Livereview: Mr. Big - LionMinds

20. Oktober 2014, Pratteln – Z7
By Tinu
 
Sie kehrten wieder ins Z7 zurück. Sänger Eric Martin, Gitarrist Paul Gilbert, Bassist Billy Sheehan und Schlagzeuger Pat Torpey. Besser bekannt unter dem Namen Mr. Big mit ihrem Welthit «To Be With You». Bedingt durch die Parkinson-Erkrankung von Pat sass an diesem Abend Matt Starr (Ace Frehley) hinter der Schiessbude. Pat liess es sich aber nicht nehmen, bei drei Songs selber in die Felle zu hauen und verlieh so «Just Take My Heart», «Fragile» und «Mr. Big» den Groove, wie man ihn von der Band kannte. Matt hinterliess einen vorzüglichen Eindruck, spielte vielleicht etwas weniger filigran, dafür mit mehr Power. Schön aber, dass die Band, Pat nach wie vor auf der Bühne dabei haben wollte und ihm auch eine grosse Plattform bot. Mit seinem kleinen Schlagzeug, der stetigen Unterstützung mit dem Tamburin und seinen Chorgesängen war er immer Präsent auf der Stage. Trotzdem sah man Mister Torpey an, dass er sicher schon gesündere Tage erleben durfte.

LionMinds
Bevor uns aber Mr. Big einen musikalisch tollen Abend boten, stand ein einheimisches Duo auf der Bühne. LionMinds versuchten, das Publikum in den kommenden dreissig Minuten aus der Reserve zu locken. Dazu standen der Sänger und der Akustikgitarrist an ihren Mikrophonen und boten schöne Hintergrundmusik. Solche, die niemandem weh tut, aber auch solche, die niemanden vom Hocker reisst. Hätten die Zwei in einem Pub gespielt, würde man sich an Sounds erinnern, die passend den Abend abrundeten. Als Vorband von Mr. Big gerieten die Beiden ab dem ersten Ton des Headliners total in Vergessenheit und die Frage: «Wie hiess nochmals der Support?», wurde nicht nur während des Konzerts des Duos immer wieder gestellt. Ob sich LionMinds damit einen Gefallen taten, wage ich zu bezweifeln. Zu mächtig war der Schatten von Mister Martin und Co., so dass der Akustiksound schnell vergessen war.

Mr. Big
Das grosse Backdrop mit dem Mr. Big-Schriftzug kündigte es von Beginn weg an. An diesem Abend wurde mit technischen Fähigkeiten nicht gegeizt. Der Fünfer bot eine ganz andere Qualität als der Support. Dies wurde schon mit dem Eröffnungstrack «Daddy, Brother, Lover, Little Boy (The Electric Drill Song)» klar. Einmal mehr wurde das Solo von Bass und Gitarre mit je einem Akkuschrauber gespielt, an denen vorne am Bohrkopf mehrere Plektren montiert sind. Mit der enormen Drehzahl der Maschine konnte eine wahnwitzige Geschwindigkeit erzeugt werden, die zu einem coolen Solo führte. Der heutige Abend stand mehr im Zeichen der technischen Fähigkeiten, als noch beim letzten Konzert 2011 im Zürcher Plaza Club. Billy und Paul duellierten sich fast bei jedem Song, spielten sich die Licks zu und tauchten in einen wahren Rausch an solistischen Gottesgaben ein. Alleine das Gitarren- und Bass-Duell überzeugte mit kleinen Finessen und handwerklichem Geschick. Eric stand wie immer wie ein kleiner Lausbub auf der Bühne, traf jeden Ton und sang sich nicht nur in die Herzen der weiblichen Fans. Und davon gab es an diesem Abend sehr viele. Dabei wusste Eric immer, wenn er seinen beiden Saitenderwischen den Platz freigeben musste. Von einem Balzgehabe, wie man es sonst bei anderen Bands sieht, keine Spur! Dass die neuen Tracks eher wieder von den Fähigkeiten der einzelnen Musiker leben und weniger das Hitpotenzial eines «To Be With You», «Just Take My Heart» oder «Take Cover» beinhalten, weiss man seit dem Erscheinen von «…The Stories We Could Tell». Mit sechs neuen Liedern in der Setliste öffnete man somit auch der eher verspielteren Version von Mr. Big die Türe.

