Livereview: Rage - Edenbridge - Dezperadoz
22. April 2008 Z7 Pratteln
By Roger W. & Rockslave
Heavy Metallern eilt der Ruf voraus, sie seien konservativ und an Veränderungen nicht interessiert. Dieses Vorurteil mag oft falsch sein, trifft aber sicher in einem Punkt zu: Sie lieben Bands, welche zuverlässig geile Konzerte spielen. Rage ist so eine. Wie oft habe ich die Band um Scheffschreier und Bassist Peavy Wagner in den letzten Jahren schon gesehen? Ich weiss es nicht. Aber mir ist bewusst, dass auch dieser Auftritt im Rahmen der „Carved In The Road“-Tour zum fast gleichnamigen neuen Album schlicht geil war. Und im Vergleich zum letzten Mal mussten Rage diesmal nicht gegen eine übermächtige Vorgruppe à la Freedom Call ankämpfen, obwohl mit den Wüsten-Metallern Dezperadoz und den österreichischen Symphoniker Edenbridge Gruppen am Start waren, welche an Spielfreude nur knapp den Anschluss an den Headliner verpassten. Edenbridge schienen an diesem Abend gar zu polarisieren. Konnten viele dem Sound nur ein müdes Gähnen abgewinnen, hoben andere, wie z.B. unser Rockslave, in höhere Sphären ab. (rowe)

Dezperadoz
Einigkeit herrschte dafür bei der ersten Truppe. Die Cowboys hatten mit fast 50 Minuten eine mehr als grosszügige Spielzeit und nutzten diese auch ausgiebig… zum Quatschen! Neben den ernst zu nehmenden, mehrfach pointierten Aufrufen zu mehr Zivil-Courage war sich Sänger Alex Kalf auch nicht zu schade, einfach mal Nettes und ganz Belangloses zu erzählen. Dazwischen spielte die Band guten Heavy Rock, welcher gespickt mit Western-Elementen war und damit eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen konnte. Der erst dritte Auftritt in dieser Formation zeigte dieses Trio in Höchstform und liess keine Zweifel daran, dass es sich hier um keine Anfänger handelte. Ein nachträglicher Blick auf Wikipedia bestätigte den Eindruck. Denn Alex Kalf ist kein Geringerer als der Gitarrist von Onkel Tom, der Nebenband von Sodom-Bassist und Sänger Tom Angelripper. Das Einzige, was mich an diesem Auftritt störte, waren die vielen Keyboardeinspielungen ab Band, welche dem staubtrockenen und gefährlichen Western-Metal ein wenig die Zähne zogen. Mit „Ghostriders In The Sky“ und dem The Doors-Covers „Riders On The Storm“ trumpften die drei Banditen auch mit bekannten Songs auf. Und wenn eine Band fast aus dem Takt fällt, nur weil der Sänger spontan dem Roadie aufträgt, ihm eine Flasche Wasser über den Kopf zu leeren, hat sie eh gewonnen. (rowe)

Edenbridge
Das letzte Konzert der sympathischen Band aus Österreich im Z7 ist schon über drei Jahre her (6.2.05), als man zusammen mit Angra (Headliner) und Manticora unterwegs war, um das letzte Album «The Grand Design» vorzustellen. Danach wurde es ziemlich ruhig um Edenbridge, das heisst bis auf ein paar Konzerte in den letzten zwei Jahren, wovon der letztjährige Abstecher zu drei Konzerten in China alles war in Sachen Live-Auftritte. Diese Durststrecke ist nun offenbar vorbei, denn Lanvall & Co. haben mit ihrem neusten Werk «MyEarthDream» wieder klar Fuss gefasst, auch in Sachen Label-Wechsel. Somit war ich echt gespannt, wie sich das Ganze nun live anhören würde. Unterstützt durch üppiges Licht legten die Gäste aus dem Land unseres Euro '08-Partners mit vollem Brett los. Gitarrist und Mainman Lanvall schmiss sich sogleich in seine bekannten Posen, während Sängerin Sabine Edelsbacher ihre Stimme zuerst noch etwas warm singen musste. Dieser Vorgang dauerte zum Glück aber nicht sehr lange und ab diesem Moment passte alles. In der Tat kommen Edenbridge in der Ausgabe 2008, wie schon auf dem Album zu hören ist, einen ganzen Tick härter daher. Die bisherige Keyboard-Dominanz (leider an Band) wurde spürbar zurück gefahren und machte einem lauteren Gitarren-Sound Platz. Da bewusst ein wenig tiefer gestimmt, entstand dadurch zusätzlicher Druck. Überhaupt und nicht nur durch den Gastauftritt (auf der CD) von Karl Groom (Threshold) erinnert die Musik nun teilweise an die Briten. Das Publikum tobte zwar nicht gerade, aber mit zunehmender Spieldauer konnte auch der Zuspruch gesteigert und gehalten werden. Als Support standen Edenbridge natürlich nur 45 Minuten zur Verfügung, die sie aber gut auszufüllen wussten. Zu den Highlights gehörte mit «Shine» einer der älteren Songs, der mit seinem griffigen Refrain nicht aus der Setlist wegzudenken ist. Wie üblich, gab es jedoch auch ein paar Leute, die dieser Band heute Abend nichts abgewinnen konnten. Soweit so gut, aber spätestens mit dem etwas rauer getrimmten Sound ist der Kitsch-Effekt weitestgehend weg und ich persönlich höre heute (wie damals schon) lieber der Sabine Edelsbacher als Madame Turunen zu. Insgesamt also ein durch und durch überzeugendes Comeback zurück auf den Brettern, die die Welt bedeuten. In naher Zukunft wäre es überdies schön, Edenbridge eines Tages wieder als Headliner (wie in Zürich 2004) erleben zu dürfen. (rsl)

