Livereview: Qntal - Zeraphine

21. September 2013, Zürich - Dynamo (Saal)
By Natalia N.
Nachdem der Sänger Sven Friedrich und der Gitarrist Norman Selbig im Jahre 2000 die Tätigkeit der Gruppe Dreadful Shadows beendet hatten (in der Zwischenzeit wurde die Band wiederbelebt, sogar mit den Originalmitgliedern), gründeten sie eine neue Band namens Zeraphine, und schon seit 10 Jahren geben sie einen Hit nach dem anderen im Rahmen des neuen Projektes, und viele von denen können gleich nach der ersten Anhörung zum Ohrwurm werden! Diese hoch anerkannten Melodiemeister faszinieren nicht nur Anhänger der so genannten Gothicszene, sondern auch andere Kreise der Zuhörer. Die Möglichkeit, die bekannten Hits von Zeraphine nicht nur im Live-Format zu hören, sondern auch mitsingen zu dürfen, bereitet Spass. Deswegen durfte man eine solche Chance nicht verpassen!

Ausserdem trat auf der gleichen Szene an diesem Abend auch die legendäre Band Qntal auf, deren erfolgreiche Experimente in Vermischung der mittelalterlichen Melodien mit moderner elektronischen Musik mehrmals eine angenehme Überraschung bei den Anhänger dieses Genres bereiteten. Aber ich war echt überrascht, dass Zeraphine zuerst auftraten, und nur gegen 22.00 Uhr erschienen Qntal auf der Bühne. Ich glaubte, dass Qntal an Anfang des Konzertes singen sollten. Aber wie man mit eigenen Augen feststellen konnte, hatten die Organisatoren die richtige, vorteilhafte Reihenfolge der Auftritte ausgewählt. Zuerst - Tanzrhythmen und lyrische Motive, und danach Meditation zu mystischen Melodien! Und das alles im grossen Saal des Dynamo - einer der besten Hallen von Zürich!

Zeraphine
Punkt halb neuen erschienen die Musiker von Zeraphine auf der Bühne. Ich unterstreiche, dass in den 90er Jahren die Dreadful Shadows zu den bekanntesten Bands der Gothic Rock-Szene gehörten und Verehrung verdienten. Deswegen war es nicht sonderlich erstaunlich, dass dem Duo Sven und Norman es ohne Hilfe der Vorgruppen und dem Anheizen gelang, blitzschnell den Kontakt mit den Zuschauern aufzunehmen, denn sie hatten so eine grosse Erfahrung in Live-Konzerten! Sven war ziemlich redselig und tanzte charmant zum Rhythmus des einen oder andern Liedes. Ab und zu scherzte er und dabei sehr zur Situation passend. Die Musik von Zeraphine enthält in sich ziemlich viele elektronische Keyboardparts, und Sven sprach sogar aus Spass mit der Apparatur, als ob diese eine der unsichtbaren und körperlosen Teilnehmer der Band wäre: «Geist des elektronischen Keyboardspielers: Dreadful Shadow». Das verlieh dem Auftritt einen besonderen Charme! Die Zuhörer der vorderen Reihen tanzten sehr energievoll, aber mit dem Singen war es anders. Sven versuchte, die Zuschauer zum Singen wenigstens des bekanntesten Liedes „Sterne sehen“ zu animieren, aber meiner Meinung nach hatten die Wenigen, die mitsangen, ihre Aufgabe nicht erfüllt. Vor dem Lied «Remaining Desires» machte Sven noch einen Versuch, die Zürcher zum Singen zu bringen und gab ihnen Gesangsunterricht, in dem er alle bat, wenigstens die leichte Melodie des Refrains mitzusingen: die Zuschauer sangen faul „Oh-Uh-Oh“. Nur nach diesem Trick gelang es dem Saal, dieses Lied gemeinsam mit der Band zum Erklingen zu bringen. Die Gruppe bereitete eine lange Setliste, die 18 Lieder aus allen Alben enthielt, vor, und trat 90 Minuten lang auf. Aber die Zeit verging sehr schnell, und die Musiker verliessen die Bühne nach der betrüblichen Komposition «Wenn du gehst». Aber sollte das Konzert mit so einer traurigen Stimmung beendet werden? Natürlich war es anders: Die Fans konnten die Band nicht einfach so ziehen lassen. Sie fingen an zu applaudieren und verlangten von den Musikern eine Zugabe. Als Resultat erschien der Bassist mit seiner 5-saitigen Bassgitarre auf der Bühne und berichtete, dass alle zurück kehren werden. Danach kamen die Kollegen dazu und sangen da capo noch zwei Lieder aus späterer Schaffensphase. Und nur danach konnten Zeraphine die Bühne endgültig verlassen.

