Livereview: Mötley Crüe - Duff McKagan's Loaded - Backyard Babies
22. Juni 2009, Wettingen - Sportzentrum Tägerhard
By Rockslave (rsl) & Kissi (kis) - All Pics by Rockslave
Ohne Umschweife kann gesagt werden: Mötley Crüe sind Rock'n'Roll! In ihrer Karriere haben die vier Glamrocker aus dem sonnigen L.A. alles gemacht, was einen typischen Rockstar ausmacht, spektakuläre Shows, tonnenweise Drogen und Skandalgeschichten inklusive. Wer nun geglaubt hatte, Vince Neil, Nikki Sixx, Mick Mars und Tommy Lee würden das Diva-Gehabe mit der Zeit ablegen, der wurde seit der Reunion 2004 immer wieder eines Besseren belehrt. Nicht nur, dass zwischen den Mitgliedern untereinander immer wieder gezankt wurde was das Zeug hält, nein, auch gegenüber Aussenstehenden zeigte man sich nicht selten von der schwierigen Seite. So auch beim diesjährigen Gastspiel im Tägerhard-Saal zu Wettingen. Bullige Ex-Army-Volldeppen, die dem hiesigen Veranstalter als Privatsecurity ins Schaffen pfuschten, Interview-Absagen und unsinnige Photographie-Beschränkungen (nur vom Mischpult aus, nicht im Photograben) - umgänglich ist anders. Auf der Bühne dagegen zeigte sich die Band von einer ganz anderen Seite: Hatte man 2007 am «Spirit Of Rock» in Winterthur mit einer lustlosen und knapp 70 Minuten langen Show enttäuscht, lieferten die vier «Saints Of Los Angeles» mit dem gleichnamigen Album im Gepäck eine furiose Rockshow ab, voller Energie, Spielfreude und der richtigen Portion Wumms. Dem entsprechend euphorisch gab sich das Publikum, welches zuvor von den Partygaranten Backyard Babies aus Schweden und keinem Geringeren als Duff McKagan (Ex-Guns n' Roses, Velvet Revolver) und dessen neuer Combo Loaded angeheizt worden war. (kis)

Backyard Babies
Dieses Package hatte es zumindest auf dem Papier klar in sich! Doch die endgültige Antwort wird bekanntlich jeweils auf dem Spielfeld, respektive auf den Brettern, die die Welt bedeuten, abgegeben. Ich war ziemlich gespannt auf den ersten Auftritt des heutigen Abends, denn erstens hatte ich die Schweden zuvor noch nie (!) live gesehen und zweitens von zahlreichen Berichten in Erinnerung, dass die Post da jeweilen ziemlich abgehen soll. Bereits kurz nach 18.15 Uhr kam die Band auf die Bühne, als die Halle höchstens halb voll war. Dennoch bot sich dem Betrachter ein soweit anständiges Bild. Kaum angefangen fragte ich mich jedoch, wo denn da der ansich legendäre und laute Rotz-Rock geblieben war. Im Fahrwasser von The Almighty und Aerosmith rockten die Backyard Babies bei bescheidenem Sound eher auf Sparflamme denn mit Vollgas. Mag auch sein, dass mittlerweile 20 Jahre auf Achse die ent-sprechenden Spuren hinterlassen haben. Wer sich die Gesichter der Musiker zum Beispiel auf der MySpace-Seite ansieht, wird zu einem ähnlichen Schluss kommen. Songmässig konnte ich persönlich eigentlich nichts erkennen, da mir der Backkatalog der Nord-länder überhaupt nicht geläufig ist. Aufgrund von Recherchen kann hierzu festgehalten werden, dass die ausgewählten Stücke eine solide Annäherung an das Gesamtwerk waren und es einige Fans in der Halle hatte, die sehr wohl wussten, was gerade gespielt wurde und sich entsprechend einbrachten. Ein brodelnder Moshpit lag jedoch weit entfernt und so machte sich beim Schreiberling bald einmal die Langeweile und Enttäuschung über das Gezeigte breit. Mag ja sein, dass in jüngeren Jahren der Mob tobte, doch heute Abend war der Gig nach knappen, jedoch überraschend langen 40 Minuten einfach ok, mehr aber nicht. (rsl)

Setlist: «Degenrated» - «Star War» - «Back On The Juice» - «Fuck Off And Die» - «Brand New Hate» - «Minus Celsius» - «Abandon» - «Everybody Ready» - «Nomadic» - «Dyfunctional Professional» (Angaben ohne Gewähr - Songs stammen von Berlin, 17.3.09 - dürften aber weitgehend übereinstimmen!)

