Livereview: Saxon - Evidence One - Pharao
11. Dezember 2007, Pratteln Z7
By Kissi (Kis) & Rockslave (Rsl) - All Pics by Rockslave
Wie sagt man doch so schön: Aller guten Dinge sind drei! Das gilt hier für die diesjährige Schweizer Livepräsenz von Saxon, die nach dem ersten Gastspiel im Frühling an gleicher Stelle (21. März) auch am "Spirit Of Rock" in Winterthur (2. Juni) aufmarschierten und nun im Z7 nochmals die "Inner Sanctum Katze" aus dem Sack liessen. Da wird sich manch einer fragen, ob das vielleicht nicht etwas des Guten zuviel ist?!! Fakt ist, dass Saxon seit dem Wiedererstarken Ende 90er eine der beständigsten und geilsten Metal Live-Bands ist. Wer das, aus welchen Gründen auch immer, negiert und sich dessen verschliesst, verpasst schlicht etwas. Die Hitdichte der Songs ist mittlerweile beängstigend und dabei meine ich nicht nur die alten Schoten. Gerade das aktuelle Album hat gezeigt, zu welchen songwriterischen Höhenflügen das britische NWOBHM-Flaggschiff immer noch fähig ist. Dazu kommt, dass Biff & Co. ihre Fans niemals arrogant oder von oben herab behandeln, egal ob 150 oder 1500 vor ihnen stehen. Dieser gegenseitige Respekt ist getragen von Dankbarkeit auf beiden Seiten. Leider geht das immer mehr verloren und alle MetallerInnen tun gut daran, das nicht zu vergessen, da nichts ewig währt. Aber was zählt, ist der Augenblick und das sahen die beiden Deutschen Support-Bands wohl auch so. (Rsl)

Pharao
Doro hat einen Song im Repertoire, der "East Meets West" heisst. So könnte man die Umstände der beiden Vorgruppen bezeichnen, denn Pharao fingen mal als veritable "Ossi-Band" an. Wer sich zufällig einmal etwas um dieses Thema bemüht hat, wird wissen, dass Rock und Metal in der ehemaligen DDR einen schweren Stand hatten. Während für das Fussvolk Bananen das höchste aller Gefühle waren, dürsteten die Metalheads damals nach der Musik ihrer Idole, die kaum bis gar nicht beschafft, und wenn doch, sauteuer bezahlt werden musste. Die ganze Geschichte von Pharao würde den Rahmen dieses Berichts jedoch sprengen, darum soviel: Treibende Kraft seit den Anfangstagen von 1986 ist Sänger Jacky Lee Man, der unter anderem auch mal ein kurzes Gastspiel bei Sanvoisen (1992) gab. Diese progressiv ausgerichtete Metal-Band bestritt wenig später, das heisst etwa zwei Jahre danach, das Vorprogramm von Ivanhoe! Pharao indes fuhren früher eher auf der Schiene von traditionellem Metal à la Judas Priest, Saxon und Iron Maiden. Danach ging es mit dem Album "Pain & Pleasure" (1996) deutlich progressiv(er) zu und her. Konzertmässig war man in den letzten Jahren stets umtriebig wie unterwegs und spielte unter anderem nebst im letzten Jahr reunionmässig auch heuer weiter gestärkt in Wacken. Aktuell halten zusätzlich modernere Sounds der Marke Creed, Alterbridge und Audioslave Einzug in den Pharao-Sound. Dieser hörte sich von Beginn weg recht groovig und irgendwie rau an. Gitarrist T.R. Yorg verstand es jedoch vorzüglich, der Musik mit seinem melodischen und raumfüllenden Spiel eine weitere Facette zu verleihen. Der gute Jacky stand derweil in den oberen Stimm-Regionen zwar gelegentlich etwas auf dem Schlauch, doch insgesamt war viel Zug in der Darbietung der lauten Truppe aus dem ehemaligen Trabi-Land. Die Band nutzte aber ihre 30 Minuten auf jeden Fall optimal aus und hinterliess nicht nur wegen des Sabbath-Covers "Paranoid" zum Schluss einen durchaus positiven Eindruck. (Rsl)

Setlist: "We Are" - "Touch Of Time" - "Liar" - Why Not? - "Seven Seas" - "Road To Nowhere" - "Before The Storm" - "Paranoid".

