Livereview: Meshuggah - Decapitated - C.B. Murdoc

04. Dezember 2012, Zürich - Komplex 457
By Natalia N.
In letzter Zeit spricht man in der Metalszene immer mal wieder von einem neuen Subgerne namens "Djent". Der Entstehung von Djent ist der Band Meshuggah zu verdanken, denn sie hat mit ihrem Schaffen den Grundstein zu diesem Untergerne gelegt. Das ist einer von vielen Gründen für den Besuch des Konzertes dieser "Mathematiker" der Metal-Welt, denn sie haben es geschafft, das Extreme des Thrash Metal-Genres, in dessen Rahmen sie ihre Karriere begonnen haben, auf ein neues Niveau zu heben. Dennoch ist erstmal nicht ganz zu rechtfertigen, "Djent” als völlig eigenständiges Genre der harten Musik zu bezeichnen, denn der Einsatz von palm-muted, low-tuned und deep-toned Riffs ist ein allgemeines Markenzeichen der neuen, technischen und progressiven Ebene der Metal-Musik des 21. Jahrhunderts.

Davon konnten sich denn auch die Zuschauer überzeugen, die am 4. Dezember zum Konzert kamen, das im Rahmen der Europa-Tournee "Ophidian Trek 2012" stattfand. Als erste Vorgruppe traten die Polen Decapitated auf, die zwar immer noch zum Oldschool Death Metal gehören, dennoch aber auch modernen, technischen Death spielen. Zuvor spielte noch eine ganz junge Band, nämlich C.B Murdoc aus Schweden, deren Stil man als Experimental Progressive Technical Thrash / Death Metal / Hardcore bezeichnen kann.

C.B.Murdoc
Um halb acht betraten die Musiker von C.B Murdoc zu einem epischen Intro die Bühne. Aus meiner Sicht kann man ihren Stil auch als "Djent” beschreiben: sie benutzen all die oben erwähnten Elemente und kombinieren damit Teile beinahe aller extremen Spielarten des Metal in ihrer Musik. Auf diesem Konzert ist mir klar geworden, dass sich die Gitarristen Henrik Hedberg und Fredrik Boëthius mit dem bislang Erreichten nicht zufrieden geben: sie beherrschen ihre Technik meisterhaft, und so spielen sie ganze Kaskaden von Riffs sehr schnell, wodurch ein dynamischer und plastischer Gesamteindruck entsteht. Ausserdem über-raschte mich auch die hohe Qualität des Gesamtklanges. Dabei spielten die Keyboard-Effekte von Johan Larsson eine wesentliche Rolle, mit denen der Auftritt der Gruppe begann. Aber trotz des Keyboards wirkte die Musik von C.B Murdoc immer noch sehr extrem, so dass auch die Freunde sehr harter Musik auf ihre Kosten kamen. Andere, die eher melodische Parts schätzen, dürften sich über die Riffs der Band gefreut haben. «The Green», das Debütalbum der Gruppe, erschien 2012 und fand überaus positiven Anklang bei den Kritikern. Wie Sänger Johan Ljung dem Publikum mitteilte, ist ein Lied darauf den Musikern von Decapitated und Meshuggah gewidmet. Am Schluss bedankte sich Johan herzlich bei Publikum, das mit dem Auftritt sehr zufrieden schien.


Decapitated
Schon kurz danach betraten die polnischen Musiker von Decapitated die Bühne. Sie waren erst 2011 wieder aktiv geworden, nachdem 2007 ihr Schlagzeuger Vitek bei einem tragischen Unfall verstorben und der Sänger Covan schwer verletzt worden waren. Dann verliessen auch noch Bassist und Schlagzeuger des Reunion-Albums von 2011 schon ein Jahr später die Band wieder. Genau deswegen war es besonders erfreulich, die Gruppe auf diesem Konzert zu sehen. Decapitated boten einen sehr lebhaften Auftritt und spielten technisch sehr versiert. Und ich freute mich sehr, dass ich am Schlagzeug Pawel "Pawulon" Jaroszewicz, der früher bei Vader trommelte, entdeckte. Ohne einen so einen erfahrenen Drummer wäre der Auftritt sicher nicht ganz so perfekt gewesen! Session-Bassist Konrad Rossa machte seine Sache aber auch sehr gut und lieferte eine tolle Show ab. Das einzige unersetzliche Mitglied der Gruppe – Gitarrist Vogg – hypnotisierte das Publikum mit seinen kristallklaren melodischen Parts und seinem stacheligen Riffing, und der Frontmann Rafal liess auf die Zuschauer eine mächtige Growl und Dreads-Lawine los! Einen besonderen Charme verliehen dem Auftritt längere Pausen zwischen den Liedern, während denen das Licht gedämmt wurde und man nur dezente Gitarren hörte. Die Räucherstäbchen dazu gaben dem Ganzen eine sehr gut zum neuen Album passende ethnische Atmosphäre. Trotzdem wurden auch ältere Songs dargeboten, zum Beispiel «Mother War» von 2002.