Duff McKagan's Loaded
Nach den nicht mehr so jungen Babies hiess es dann Bühne frei für einen geladenen Revolver. Duff McKagan, in erster Linie bekannt als Mann der tiefen Töne bei Guns n' Roses, als sie noch gut waren, nutzte die Zwangspause durch den Sängerausfall bei seiner Hauptbande Velvet Revolver, um ein altes Sideproject wiederzubeleben. Als Sänger/Gitarrist zeigte der schlacksige Riese dabei, dass er musikalisch noch einiges mehr zu bieten hat als stramme Basslines. So mimt Duff mit Sonnenbrille und Lederjacke den punkig, coolen Fronter, während seine beiden Kumpels Mike Squires (lead guitars) und Jeff Rouse (bass) in beiden Bühnenecken schweiss-treibende Gymnastik zum Besten geben. Lichtmässig verweilen die beiden Sidekicks im Gegensatz zu ihren instrumentalen Fähigkeiten des Öfteren im Dunkel, ist doch auch die Lichtshow mit einem Spotlight in der Mitte voll auf Duff ausgerichtet. Partytaugliche Songs wie «Sick», «Sleaze Factory» oder «Seattlehead» von den beiden Scheiben «Dark Days» (2002) und «Sick» (2009) kommen beim Publikum zwar gut an, können durch ihre Unbekanntheit die Leute jedoch noch nicht vollends mitreissen, obwohl man mit «Flatline» einen wahren Hit im Gepäck hat und man eine sentimentale Version der Stones-Ballade «Wild Horses» zum Besten gibt. Mit einem grandiosen Cover-Medley, bestehend aus «TNT» (bei welchem Gitarrist Squires den Gesang übernahm und sich gleich als neuer Bon Scott empfahl) und «I Wanna Be Your Dog» von den Stooges und spätestens, als er mit seinem Bass bewaffnet einige Gunners-Songs anstimmt, um dann das komplette «It's So Easy» abzudrücken, da hat der Mann mit einem Diplom in Finanzwissenschaften das Publikum (bis auf einige Axl-Rose-Groupies) im Sack und man hofft, dass Duff McKagan das eine oder andere Mal egal mit welcher Band wieder in die Schweiz kommen wird. (kis)

Setlist: «Sick» - «Executioner's Song» - «Sleaze Factory» - «Dark Days» - «Seattlehead» - «IOU» - «Attitude (Misfits-Cover)» - «Wild Horses (Rolling-Stones-Cover)» - «Flatline» - «I Wanna Be Your Dog/TNT (Stooges/AC/DC-Cover)» - «It's So Easy (Guns n' Roses)».

