Livereview: Rage - Maxxwell

05. Dezember 2015, Pratteln – Z7
By Tinu
Rage ohne Victor Smolski..., würde das ohne den Weissrussen, der in den letzten Jahren das musikalische Geschehen von Rage diktierte, gehen? Oh ja, und wie das geht! Was Mastermind Peavy schon beim Refuge-Auftritt in Balingen zeigte, passierte auch an diesem Abend vor bedeutend mehr Leuten als an den letzten Rage-Konzerten im Z7. Peavy und sein runderneuertes Trio spielten gross auf, hatten sichtlich Spass am Auftritt und genossen den Applaus in vollen Zügen. Es war die Wiederauferstehung einer von mir einst mal geliebten Band, die ich seit dem Alben «Speak Of The Dead» (2003) abgeschrieben hatte. Im Vorfeld kündigten Peavy, Neugitarrist Marcos Rodriguez und Neutrommler Vassilios «Lucky» Maniatopoulos bereits an, dass diese Tour ganz im Zeichen des 20-jährigen Bestehens ihres erfolgreichsten Albums «Black In Mind» steht. So stammte die Mehrheit der Lieder aus diesem Werk und der Fan kam endlich wieder in den Genuss, die alten Perlen geniessen zu können. Die wurden mit lang nicht mehr gespielten Tracks aus den Alben «End Of All Days», «13», «Ghosts» und ein paar weiteren Alltime-Hits vereint. Somit kam der Freund guter und hingebungsvoller Musik ganz auf seine Kosten, während die Noten-Doktoren sich wohl endgültig von Rage verabschieden werden, da wieder der Song und nicht der Künstler im Mittelpunkt steht…

Maxxwell eröffneten den Abend. Die Innerschweizer boten vielleicht nicht den besten Gig ihrer Karriere, aber zumindest einen, der die Zuschauer bestens auf den Headliner aufwärmte. «Mir si Mäxwel vu Luzärn» verkündete Sänger Gilberto Meléndez, der mit seinen Ansagen nicht immer ins Schwarze traf, dafür umso besser sang. Zeitweise erinnerte der Gute an die rockigere Stimme von Steve Lee (Gotthard). Die Band spielte verdammt tight und dabei trumpfte Basser Kusi Durrer gross auf Er legte einen fetten Groove vor, auf dem sich der Rest der Band austoben konnte. «Boogey Man» und speziell der Oberhit «Slapshot» liessen das Z7 an diesem Abend kräftig in den Grundmauern erschüttern. So dass auch ein kleines Mitsingspiel inszeniert wurde, bei welchem das Publikum sehr gut mitmachte. Es rockte und rollte aus allen Rohren. Ähnlich wie man es von Shakra oder Krokus und den alten Gotthard kennt. Maxxwell sind aber weit davon entfernt, eine blosse Kopie der drei Truppen zu sein. Dazu klingt das Ganze viel zu eigenständig, auch dank den beiden Gitarristen Cyril und Hef. Mit «Ihr dörft gärn echli nöcher cho. Nid du, du bisch scho zvorderscht…», versuchte Gilberto die Besucher näher an das Absperrgitter vor der Bühne zu locken und tatsächlich wurde der Abstand zwischen Band und Publikum kleiner. Maxxwell boten einmal mehr eine coole Show, die vom Publikum völlig zurecht honoriert wurde.


Rage
Mit «Schön wieder ein paar Leute mehr zu sehen» begrüsste Peavy seine «Freunde» im Z7. Der singende Bassist hatte keine Ahnung, wie oft er und seine Truppe schon im Z7 spielten, zumindest wurde ihm vor Jahren symbolisch der Schlüssel vom Z7 ausgehändigt, aber dieser Abend gehörte definitiv zu den besten, wenn nicht sogar zum besten Auftritt, welchen Rage an diesem Ort spielten. Auch wenn Peavy mit Cortison vollgepumpt war und ihm eine schwere Kehlkopfentzündung ihm zu schaffen machte («…ich wollte es mir nicht nehmen lassen für euch zu spielen!»), versuchte er so gut es ging zu singen. Dass dabei die hohen Passagen eher tiefer gesungen wurden, war klar. Mit Marcos hat Peter «Peavy» Wagner aber einen vorzüglichen Shouter in den eigenen Reihen, der die hohen Parts mühelos sang. Die Vermischung aus der eher tieferen Stimme von Peavy und der hohen von Marcos klang sehr interessant, und ich denke, da lässt sich zukünftig im Chor-Bereich noch einiges machen. Es stand wieder eine Band auf der Bühne und keine Zusammenstellung von Einzelmusikern, wie dies in den letzten Jahren leider immer der Fall war. Mit Lucky hat Peavy einen Trommler verpflichtet, der an Chris Efthimiadis erinnerte (sass zwischen 1988 und 1999 hinter den Kesseln). Was auch nicht überraschte, denn Lucky ist ein ehemaliger Drumschüler von Chris und auch lange Jahre der Drumroadie von Rage. Lucky, der ansonsten bei Tri State Corner singt, erledigte einen hingebungsvollen und energiereichen Job. Es war schön zu sehen und zu hören, mit welcher Wucht er auf die Drums einschlug und mit welcher Freude er hinter seinem Kit sass. Marcos spielte die Solos seiner Vorgänger auf seine eigene, faszinierende Art. Der Typ kann alles spielen und dies immer mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Die Mischung aus Gefühl und Technik ist grandios und es wird sich zeigen, was innerhalb dieser Besetzung noch alles möglich ist.

