Livereview: Mötley Crüe -
Slash (feat. Myles Kennedy And The Conspirators) - Gloria Volt

21. Juni 2012, Basel - St. Jakobshalle
By Tinu (tin) & Rockslave (rsl) - All Pics by Rockslave
Mötley Crüe und Basel? Das weckte nicht nur beim Headliner Erinnerungen, die weit zurück und zwar bis ins Jahr 1984 reichen. Da waren gerade Iron Maiden mit ihrer monströsen "World Slavery Tour" unterwegs und brachten die Amis als Support mit. Allerdings war das bereits meine zweite Begegnung mit den aufstrebenden Amerikanern, denn im Sommer, genauer am 31. August '84, spielten sie ja zusammen mit Van Halen und AC/DC in Winterthur, beim Openair auf der Schützenwiese. Mehr noch als in Basel beherrschten vor allem eine ganze Menge ziemlich leicht bekleideter Metal-Girls das Bild vor Ort. Dass dies nicht nur Van Halen hervor riefen, sah man(n) dann schon bald, als Vince Neil, Nikki Sixx, Mick Mars und Tommy Lee die Bühne bestiegen und ungestüm los legten. Inzwischen ist dieser Hype verflogen, aber Mötley Crüe kriegten die Kurve in den letzten Jahren nochmals, brachten 2008 mit «Saints Of Los Angeles» nach acht Jahren Pause ein ziemlich gutes Album heraus und tourten seither auch wieder. In der Schweiz letztmals in Wettingen vor fast genau drei Jahren und da blieb einem nicht nur die brutale Hitze in der Halle in Erinnerung. Mit Slash (wieder begleitet von Myles Kennedy) fungierte ein Hochkaräter im Vorprogramm, der seinem alten Spezi Axl W. Rose am gleichen Ort sechs Tage voraus war. Als Opener des Abends spielten die Schweizer von Gloria Volt auf, die unlängst eine feine 5-Track EP veröffentlich hatten. (rsl)

Gloria Volt

Anstelle von Black Veil Brides standen die Winterthurer Gloria Volt auf der Bühne. Das Quintett versuchte mit ihrem AC/DC-, Rose Tattoo-lastigen Sound den Spassfaktor in der Halle in die Höhe zu treiben, was aber nicht unbedingt gelang. Ganz klar, der Rhythmus ging in die Beine, aber dort verpuffte alles relativ schnell und was an Erinnerung zurück blieb, waren die Entertainerversuche von Sänger Fredi Volvo. Einer, der aussieht wie eine Mischung aus Lemmy und Hannes Haurein mit den tänzelnden Einlagen eines Steven Tyler und der schlaksigen Art von Ozzy. Jungs, es war okay, mehr aber auch nicht. (tin)

Slash (feat. Myles Kennedy And The Conspirators)
Ein ganz anderes Kaliber waren die Herren um den ehemaligen Guns n' Roses-Gitarristen Slash. Im Speziellen der Alter Bridge Sänger Myles Kennedy bereichert die Truppe ungemein. Mit seinem Stimmorgan überzeugte der bescheiden auf der Bühne agierende Shouter von der ersten Sekunde an. Myles trieb das Publikum immer wieder an und versuchte somit die Solo-Lieder von Slash ebenso stark zu pushen, wie die Hits von Guns n' Roses, die sich als Selbstläufer entpuppten und von den 4'500 Menschen gierig aufgesogen wurden. Es ist ja sehr schade, dass die genialen Tracks von Slash («Standing In The Sun», «Anastasia») klar im Schatten der von allen geforderten Roses-Hits standen. Mit «Nightrain», «Sweet Child O' Mine» und dem Rausschmeisser «Paradise City» gab es kein Halten mehr in der Joggeli-Halle und gefüllte und fast leere Bierbecher flogen unkontrolliert herum, Männer lagen sich in den Armen und die Ladies träumten von einer amourösen, verwehrt gebliebenen Nacht mit der Urbe-setzung von Guns n' Roses. Der Zylinder-träger schien dies alles eher ruhig und kalt zu lassen. Slash konzentrierte sich auf sein Gitarrenspiel und seine Band, die ihm die Möglichkeit gab, sich ins Scheinwerferlicht zu stellen. Cool, lässig und völlig unbeeindruckt von den Reaktionen der Fans spielte er für sich und seine Band. Myles animierte das Publikum zum Klatschen und grinste dabei wie ein Sieger. Mister Kennedy war auch einer, denn seine Stimme passt zu den Slash-Songs ebenso gut, wie auch zu den Roses-Hits und dem Velvet Revolver-Track «Slither». So einzigartig sein Organ auch ist, so problemlos kann er damit die Hits anderer Sänger singen und sie erklingen noch immer als stünde der Ur-Frontmann auf der Bühne. Es war eine astreine Rock-Sause, mit zwei Eckpfeilern, die sich gefunden haben und bei denen man nur hoffen kann, dass es noch lange heisst: «Slash feat. Myles Kennedy» (tin)

