Livereview: Krokus
31. 03.2006 Alpenrock House, Zürich-Airport
By Rockslave
Wenn es was zu feiern gibt, muss man eigentlich hin! Der Anlass: Das AlpenRock House kann dieses Jahr auf ein stolzes, 10-jähriges Jubiläum zurück blicken, auf das man wirklich was geben kann! Von Kritikern als langfristig nicht erfolgreich betreibbar bezeichnet, erfreut sich der Kult-Schuppen mit unterschiedlichsten Angeboten heuer immer noch konstanter Nachfrage. Mein eigenes Lokal-Debüt fand trotzdem erst letztes Jahr (!) statt und darum besteht hier klar ein grösserer Nachholbedarf. Nebst den vorgesehenen Feierlichkeiten, die aus gegebenen Anlass unter anderem darin bestanden, dass der Eintritt entsprechend nur 10 Franken betrug, interessierte mich natürlich in erster Linie der Auftritt von Krokus mit ihrem neuen Drummer Stefan Schwarzmann (Ex-Accept, U.D.O., Running Wild, Ex-Helloween und viele mehr!). Dass ausserdem der Badener Mundart-Pop-Rocker Adrian Stern als Support fungieren würde, wusste ich nicht und staunte deshalb nicht schlecht, als ich sah, wer in dieser Band am Schlagzeug sitzt, nämlich kein Geringerer als Pete "Rabbit" Haas (Ex Mekong Delta, Ex-Krokus, Ex Ain't Dead Yet), der mir hier (vorerst) arg unterfordert vorkam!

Adrian Stern
Der zahlenmässig hohe Anteil an Girlies ab etwa 15 Jahren aufwärts war ein untrügliches Zeichen dafür, dass Adrian Stern bei dieser Fan-Gruppe ziemlich angesagt ist. Ich selber wusste eigentlich nicht, was mich erwarten sollte, zumal mich die Anwesenheit von Drummer Pete Haas im Line-Up ziemlich irritierte. Die Aargauer Band und ihr charismatischer Frontmann konnten national schon ordentliche Erfolge verbuchen, was im Wesentlichen an der radiotauglichen Single "Ha nur welle wüsse" liegt, die endlos rauf und runter gedudelt wurde. Mittlerweile hat man zwei CDs veröffentlicht, die sich soweit recht gut verkauft haben. Dass die Band auch live überzeugen kann, wurde einem schon nach dem schmissigen Opener "S'Blaue vom Himmel" bewusst. Der Sound klang kompakt und melodisch zugleich, was vor allem auch der Verdienst des versierten Drummers war, der das musikalische Gerüst optimal stützte. Da kamen halt nicht nur simple Grundbeats daher, sondern Fills vom Feinsten, was aber wohl nur den Wenigsten aufgefallen sein dürfte. Der von Anfang an sehr gut gefüllte Zuschauerbereich war fest in der Hand von strahlenden Teenagerinnen, die nur Augen für den darob natürlich bestens aufgelegten Herrn Stern hatten. Aber der Rest der Truppe mit Bassist Géza Burghardt, Gitarrist Chris Muzik und Keyboarder Chrigi Roffler war ebenfalls nicht ohne und lieferte derweil tolle Backing-Vocals ab. Deshalb klang alles wie aus einem Guss und das einzige Detail, das mich persönlich störte, was der Aargauer Dialekt, der mir wie ein Fremdkörper vorkam. Allerdings bewies der auf englisch gesungene Einstieg in den eingangs erwähnten Chart-Breaker "Ha nur welle wüsse", dass Mundart hier dennoch deutlich besser passt. Insgesamt, obwohl deutlich poppig ausgerichtet, gefiel mir dieser Auftritt ganz gut, aber wenn ich mir vorstelle, dass der unscheinbare und zwei Holzstöcke schwingende Mann mit Glatze und seinem alten Krokus-Shirt am Leib im Jahre 2000 mit seinen ehemaligen Kollegen (damals noch mit Storace-Ersatz Carl Sentance) am BYH!!!-Festival vor weit über 10'000 Leuten heftigst abrockte, befiel mich schon eine gewisse Wehmut.