Setliste Edenbridge: The Force Within (Intro), Shadowplay, Remember Me, Wild Chase, Shine, Evermore, The Undiscovered Land, Fallen From Grace, My Earthdream

Rage
Obwohl diese Tour bereits einen Monat dauerte, wirkten Rage heute richtig entspannt und voller Energie. Dies lag neben den tollen Publikumsreaktionen sicher auch am Day Off, welchen die Band am Tag zuvor eingelegt und laut Homepage mit einem gemütlichen Grillfest bei Z7-Chef Norbert gekrönt hatte. Wie auch immer, Rage waren hungrig und überraschten mit einer Setliste, die neben den obligatorischen Klassikern und einigen neuen Songs auch Lieder wie z.B. „Days Of December“ beinhaltete, die ich nicht erwartet hätte. Neutrommler André Hilgers drängte sich im Vergleich zu seinem Vorgänger Mike Terrana zwar nicht so in den Vordergrund, integrierte sich dafür aber umso besser ins Gesamtbild. Rage wirkten dadurch zwar ganz anders, aber überhaupt nicht schlechter. Laut Peavy Wagner ist Hilgers ein grosser Rage-Fan. Und darum spielten sie extra für ihn mit „Refuge“ einen seiner Lieblingssongs. Aber nicht nur der Schlagzeuger wurde grosszügig beschenkt, auch das Publikum bekam mit „Lord Of The Flies“ des aktuellen und „Dies Irae“ des Unity-Album ein Präsent in Form von Sängerin Jen Majura. Unglaublich, welches Volumen diese Dame aus ihrem zierlichen Körper herauskitzelt und mit welcher Sicherheit sie mit Peavy Wagners Stimme harmoniert. Ein weiterer Höhepunkt folgte mit dem Suite Lingua Mortis Song „No Regret“, der eindrücklich Unterstrich, wie man Härte und Harmonie effektvoll verbindet. Spezielle Klänge begleiteten bald darauf Viktor Smolskis-Gitarren-Solo, welches nahtlos in das Instrumental „Unity“ überging. Wer bis jetzt nicht begriffen hatte, welch versierte Musiker vor ihm standen, ging spätestens jetzt ein Licht auf. Ein Medley aus „Long Hard Road“ und den beiden Klassikern „Higher Than The Sky“ und „Don’t You Fear The Winter“ setzte den vorläufigen Schlusspunkt dieses Siegeszugs. Eine Zugabe musste her und folgte mit „Open Grave“ und dem aus dem „Schuh des Manitu“ bekannten kongenialen „Straight To Hell“. Nach beachtlichen 1¾ Stunden war danach Schluss und garantiert niemand unglücklich. Habe ich damit Rage schon zu oft erlebt? In dieser Form niemals! (rowe)

Setliste Rage: Carved In Stone, Drop Dead, Under Control, Soundchaser, Days Of December, Refuge, Lord Of The Flies, Dies Irae, Beauty, One More Time, Lost In Void, No Regrets, Gitarrensolo, Unity (Instrumental), Down, Set This World On Fire, Medley Long Hard Road/Higher Than The Sky/Don’t You Fear The Winter, Open Grave, Straight To Hell