Setliste: «One Last Thrill» - «Nightrain» - «Ghost» - «Standing In The Sun» - «Back From Cali» - «Shots Fired» - «Halo» - «My Michelle» - «Anastasia» - «Sweet Child O' Mine» - «You're A Lie» - «Slither» - «Paradise City».

Mötley Crüe
Das ist ja immer so eine Sache mit Crüe. Grundsätzlich gehört die Truppe zu einer meiner Lieblingsbands. Allerdings habe ich die Jungs auch schon in einer mehr als nur mässigen Spiellaune erlebt, mit zu viel Theater und zu wenig Musik. Um es vorweg zu nehmen…, auch wenn keine Pyros gezündet wurden, es war eine fantastische, von der ersten bis zur letzten Sekunde faszinierende Show, die geprägt war von einem sichtlich gesünderen Mick Mars an der Gitarre, sowie einem für seine Verhältnisse sehr gut singenden Vince Neal. Der einzige Wermutstropfen war, dass man die Sticks nie oder nur ganz selten propellerförmig in den Händen von Tommy Lee kreisen sah. Hey Alter, was war da los? Auch wenn das Drum-Solo im Loopingring (Roller Coaster) zu den absoluten Highlights gehörte und der ehemalige Gatte von Pamela Anderson dabei noch einen Besucher auf die letzte Runde mitnahm («Timo, do you have a girlfriend or a wife? No? A boyfriend (lachend)? Say good-bye to the people, because we don't coming back!»), alles cool soweit, aber Mister Lee hat schon mehr Ass gekickt als an diesem Donnerstag Abend.

Die Bühne bestand aus diesem grossen Ring, in welchem sich das Drum-Kit von Tommy befand. Seitlich daran waren viele Spots befestigt, welche die Show optimal beleuchteten. Darin widerspiegelten sich immer wieder tolle Projektionen, wie der kleine Hochzeitsfilm zu «Some Ol' Situation (S.O.S.)», diverse Bilder von Frauen (unter anderem Lady Di und Farrah Fawcett) bei «Girls, Girls, Girls», und die Hand, welche das Drumkit von Tommy anzustossen schien, bei seinem Solo, bis er schlussendlich kopfüber im Rund seines Roller Coasters sass. Eröffnet wurde das Konzert nach einem kleinen Intro mit «Wild Side». Die Marschrichtung wurde gleich vorgegeben und mit einer dunkelhäutigen Brünetten und einer üppig ausgestatteten Blondine als Sänger- und Tänzerinnen wurde das wilde Leben gleich mal optisch umgesetzt. Die teils choreographisch umgesetzten Tanzeinlagen wechselten sich mit lasziven Dehnübungen der Ladies ab, je nachdem was der Text des entsprechenden Songs gerade verlangte. Als vor «Don't Go Away Mad (Just Go Away)» Mister Neal das Mikrofon und die Gitarre von den beiden Holden gebracht wurde, konnte es sich der Tiger nicht nehmen lassen, die beiden mit einem breiten Grinsen und einem viel sagenden Blick zu küssen. Und seien wir ehrlich, welcher Schwanz getriebene Typ hätte dies nicht auch gewollt? Die Ausstrahlung von Vince hat in den letzten Jahren leider gelitten. War er früher der dünne, schmächtige, alles vernaschende Mädchenschwarm, hat er heute von dieser Attitüde einiges eingebüsst. Klar kann er noch immer die meisten Frauen mit seinem Lächeln um den Finger wickeln, aber die, wenn auch kleiner gewordenen Rundungen bei seinem Bauch stehen entgegen gesetzt zu seiner «Baby kneel down»-Attitüde. Aber, und das alleine zeichnet den Sänger aus, Vince bestach an diesem Abend mit seinem Gesang. Schrie sich der Gute dann bei «Looks That Kill» souverän die Seele aus dem Leib, konnte das Fazit nur heissen: "Er kam, sah und siegte». Auch die eher unterkühlte Stimmung zwischen ihm und Bandleader Nikki Sixx scheint sich verbessert zu haben. Zumindest konnte heute der Bassist darüber lachen, wenn ihm Vince das Mikrofon für die Backingvocals hinhiellt und kurz vor seinem Einsatz selbiges mit der Hand abdeckte. Früher hätte es dafür wohl Kokain-Entzug gegeben.

