Livereview: Mick Pointer - Strange Shape
29. Januar 2009, Pratteln Z7
By Rockslave
Eigentlich fand der Anlass zu dieser Tour, nämlich das 25-jährige Jubiläum zur 83er Debüt-Scheibe von Marillion («Script For A Jester's Tear») bereits letztes Jahr an gleicher Stelle statt. Zu diesem Zeitpunkt konnte man mich aber nicht wirklich hinter dem Ofen hervor locken, sprich ich liess diesen Auftritt so zu sagen schnöde links liegen. Was ich mir danach aber von mehreren Kollegen habe anhören müssen, beziehungsweise was ich mir unbegreiflicherweise hatte entgehen lassen, hinterliess Spuren. Umso grösser war dann die Freude, als sich Mick Pointer, seines Zeichens ehemaliger Drummer der Anfangszeiten, tatsächlich nochmals mit dem (wahrscheinlich über weite Strecken, wenn nicht) gleichen Programm im Z7 ankündigte! Somit erhielt ich die seltene Gelegenheit, diesen Fehler wieder auszubügeln und mit Verlaub Leute..., wer was auf Neo-Prog und die ersten vier Marillion-Alben mit Fish hält, wurde an diesem Abend erstmals oder auch wiederum fürstlich für sein Kommen belohnt! Als "Anheizer" durfte die Schweizer Combo Strange Shape ran, die mitunter ein paar interessante Akzente setzen konnte.

Strange Shape
Interessant an dieser Stelle ist noch zu wissen, dass die Schweizer hier letztes Jahr im Herbst (3.10.08) keinen Geringeren als den Ex-Marillion Fronter Fish supporteten! Zentraler Punkt des Quintetts aus Bremgarten, dessen erste Schritte gut 20 Jahre (!) zurück liegen, war Sänger/Keyboarder Christian Ertl. Sein Instrument stand nämlich in der Mitte der Bühne, ganz vorne am Bühnenrand. Um 20.30 Uhr startete das Konzert mit dem Opener «Strange Set». Die Musik von Strange Shape war zum einen rockig, dann wieder ruhig und oftmals proggig ausgerichtet. Insgesamt waren zwei E-Gitarren und zwei Keyboards im Einsatz, was für einen soweit soliden Soundteppich sorgte. Man merkte bald, dass hier eine eingespielte Truppe am Werk war, die ihr Handwerk ohne Zweifel beherrscht. Dies galt auch für die beigesteuerten Backing Vocals von der Saitenfront. Ausufernde Instrumental-Parts unterstrichen im Weiteren die progressive Note, die insbesondere von der technischen Seite her keinerlei Anlass zu Kritik aufkommen liess. Dazu gehörte auch das filigrane Drum-Spiel von Dominik Lang, der eine ordentliche "Küche" zur Schau stellte. Und wenn wir schon von der Optik sprechen, dann ist nachzutragen, dass nur das wie immer optimal in Szene gesetzte Z7-Licht den Unterschied machte. Vom zu der Zeit noch ziemlich spärlich aufmarschierten Publikum kam immerhin verdienter Szenen-Applaus zurück. Meine persönlichen, musikalischen Anleihen fand ich bei Pink Floyd, Tangerine Dream und einen Hauch (von den Keyboards her) von Barclay James Harvest. Selbst ein paar jazzige Solo-Ausflüge wurden zum Besten gegeben. Insgesamt war die Leistung während 45 Minuten mehr als ansprechend, wenn auch nicht von unbändiger Energie getragen.

Setlist: «Strange Set» - «Pandemonium» - «Usually» - «Neighbours» - «Sudden» -- «Heart Attack».

Mick Pointer
Schlag 22.00 Uhr trat die illustre Musikerschar auf die Bühne. Nebst Mick Pointer (aktuell bei Arena) waren da noch Gitarrist Nick Barrett von Pendragon, Bassist Ian Salmon (auch Arena) sowie Keyboarder Mike Varty (Credo, Shadowland). Separat erwähnenswert ist schliesslich Sänger Brian Cummings, der ganz in seiner Rolle als Fish aufging und nebst etwas gurumässiger Bekleidung auch die damalige Gesichtsbemalung hatte auftragen lassen. Dazu trug er, wie sich nachher heraus stellte, auch eine Perücke. Unverfälscht kam hingegen seine Stimme daher und zwar derart gut, dass man (mit geschlossenen Augen) wirklich dachte, es stünde der echte Fish auf der Bühne! Eigentlich beschäftigt sich Mr. Cummings sonst mit einer Genesis Cover-Band namens Carpet Crawlers, wo er wahlweise Peter Gabriel oder Phil Collins huldigt. Ein wahrer Gesangs-Künstler, der sich also zuerst mal mit seinen Kollegen gleich die ersten sechs Songs von «Script...» der Reihe nach zur Brust nahm. Für die versammelte Progger-Gemeinde war dies bereits der Vorhof zur Glückseligkeit und schon zu «He Knows You Know» kamen die ersten Sprechchöre zum Vorschein. Und nun jagte ein Höhepunkt den anderen..., «Garden Party» katapultierte einen vollends in die gute alte Zeit zurück, als Marillion noch despektierlich als Genesis Klone herum gereicht wurden. Da mag ja mindestens etwas dran sein, aber diese Musik ebnete in erster Linie den Weg hin zum Prog Metal, so wie wir ihn heute zum Beispiel von Dream Theater (ab den 90ern) und allen unzähligen Nachahmern kennen. Bei «Forgotten Sons» stürzte sich Brian in eine Uniform, um der politischen Message des Songs noch mehr Ausdruckskraft verleihen zu können. Derweil intonierte die Band den alten Marillion Sound perfekt und deshalb konnte man sich diebisch auf den Höhepunkt des Abends freuen: «Grendel»! Das über 20-minütige Epos ist auch heute noch der totale Kult und verfehlte seine Wirkung nicht. Selbst die Maske kam zu Ehren und Brian Cummings verschmolz damit vollends zum "Übervater Fish". Es war ein grandioses Schauspiel, unterstützt durch bewährten, heimischen Lichterzauber, das selbst den hartgesottenen Proggern im Z7 die Freudentränen dutzendfach in die Augen trieb. Nebst dem wie immer brillanten Nick Barrett (g) war es vor allem der schmächtige Mike Varty, der seinem Tasteninstrument virtuoseste Töne und Läufe entlockte. Im Hintergrund thronte der einzige Ur-Member Mick Pointer stolz hinter seinen Kesseln und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Nach knappen zwei Stunden ging diese wundersame wie wunderbare Reise zurück in die glorreichen 80er leider definitiv zu Ende. Doch die Freude, diesem kultigen Abend beigewohnt zu haben, überwog bei Weitem und wird noch lange währen!

Setlist: «Script For A Jester's Tear» - «He Knows You Know» - «The Web» - «Garden Party» - «Chelsea Monday» - «Forgotten Sons» - «Three Boats Down From The Candy» - «Charting The Single» - «Grendel» - «Market Square Heroes» -- «Margaret».