Setliste: «No Tears» - «The Stream» - «Be My Rain» - «Louisa» - «Fang mich» - «Toxic Skies» - «Rain Falls» - «Die Wirklichkeit» - «Siamesische Einsamkeit» - «No More Doubts» - «Try» - «Still» - «Inside Your Arms“, „I'll Follow You» - «Sterne Sehen» - «Remaining Desires» - «New Year's Day» - «Wenn Du Gehst“, Encore: „Die Macht in Dir» - «I Will Be There».

QNTAL
Vor dem Auftritt von Qntal wurde die Bühne umgebaut. Auf sie wurde das dreistöckige Keyboard von Philipp "Fil" Groth - Elektroniker und Programmierer der Band - und auch ein paar Ständer und Halter für antike Streichinstrumente, die einer der Bandgründer, und zwar Gitarrist Michael Popp, spielte, aufgestellt. In der Bühnenmitte stand ein niedriger Rundtisch mit Satindecke, auf der sich die ziemlich grosse Flöte der Hauptvokalistin Sigrid "Syrah" Hausen befand. Links vom Tisch hing die Geige der Backgroundsängerin Mariko am speziellen Ständer. Sie schloss sich der Gruppe vor nicht allzu langer Zeit, und zwar 2010, an. Ich war erstaunt, dass die Band jetzt zwei Sängerinnen hat, denn da die Gruppe schon seit langer Zeit keine neuen Alben heraus gegeben hatte (das Letzte wurde 2008 veröffentlicht), verfolgte ich ihre Tätigkeit nicht weiter. In der hinteren Ecke der Bühne stand das Theremin. Nach allen Vorbereitungen nahm Michael den Platz neben ihm ein und machte ein paar magische Bewegungen mit den Händen um die Antenne, und eine stetig anschwellende Welle brach über die Zuschauer herein. Zu diesen Klängen des Theremins kam Syrah in gemächlichem Tempo auf die Bühne. Die Gewänder der Sängerinnen beeindruckten mich tief. Syrah hatte ein langes, rotes Atlaskleid an, und über dem Kleid trug sie einen noch längeren Cardigan mit sehr weiten Ärmeln. Mariko kleidete sich für den Auftritt hingegen so ein, dass sich etwas Gemeinsames mit japanischen Kimonos ergab. Die Beiden sahen sagenhaft aus! Aber die Männer waren auch ziemlich ausserordentlich angezogen. Der antike Oberrock und das Hemd mit der prächtigen Hemdkrause von Michael machten auf mich mächtig Eindruck. Die Sängerinnen bewegten sich theatralisch, und es glich einem Schritttanz im Takt der Musik. Syrahs Bewegungen waren besonders ausdruckshaft: Sie war während des Auftritts wie in einem Trancezustand. Die Band hatte alles Mögliche getan, um die Zuschauer ins tiefste Mittelalter, in die Zeit der fahrenden Spielleute, die mit ihrer Kunst Stadtleute amüsierten, zu entführen. Auf der Setliste war «Name der Rosa» zu finden, die uns zum Schaffenswerk eines bekannten italienischen Philosophen/Wissenschaftlers namens Umberto Eco führte. Aus seiner Feder stammte der Roman über das Leben im mittelalterlichem Kloster, «Il nome della rosa», der zum Meisterstück der Gegenwartsliteratur wurde. Das alles hatte Syrah den Zuschauern erzählt, bevor man zu singen anfing. Die Setliste war einfach ausgezeichnet, Syrah sang auf mehrere Sprachen, unter anderem auch auf alten europäischen Mundarten und spielte ab und zu Flöte. Michael spielte abwechselnd Gitarre, alte Lielle und Tar. Ihre Aufgabe der Mitnahme der Zuschauer ins Mittelalter hatten Qntal sehr gut erfüllt! Ich hoffe aber trotzdem, in kommender Zukunft neue Lieder dieser Ausnahmegruppe hören zu können.

Setliste: «Translucida» - «Palestinalied» - «Dulcis Amor» - «Schnee» - «Glacies» - «Name der Rose» - «Departir» - «Sumer» - «Nihil» - «Entre Gratum» - «Veni» - «Ad Mortem Festinamus».