Erstaunlich waren einmal mehr die Chorgesänge der Truppe. Auch wenn sicher nicht jeder Ton passte, über die gesamte Spielzeit gesehen, waren die Gesänge von Pat, Billy und Paul die passende Ergänzung zum Leadgesang von Eric. Alleine bei «Green-Tinted Sixties Mind» bekam jeder Besucher eine ordentliche Gänsehaut. Schön auch mitanzuhören, wenn Paul sich den Leadgesang mit Eric bei «Out Of The Underground» teilt. Oder sich Paul bei seinem Solopart mal kurz «Back In Black» für eine sehr eigenwillige Interpretation von AC/DC auslehnt. Gewöhnungsbedürftig waren allerdings die Soli bei «Take Cover». Ein Lied, das man so spielen muss, wie es auf Konserve zu hören ist. Alles andere beraubt das Flair des Tracks. Dieses kleine Manko wurde durch die von Eric an der Akustikgitarre unterstützten «Wild World» und «East/West» wieder ausgebügelt. Das grosse Finale wurde durch einen lauten Fanchor bei «Just Take My Heart» eingeläutet. Mit dem Basssolo von Billy wurde schliesslich das wilde «Addicted To That Rush» als letzter offizieller Song gespielt. Nach einer kurzen Verschnaufpause stand der Fünfer wieder auf der Bühne und gewohnt stellte Eric seine Bandmembers vor, um dann in den millionenfach verkauften Welthit «To Be With You» einzusteigen. Dass das Publikum lauthals mitsang, erübrigt sich zu erwähnen. Grundsätzlich war die Stimmung extrem gut im Z7. Wo es was zum Singen gab, standen die Pratteler ihren Mann wie ihre Frau und wo andächtig zugeschaute wurde, überbrachte man den Solisten die ehrfürchtige Huldigung. Laut wurde es wieder, als sich Paul ans Schlagzeug setzte, Billy sich die Gitarre und Eric den Bass schnappten, Matt sich die zweite Gitarre umhängte und Pat ans Mikrofon trat. «Breaking the what…?», liess vermuten, dass nun der Judas Priest-Klassiker «Breaking The Law» gespielt werden sollte, doch weit gefehlt! Mit «Living After Midnight» wurde der Spasspegel an diesem Abend nochmals erhöht und zeigte Musiker, die locker auch ein anderes Instrument spielen können. Speziell Paul entpuppte sich dabei als grandioser Trommler. Nach diesem Angriff wurde der Abend mit «Mr. Big» ausgeläutet und Pat durfte sich nochmal ans Schlagzeug setzen.

Es war ein musikalisch denkwürdiger Abend, auch wenn die Konzerte im Plaza Club und der Reunion-Gig im Z7 vor einigen Jahren vom Spassfaktor her nicht erreicht wurden. Aber selbst so überzeugten die Amis auf der ganzen Strecke und hinterliessen eine total erschöpfte Fangemeinde, die glückselig den Nachhauseweg antrat.

Setliste: «Daddy, Brother, Lover, Little Boy (The Electric Drill Song» - «Gotta Love The Ride» - «American Beauty» - «Undertow» - «Guitar/Bass Duell» - «Alive And Kickin'» - «I Forget To Breath» - «Take Cover» - «Green-Tinted Sixties Mind» - «Out Of The Underground» - «Guitar Solo – Paul Gilbert» - «The Monster In Me» - «Rock & Roll Over» - «As Far As I Can See» - «Wild World» - «East/West» - «Just Take My Heart» - «Fragile» - «Around The World» - «Bass Solo Billy Sheehan» - «Addicted To That Rush» -- «To Be With You» - «Colorado Bulldog» - «Living After Midnight» - «Mr. Big».