziellen, ob da «Stay The Course», mein erklärter Lieblingssong von Zed Yago, auch drauf stehen würde. Ein kurzer prüfender, ja fast bangender Blick auf den Bühnenboden klärte diese Frage dann ziemlich schnell auf und war, da leider nichts davon zu sehen war, der einzige wie gleichzeitig verschmerzbare Mini-Dämpfer des ganzen Konzertes. Vielmehr dominierte die Freude darüber, dass der Zahn der Zeit wohl im Gesicht der Wahl-Hamburgerin seine Spuren, aber nicht an der Gesangsstimme hinterlassen hatte. Spätestens ab «Merlin» erfasste mich eine Dauer-Gänsehaut vom Feinsten! Die Setliste war gespickt mit dem Besten aus der Zeit von 1988 bis und mit 1994, das heisst Musik ab den ersten zwei Zed Yago und nachfolgenden beiden Velvet Viper-Scheiben, sowie der ersten Jutta Weinhold Solo-Scheibe. Getragen von ihrer tighten Band, bestehend aus Norbert Kujus (g), Rainer Schefe (g), Wolfgang Schönfeld (b) und Colo (d) zelebrierte die bestens gelaunte Frohnatur eine Reise zurück zu den Anfängen des Dramatic Metal, den man heute kaum bis gar nicht mehr einer anderen Gruppe so zuordnen kann.

Trotz der businessmässigen Schicksals-schläge und insgesamt viel zu dürftigem Erfolg, hatte sich die gebürtige Mainzerin nicht, respektive nie wirklich lang anhaltend gehen lassen und der jahrelange Verzicht auf Drogen wie Alkohol beschert ihr nun so zu sagen den dritten Frühling, den sie mit viel Herzblut und Spielfreude bestreitet. Diese positiven Vibes übertrugen sich alsbald auf die Besucher, die sich ob dem Gezeigten mehrheitlich begeistert zeigten. «Highland Queen» beschloss nach gut fünfzig Minuten den ersten Teil des Sets mit hymnischer Ausstrahlung und die Band wie die Fans gleichermassen, nutzten den Unterbruch für einen Schwatz, eine Zigarette und/oder das Ordern eines Getränkes an der Bar. Nach etwa zwanzig Minuten waren Jutta und ihre Jungs wieder ready und mit dem quasi zweiten Opener «United Pirate Kingdom» folgte die nächste Tranche des immer kultiger werdenden Auftrittes. Der fette Groove der Musik hat bis heute nichts von seinem Reiz eingebüsst, und veredelt durch die tadellos agierende Shouterin, wurde den alten Schoten neues wenn nicht ewiges Leben eingehaucht. Obwohl das ganze Konzert eigentlich eine sichtliche Aneinanderreihung von lauter Genre-Hits war, legte das grandiose und epische « Rocking For The Nation» nochmals ein paar zusätzliche Briketts nach. Meine Wenigkeit schrie sich zu diesem Rock-Monster, angereichert mit unüberhörbaren Accept-Vibes, die Stimmbänder beinahe wund. Dass das Ganze noch in gepflegtes Headbangen und ein paar Air-Guitar-Einlagen überging, versteht sich von selbst. Zum Schluss wurden zum «Black Bone Song» zuerst alle Jungs zum Mitsingen auf die Bühne gebeten und bei der Zugabe «Rebel Ladies» durften entsprechend die Girls ran und sorgten für einen würdigen Abschluss dieses unver-gesslichen Abends. Jutta Weinhold hatte sichtlich Freude an den Reaktionen und betonte, dass sie und ihre Band bereit seien, um weiter zu rocken und das so oft, wie es geht. Dies bekräftigte die bodenständige Persönlichkeit auch beim später nachfolgenden Interview, das unbearbeitet fast 45 Minuten dauerte. Nach dem gemeinsamen Foto, den ergänzten noch fehlenden CDs (die letzten zwei Weinhold-Scheiben) und einer persönlichen Widmung auf dem legendären Debüt, verabschiedete ich einen bemerkenswerten Künstler und Menschen, der mir einen rundum gelungenen Konzert-Abend geschenkt hat. Hoffentlich bald wieder!

Setliste: «Intro» - «Zed Yago» - «The Beacon Light» - «Merlin» - «Revenge» - «Modern Knights» - «Master Of The Ring» - «Queen And Priest» - «Highland Queen» - Pause - «United Pirate Kingdom» - «The Spell From Over Yonder» - «The Pale Man» - «Rocking For The Nation» - «Fear Of Death» - «Horsewoman» - «Intro/Black Bone Song» -- «Rebel Ladies».