Meshuggah
Nach dem Auftritt von Decapitated wurde die Bühne komplett umgebaut, vor allem im Bereich der Lichttechnik. Später sollte sich heraus stellen, dass man die extreme Musik auch von einer extremen Lichtshow begleitet haben wollte. So heftig blinkende Lichter habe ich noch nie gesehen, es tat fast in den Augen weh. Den Musikern machte das natürlich nichts aus, sie standen zu Beginn bewegungslos auf der Bühne und waren im dichten Nebel nur als dunkle Silhouetten zu erkennen. Fast konnte man glauben, dass hier nicht Menschen, sondern Aliens auf der Bühne standen und dass dieses Konzert ein mysteriöses wie esoterisches Ritual der Begrüssung der Menschen sei. Der kahlköpfige Sänger Jens hob seine Hände ab und zu hoch und blickte von der Bühne aus in den Zuschauerraum, als ob er sich über die seltsamen Menschen vor der Bühne wundern würde. Vielleicht wollen die Aliens von Meshuggah uns ja blenden und dann in ihr UFO laden? Die Zuschauer waren jedenfalls wie in Schockstarre zu Beginn ihres Auftritts.

Nach den ersten fünf Songs verliessen die Musiker die Bühne wieder. Eine Licht- und Lasershow begann zu «Minds Mirrors». Eine mit Vocoder bearbeitete Stimme heulte durch die Halle. Zu den schwebenden Tönen der Ambientgitarre bestrahlte man den Raum mit grünen Laserlichtern. Die Pause gab dem Publikum Zeit, sich zu erholen und der erste Schock der Begegnung mit Wesen von einem anderen Planet war überstanden. Ab dem Song «Letargica» gab es dann auch einen Moshpit und Diving im Gedränge. Neben der Bühne fingen die Sicherheitsleute sogar die aktivsten Divers auf, die beinahe in den Bühnengraben gefallen wären. Nach dem bekannten Track «Bleed» zeigte Jens seine menschliche Seite und fragte die Zuschauer in den vorderen Reihen: "Ist alles ok?" und bemerkte, dass sich wohl nur extreme Menschen im Raum befunden hatten.

Zweifellos ist es sehr schwer, sich die Metal-Szene des 21. Jahrhunderts ohne diese virtuose Band vorzustellen, und so wollte natürlich auch ich mit eigenen Augen sehen, wie Frederik Thordental seine Finger beim Spielen der schwersten Riff-Kombinationen meisterhaft bewegte und ich wollte den berühmten "Band-Effect» sehen, aber man konnte wegen den aggressiven Spezialeffects kaum etwas sehen. Ausserdem konnte man die Schlagzeugarbeit nicht sehr gut raus hören, denn im Unterschied zu den Vorgruppen stand das Drumkit bei Meshuggah auf einem Podest. Dadurch sah man dann auch von der Schlagzeugarbeit von Tomas Haake nicht so viel, wie man gerne gesehen hätte, zum Beispiel seine berühmten Sincopa-Rhythmen. Trotzdem kam das Konzert super an und die Band hatte eine ausgezeichnete Setliste vorbereitet. Beim Merchstand hatte es auch elegante T-Shirts für Frauen, was ja selten genug ist. Jetzt wartet Zürich zweifellos mit Ungeduld auf die Rückkehr dieser kosmischen Demiurgen!

Setliste: «Obsidian Intro» - «Demiurge» - «Pravus» - «Combustion» - «Glints Collide» - «Letargica» - «Do Not Look Down» - «The Hurt» - «Catch 33» - «Bleed» - «New Millenium» - «I Am Colossus» - «Patronal Gaze» - «Future Breed Machine» - «Dancers To A Discordant System».