Mötley Crüe
Nach den erwartungsgemäss frenetisch abgefeierten Guns n' Roses Klängen von Ex-Bassist Duff McKagan musste jetzt noch eine Steigerung her! Das letzte Gastspiel der amerikanischen Kult-Poser in Winterthur (1.6.07) hatte ich nämlich in ziemlich schlechter Erinnerung. Was mir und KollegenInnen aus der gleichen Zunft am heutigen Abend aber primär sauer aufstiess, war die total rigide Weisung des Crüe-Managements, dass man nur vom Mischpult aus fotographieren durfte!! Das hinderte mich freilich nicht daran, trotzdem ein paar brauchbare Bilder zu schiessen. Schlaumeier Gary van der Ahé nahm derweil eine veritable "Kanone" inkl. Einbein mit. Immerhin hatte man vom Podest aus einen ungetrübten Blick auf die Bühne und das Geschehen dort. Ehe es wirklich losging, wurde das mittlerweile zur Tradition gewordene "Intro vor dem Intro" in Form vom ausgespielten AC/DC-Brecher «Hells Bells» serviert. Das zieht sich bekanntlich etwas in die Länge und ist meiner Meinung nach nicht wirklich glücklich gewählt. Da passt The Doors' «The End» bei W.A.S.P. jeweilen besser. Mit «Kickstart My Heart» fand die Warterei der Die-Hard Fans ein Ende. Darunter hatte es einige, die nach dem Einlass regelrecht rein spurteten, um ja ganz vorne zu stehen. Ein nicht näher genannter Held brachte es dabei gar fertig, in der ersten Rechtskurve filmreif zu straucheln und knallte der Länge nach auf den Boden! Doch Metal- und Rockfans sind hart im Nehmen und eine praktisch ausverkaufte Halle liess das "Tägi" erzittern, als Vince Neil (v), Nikki Sixx (b), Mick Mars (g) und Tommy Lee (d) die Start-Triplette mit «Shout At The Devil» abschlossen. In dieser Zeit durfte bekanntlich fotographiert werden und vielleicht hatte ich deshalb etwas das Gefühl, dass der Anfang sicherlich nicht schlecht war, aber dennoch irgendwie verhalten wirkte. Das änderte sich dann schlagartig mit «Saints Of Los Angeles» vom gleichnamigen, neuen Album. Leider ging dieser Schwung durch das viel zu frühe Guitar-Solo von Mick Mars, der je länger je mehr Gevatter Tod ähnelt, postwendend wieder verloren. Mit dem alten Classic «Live Wire» wurde der Mob jedoch wieder rasch geweckt und von da an, ging die geile Show von Mötley Fuckin' Crüe erst richtig los. Dass vorne echt der Bär los war, zeigten einige bereits ziemlich verschwitzte Leute an, die nach weiter hinten drängten. Die Band spielte tight auf und zu viel Licht und Nebel gesellte sich eine ständig schlechter werdende Luft wie spürbar steigende Temperatur in der Halle. Die meisten Leute kümmerte dies zunächst nicht gross und darum wusste das Publikum mit lautstarkem Mitsin-gen, zum Beispiel bei «Same Ol' Situation, voll zu überzeugen. Anders als noch in Winterthur reagierten die vier Amerikaner mit guter Laune und zunehmender Spielfreude. «Looks That Kill» geriet zu meinem Highlight des Abends, während «Girls, Girls, Girls» einfach nur genial war. Die Halle bebte und den Fans ging bei mittlerweile subtropischen Verhältnissen langsam aber sicher die Puste aus. Gerade hinter mir, also nicht mal im Pulk drin, sackte beispielsweise ein Girl wie ein Sack Kartoffeln zu Boden. «Home Sweet Home» mit Tommy am Keyboard beendete schliesslich ein ohne Zweifel überraschend gutes Konzert nach etwas mehr als 90 Minuten und wer Mick Mars beim Verlassen der Bühne gesehen hat, konnte erahnen, dass dieser gesundheitlich angeschlagen ist. Auf sein Spiel hatte das zum Glück keinen Einfluss und auch der Sound generell (bis auf ein zeitweiliges Brummen der PA) war überaus fett. Komplett nass hingegen, und zwar auf der Innenseite, waren alle Fenster der Halle! Und plötzlich wollten alle möglichst so schnell raus, wie sie teils reingekommen waren. Mötley Crüe 2009 sind heiss und definitiv wieder zurück im Geschäft! (rsl)

Setlist: «Intro (AC/DC - Hells Bells)» - «Intro» - «Kickstart My Heart» - «Wild Side» - «Saints Of Los Angeles» - «Solo Mick Mars» - «Too Fast For Love/On With The Show» - «Motherfucker Of The Year» - «Don't Go Away Mad» - «Same Ol' Situation» - «Primal Scream» - «Looks That Kill» - «Girls, Girls, Girls» - «Dr. Feelgood» -- «Home Sweet Home»