Neben den zu erwartenden «Dr. Feelgood»-Hits standen klar die alten Kracher im Vordergrund. Mit «Live Wire», «Too Fast For Love» (YES!!!) und «Piece Of Your Action» (wie geil war das denn!!!) vom Debütalbum, sowie «Shout At The Devil» und «Looks That Kill» vom Zweitling griff man teils unerwartet tief in die Klassiker-Kiste rein. Zusammen mit «Wild Side», «Girls, Girls, Girls», «Smokin' In The Boys Room» und der unverzichtbaren Hammer-Ballade «Home Sweet Home» fügte man noch mehr nostalgisches Flair in die Setliste ein. Speziell beim Schmuse-Song der Jungs und der Piano-Einleitung von Tommy überkam manch einen eine grosse Fellschicht auf dem Arm und nicth wenige erinnerten sich an ihre Jugend zurück und die damals mit diesem Song verbundenen Erlebnisse. Über diese legen wir aber besser den Mantel der Verschwiegenheit… «We came all the way from America», liess uns Nikki wissen und wollte wissen «Are you happy to see us?» Die Antwort war ein lautes Geschrei in der Basler Halle. Mister Sixx erinnerte sich dann an den Auftritt am 14. November 1984, als sie zusammen mit Iron Maiden auf Tour waren und die gleiche Halle zum Toben brachten: «We have great memories to the eighties, to all the girls and the pussies!» Als Dank dafür liess er sieben Mädels und einen Jungen die Bühne ersteigen, um beim nächsten Song mit zu klatschen und mit zu tanzen. Anhand des Alters der Zeitgenossinnen konnte man davon ausgehen, dass sie 1984 noch nicht einmal von der Mutter zum Vater gewechselt haben! - Wie wohl oder eher unwohl sich die Gruppe auf der Bühne vor dem Schlagzeug von Tommy fühlte, sah man recht schnell den Bewegungen der Einzelnen an.

Mick Mars, der seit Jahren an Spondylitis Ankylosen, einer Rheumaerkrankung leidet, bewegte sich weitaus mehr, als an vergangenen Konzerten. Man kann über sein geschminktes Gesicht diskutieren, das wie sein persönlicher Tod aussieht, aber er ist und bleibt einer der unterbewertetsten Gitarristen. Während seinem kurzen Solo, Tommy zog genüsslich an einer Zigarette, brillierte er sicherlich nicht wie die grossen Helden, aber er verstand es nach wie vor, fantastische Riffs aus seiner Gitarre zu pfeffern und damit alle in seinen Bann zu ziehen. Mick ist der ruhende Pol in der Band und das musikalische Bindeglied. Widmet er sich seinem Können, schreit daneben Vince quirlig in die Halle: «…of fuck yeah, hey motherfucker, are you feeling allright? No, no, don't say yeah, say FUCK yeah!» Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. (tin)

Setliste: «Intro/Wild Side» - «Live Wire» - «Too Fast For Love» - «Saints Of Los Angeles» - «Shout At The Devil» - «Don't Go Away Mad (Just Go Away)» - «Same Ol' Situation (S.O.S.)» - «Short Guitar Solo Mick Mars/Looks That Kill» - «Piece Of Your Action» - «Primal Scream» - «Smoking In The Boys Room» - «Drum Solo Tommy Lee» - «Dr. Feelgood» - «Girls, Girls, Girls» - «Home Sweet Home» - «Kickstart My Heart».