Selten sah ich eine so geile Stimmung bei einem Rage-Konzert im Z7. Ob dies an der neuen Band lag, oder daran, dass sich Peavy wieder auf seine (alten) Hits konzentrierte, spielt keine Rolle. Alleine die Energie, welche von der Bühne kam, steckte die Besucher an. Unterstützt wurde das Trio bei den «Black In Mind»-Tracks vom Tri State Corner-Bassisten Markus an der zweiten Gitarre. Es war endlich wieder an der Zeit, dass man die Hits «Black In Mind», «The Crawling Chaos», «Sent By The Devil» und «Alive But Dead» hörte. Ganz abgesehen davon, dass der Speedkracher «Until I Die», die Hymne «Shadow Out Of Time», das interessante und packende «In A Nameless Time» und die ultimative Ballade «All This Time» den Weg in den Set fanden. Nicht nur den Fans gefiel, was ihnen da serviert wurde und was sie mit einem grossen Applaus und Jubel abfeierten, sondern auch Peavy sah ich mit Rage lange nicht mehr so glücklich. So müssen Rage klingen. Ehrlich, authentisch und mit kleinen Dingen, welche die Musik zu Musik machen. «Danke meine Freunde», hörte man den Bandleader nach jedem Song sagen, und dies kam von Herzen. Marcos und Peavy posten viel zusammen auf der Bühne, etwas das in den letzten Jahren immer weniger wurde. Ich bin mir sicher, wenn die Truppe vollends eingespielt ist, werden Rage immer als Sieger vom Platz gehen. Darum sollten sich Helloween im Januar 2016 sehr warm anziehen, wollen sie im direkten Vergleich nicht als Verlierer von der Bühne runter gehen.

Nach den «Black In Mind»-Songs verliess Markus die Bühne und mit dem Intro zu «From The Cradle To The Grave» wurde der zweite Block des Sets eingeläutet. «Over And Over» vom «13»-Album hatten die Fans kaum auf dem Plan. Der Track klang aber verdammt frisch und machte Spass. Ebenso wie (endlich wieder!) «End Of All Days» und die beiden «Ghosts»-Tracks «Back In Time» und «Love And Fear Unite», den Peavy unbedingt wieder im Set haben wollte. Was man durchaus versteht, wenn man sich diese Knallernummer anhört. "Den nächsten Song habe ich persönlich ausgesucht. Ich fand es immer schade, dass wir den in den letzten Jahren nicht spielten. Scheiss drauf, ob ihr in hören wollt oder nicht!» Mit «Down» wurde der offizielle Set beendet, der eigentlich nur einen kleinen Schwachpunkt hatte. «Suite Lingua Mortis V – No Regrets» mit seinen zu modernen Tunes wollte so gar nicht in den sonst mit Metal beladenen Abend passen. Hier wäre es sicherlich besser gewesen, hätte man «Under Control», «Deep In The Blackest Hole», oder «The Mirror In Your Eyes» ausgegraben. Es war klar, dass man keine Lieder aus der Epoche vor 1995 spielen würde. Diese Zeit bleibt Refuge vorbehalten, der Band, in welcher Peavy zusammen mit Manni Schmidt und Chris Efthimiadis die Ur-Rage Trio-Zeit wiederbelebte.

«Fantastisch Pratteln, danke», hörte man Peavy immer wieder sagen. «Es ist eine Ehre für mich, heute Abend für euch zu spielen», bedankte sich der stark mit seiner Kehlkopfentzündung kämpfende Sänger. Die obligate Abschluss-Hymne «Higher Than The Sky», bei welcher das Publikum lauthals den Refrain sang, wurde noch zu einem kleinen Medley umgewandelt. Zuerst spielten die Jungs «Sweet Home Alabama» und dann den Dio-Klassiker «Holy Diver». Jener wurde von Marcos extrem geil gesungen. Unter grossem Applaus verabschiedete sich das Trio vom Publikum, welches Rage nach allen Regeln abfeierte. Fazit: Rage sind wieder da wo sie hingehören und zählen zu den besten Metal-Bands dieses Planeten. Alleine dieses Konzert war, trotz der Erkrankung von Peavy (er hatte vom Arzt eigentlich ein Auftrittsverbot erhalten!), beste Werbung in eigener Sache.

Setliste: «Black In Mind» - «The Crawling Chaos» - «Alive But Dead» - «Sent By The Devil» - «Shadow Out Of Time» - «In A Nameless Time» - «Until I Die» - «The Price Of War» - «All This Time» - «From The Cradle To The Grace (Intro)/Over And Over» - «Back In Time» - «End Of All Days» - «Suite Lingua Mortis V» - «No Regrets» - «Love And Fear Unite» - «Down» -- «Higher Than The Sky».