Livereview: Yngwie Malmsteen
26. März 2003
By Rockslave
Das letzte Mal, dass ich Ying Yang live gesehen habe, ist schon weit mehr als zehn Jahre her. Genauer war das die "Eclipse- Tour", die 1990 auch Halt im Zürcher Volkshaus machte. Damals noch mit einem gewissen Göran Edman an den Vocals. Seither hat der exzentrische Saitenhexer aus Schweden schon diverse weitere Sänger (darunter Namen wie Michael Vescera, Mats Leven und Mark Boals) "verschlissen". Die Alben der letzten Jahre waren zudem auch nicht alle das Gelbe vom Ei, aber es befanden sich trotzdem einzelne bessere wie "Facing the animal" (1997/1998) oder "Alchemy" (1999) darunter. Weiter folgten neben dem soundmässigen Tiefflieger "War to end all wars" noch rein klassische Projekte. Mit der neuesten Scheibe "Attack" geht Yngwie zurück zu griffigen Songs, bei denen sein prägnantes Gitarrenspiel nicht ausschliesslich im Vordergrund steht. Als Sänger krallte er sich diesmal Dougie White, der ja das letzte Rainbow Album "Stranger in us all" eingesungen und auch die bislang beiden Longplayer von Cornerstone veredelt hat. Wer Malmsteen kennt, weiss, dass auch dieses Line Up wohl nur von kurzer Dauer sein kann. Alles andere wäre eine Überraschung. Deshalb sind Konzerte des Schweden eigentlich immer etwas Spezielles, da man diese Konstellationen jeweilen so meist nur einmal sehen und hören kann.

Da verwunderte es auch nicht, als bekannt wurde, dass an diesem Abend keine Support Band zugegen war. So mussten sich die doch zahlreich erschienenen Fans bis kurz nach 21.00 Uhr gedulden, ehe sich der Meister blicken liess. Die ersten Soli zuckten bereits aus der PA, bevor Yngwie die Bühne überhaupt betreten hatte. Begleitet durch fettes Trockeneis kam der selbsternannte Gitarrengott kurz darauf nach vorne und dann erschrak ich erst einmal, als ich in sein Gesicht sah. Mann, hat der zugenommen! Unglaublich, wenn man doch weiss, dass sich die angefressenen Pfunde bei den Männern eher im Bauchbereich zeigen, bevor das Gesicht so augenscheinlich mitzieht. Wie auch immer, das Gitarrenspiel hat auf jeden Fall nicht darunter gelitten, sodass Yngwie's Erscheinung zweitrangig wurde. Die Tourband war neben Dougie White mit mir nicht bekannten Musikern bestückt, wovon der Drummer aber Patrick Johansson gewesen sein könnte, der auch "Attack" eingespielt hat. Der Keyboarder war dann jedoch klar nicht Derek Sherinian (Ex-Dream Theater) und der Bassist hätte glatt der Zwillingsbruder von Geddy Lee (Rush) sein können. Wie dem auch sei, die zusammen gewürfelte Truppe harmonierte recht gut und der Set begann verheissungsvoll mit "Rise up" vom neuen Album "Attack" und gleich drei (!) weiteren neuen Tracks.

Die Fans spendeten bereits dazu ordentlich Applaus und die Stimmung stieg laufend. Dazwischen ergossen sich immer wieder Solo-Orgien aller Musiker, wobei Malmsteen natürlich den Löwenanteil davon für sich in Anspruch nahm. Man kann ja über ihn sagen oder denken was man will, aber es gibt wirklich nur ganz wenige vergleichbare Gitarristen auf diesem Planeten, die einer Fender Stratocaster solche Töne entlocken können. Vieles davon spielte er blind mit atemberaubender Sicherheit und degradierte so manchen seiner Musiker-Kollegen zu unscheinbaren Amateuren. Was das Betragen anging, wurde der Schwede seinem (zeitweilen eher schlechten) Ruf gleich zu Beginn des Gigs gerecht, als er den Lichtmischer unmittelbar nach dem ersten Song angiftelte und ihm unmissverständlich mitteilte, dass er ihn killen werde, sollte er nochmals weisses Licht auf die Bühne bringen. Das war dann aber der einzige "Aussetzer" des Herrn Malmsteen. Der Rest war einfach geil und Dougie White verrichtete dabei einen grossartigen Job. Der Hammer des Abends folgte jedoch im Mittelteil von "You don't remember, I'll never forget", als Yngwie für seine Mitstreiter ziemlich unerwartet "Child in time", einer der Deep Purple Klassiker schlechthin, anstimmte. Dougie hatte den Text offenbar locker drauf (spontan oder doch nicht?) und sang alle drei (!) Oktaven sauber und ohne Mühe, wennauch nicht so kraftvoll wie Ian Gillan in seinen jungen Jahren. Dazu tauchte die Seele von Ritchie Blackmore im bekannten Gitarren-Solo auf, das überwiegend nahe beim Original gehalten wurde. Durch die Hölle musste aber der Drummer, der sein Spiel auf Geheiss von Yngwie immer wieder ändern musste.

Insgesamt gefiel mir das Konzert sehr gut, obwohl noch einige Songs fehlten, die man gerne gehört hätte. Zudem kam Yngwie an diesem Abend überwiegend positiv, wie agil rüber und unterliess es natürlich auch diesmal nicht, dutzende von Plektren in die danach gierenden Fans zu schnalzen. Die Spieldauer von knapp zwei Stunden konnte sich auch sehen (und hören) lassen. Da verzichtete man gerne auf eine womöglich schwache Vorband und der Umstand, dass fast das halbe neue Album (bei vierzehn Tracks!) gespielt wurde, spricht eindeutig für die Güte des neuen Materials. Bis zum nächsten Besuch eines Malmsteen-Konzertes werden nun mit Sicherheit nicht mehr dreizehn Jahre vergehen!

Set-Liste: "Rise up", "Ship of fools", "Stronghold", "Baroque and roll", "Dreaming", "In the name of god", "Razor eater", "Trilogy Soli/Red house", "You don't remember, I'll never forget/Child in time", "Valhalla", "Hiroshima mon amour", "Rising force".