Krokus
Keine Ahnung, wie viele Male ich die Schweizer Rocker Nr. 1 in den vergangenen Jahren schon gesehen habe, aber noch jedes Mal habe ich eine gute bis zuweilen geniale Show von ihnen miterleben dürfen. Dabei wurde man natürlich auch zwangsläufig Zeuge der unzähligen Besetzungswechsel, die diese Band seit vielen Jahren begleiten. Mit dem Absprung von Fernando von Arb im letzten Jahr ging auch noch das letzte Gründungsmitglied von Bord und deshalb ist Sänger Marc Storace, nebst dem Rückkehrer Mandy Meyer, noch das einzige Aushängeschild der Band. Darum verwunderte einen die Nachricht über den Abgang von Drummer Patrick Aeby eigentlich nicht sonderlich, sein Ersatz hingegen schon: Stefan Schwarzmann! Sein Vorgänger sorgte zwar stets für ordentlich Dampf, aber optisch schlief einem das Gesicht ein. Ok..., es muss nicht immer ein Mikkey Dee (Motörhead), Mike Terrana (Rage, Axel Rudi Pell) oder Tommy Aldridge (Whitesnake) sein, aber ein kompletter Drummer beherrscht nicht nur sein Instrument. Was ich damit genau meine, dürfte allen Anwesenden schon nach wenigen Sekunden des Openers "Nightwolf" klar geworden sein, denn was da von der Bühne in Orkanstärke runter wehte, war nicht von dieser Welt! Du heilige Scheisse..., das gibt's doch gar nicht! Spätestens nach "Long stick goes boom" war klar zu sehen und zu hören, dass wieder ein neues Kapitel in der Geschichte von Krokus aufgeschlagen wurde. Selten sah man die Band so befreit aufspielen, wie an diesem Abend. Augenscheinlich, nebst dem völlig abgehenden Schlagzeuger, genoss Dominique Favez neue Freiheiten, die er unter Chef-Indianer von Arb selten, bis gar nie ausleben konnte. Sein strahlendes Gesicht sprach dabei Bände. Oberklampfer Meyer entlockte zumindest der PA einen brachialen und ungeheuer metallischen Sound (auf der Bühne selber soll es nicht so gewesen sein, wie mir Mandy später mal erzählte) und auch der gute Tony lieferte volles Rohr aus der Abteilung der Tieftöne. Frontgaul Marc Storace liess derweil nichts anbrennen und zeigte sich, wie der Schreiber dieser Zeilen, angenehm überrascht über die Intensität der Fanreaktionen vor der Bühne. Bewaffnet mit Bierflaschen und voll abbangend, legten die ersten zwei Reihen direkt vor der Bühne (teils fast auf der Bühne!) ein Gebaren ab, das an die seligen 80er erinnerte. Als dann gar voll der Pogo ausbrach, musste die Security mehrmals einschreiten und die Gemüter wieder beruhigen! Wann hat man sowas an einem Krokus-Konzert das letzte Mal beobachten können?!! Kaum zu glauben, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Die Band nahm die Huldigungen natürlich gerne entgegen und powerte munter weiter drauf los. Songmässig gab es leider keine wirklichen Überraschungen, ausser dass das neue, von Mandy mit einem (zu) ausgedehnten Gitarren-Part verbundene Intro zu "Screaming in the night" den Kult-Song eher verunstaltete, denn bereicherte. Der Blick auf die Set-Liste, die gerade vor mir auf dem Bühnenboden lag, enthielt aber gegen Schluss dennoch zwei neue, beziehungsweise andere Songtitel, die man schon länger nicht mehr gehört hatte, nämlich "Celebration" und "Midnight maniac". An dieser Stelle konnte man dann auch getrost und erfreut zugleich feststellen, dass der Neuzugang von Stefan Schwarzmann wohl einer der Stärksten der letzten Zeit ist, denn dieser verausgabte sich total und lieferte eine grandiose Show ab, die beim frenetisch abgefeierten "Headhunter" (das notabene nicht auf der Set-Liste stand!) ihren souveränen Höhepunkt fand. Die (spontane?) Showeinlage mit zwei jungen, knackigen Girls, die als in Leder gekleidete und maskierte Catwomen's vor allem ein nur so vor Klischees triefendes Bild niederer Männerfantasien abgaben, brauchte es nicht wirklich an diesem Abend, denn die Musik sorgte für genug Aufmerksamkeit. Nun wird sich zeigen, ob das nächste Studio-Album auch für eine Überraschung gut sein wird..., hoffentlich!

Set-Liste: "Intro", "Night wolf", "Eat the rich", "Long stick goes boom", "Fire", "Tokyo nights" , "American woman", "Heatstrokes", "Screaming in the night", "Easy rocker", "Mad world", "Stayed awake all night", "Rock city", "Rock'n'Roll tonite", "Intro/Celebration", "Midnight maniac", "Bedside radio", "Headhunter".