Evidence One
Auch bei dieser (nun westlichen) Band steht klar ein oder besser gesagt der Sänger im Vordergrund: Carsten "Lizard" Schulz! Seine Stimme, die er übrigens auch Domain leiht, besitzt einen hohen Wiedererkennungswert und ist das Markenzeichen. Evidence One, ursprünglich eher als Projekt gedacht, brachten 2002 ihr beachtliches Debüt "Criticize The Truth" heraus, das dieses Jahr übrigens rereleased wurde. Mein erster Kontakt mit der Band fand allerdings erst mit dem zweiten Album "Tattooed Heart" (2004) statt. Der stampfende und melodische Sound ging gleich über in Mark und Bein. Die Mischung aus groovenden Midtempo-Krachern und flotteren Fegern sorgte für genug Abwechslung. Dazu kommen stimmige Halbballaden und ein stets angenehm dosierter Keyboard-Einsatz. Für Melodic Rock/Metal Fans, die also gerne auch etwas Schmackes im Sound lieben, unumgänglich und unbedingt zu empfehlen. Das neue Album "Sky Is The Limit" schliesst nahtlos an den Vorgänger an und gehört somit zwingend in die heimische Ansammlung von Tonträgern. Heute Abend wollte das Ganze aber irgendwie nicht recht zünden. Vor allem das bombastische und raumfüllende Element fehlte mir etwas und auch die Magie der leisen Töne verlor sich weitgehend im Nichts. Das mag vielleicht daran gelegen haben, dass Evidence One, wie ihre Kollegen zuvor, auch nur eine halbe Stunde spielen durften. Ob das auf der ganzen Tour immer so war, glaube ich angesichts der zwar auf der Setlist aufgeführten, aber gestrichenen Tracks nicht! Das hiess dann in der Endabrechnung, dass anstatt neun vorgesehenen Songs nur gerade deren sechs gespielt werden konnten. So fielen nebst "Won't Sleep Alone" unter anderem "Criticize The Truth" und Frozen In Time" vom Debüt unter den Tisch. Das war natürlich in jeder Hinsicht schade, obwohl das dann nichts anderes bedeutete, alsdass Saxon als Folge davon wohl "etwas länger" spielen würden. Dadurch verkauften sich Evidence One heute Abend jedoch klar unter ihrem Wert und nicht mal der Killer-Song "When Thunder Hits The Ground" konnte die entsprechende Begeisterung nachhaltig lostreten. Umso mehr sollte man sich im Nachhinein den bisherigen drei Studio-Alben gebührend widmen und darauf hoffen, dass diese Top-Band eines Tages doch noch als Headliner zeigen kann, was sie ohne Zweifel drauf hat! (Rsl)

Setlist: "The Sky Is The Limit" - "Tattooed Heart" - "Mr. Madness" - "When Thunder Hits The Ground" - "Virus In My Veins" - "In The Beginning There Was Fire".

Saxon
Ich gebe es ja zu: Als Saxon ankündigten, im Dezember zum dritten Mal in diesem Jahr in der Schweiz aufzuspielen, da durchzuckte mich kurz ein schwacher Zweifel, ob sich ein Besuch wirklich lohnen würde. Doch wer Saxon einmal gesehen hat, der kann einfach nicht anders, als immer und immer wieder treu zu ihren Auftritten zu pilgern, denn nach einem Saxon Gig enttäuscht nach Hause gehen zu müssen, ist so unwahrscheinlich wie ein 6er im Lotto. Diesem Ruf ist es dann wohl auch zu verdanken, dass sich das Z7 bis um 21.25 Uhr doch ansehnlich gefüllt hatte. Die rund 700 Personen freuten sich dann auch dem entsprechend, als sich um die genannte Zeit die Lichter ausgingen und Biff Byford gemeinsam mit seinen Mannen die Bühne stürmte, um wie schon beim ersten Teil der "Inner Sanctum"-Tour mit "State Of Grace" von eben dieser Scheibe zu beginnen. Gleich ins Auge stach dabei die für Saxon vergleichsweise stilvolle Aufmachung der Musiker: Allesamt in schwarze Hemden oder Jacken gekleidet, kann man die Altrocker beinahe schon als trendy bezeichnen. In Sachen Stage-Acting gibt man sich derweil aber so wie es erwartet wird: Biff tigerte unablässig über die Bühne, Nibbs am Tieftöner lieferte sich mit den ersten Reihen ein Head-Bang-Ausdauerduell und das Sechssaiter-Duo Scarrett/Quinn (ausnahmsweise mal ohne Kopftuch, dafür mit polierter Murmel) zockte Soli wie Riffs in gekonnten Posen. Musikalisch gab es indes 'ne bunte Mischung aktuellen Materials, gemischt mit alten Hits und einigen eher selten kredenzten Perlen, wie dem stimmungsgeladenen "Dogs Of War". Mindestens so textsicher wie bei dieser Nummer erwies sich das Publikum an diesem Abend auch bei den neuen Tracks, was "Let Me Feel Your Power" oder das eindringliche "Red Star Falling" zu allem anderen als Spassbremsen werden liess, wobei diese natürlich nicht ganz mit einem Klassiker der Marke "747 (Strangers In The Night)" mithalten konnten. Mit dem Mithalten hatte dabei auch Nibbs' Basstechnick ein Problem, denn diese wollte zum gnadenlos hart vorgetragenen "To Hell And Back Again" (endlich hat's die gleichnamige DVD auf den Markt geschafft, wobei DVD 2 mit dem ganzen Gig vom "Rock Sound Festival" 2006 bestückt ist) nicht mehr mitmachen, was aber einzig Nibbs selbst störte, denn ansonsten wurden die Anwesenden mit einem knackigen Sound bedient, der Songs wie "Witchfinder General" oder (da knackten die Nackenwirbel) "Strong Arm Of The Law", bei welchem die Meute nun völlig von der Rolle war, zu waren Ohr- und Bang-Genüssen werden liess. Während die Zuschauer darauf nicht mehr aufhörten "Saxon"-Chöre gegen die Bühne zu schmettern, erklang von eben dieser schon die bekannten, getragenen Klänge der Band-Hymne "Crusader", die gleichzeitig den vorläufigen Höhepunkt des Sets markierte, denn das düstere "Travellers In Time" und das gefühlvolle "Broken Heroes" sind zwar beide superbe Songs, dem Publikum aber dennoch eher weniger geläufig. Dagegen feierte man zu "Heavy Metal Thunder" einträchtig miteinander, genau so wie bei der gnadenlos schnell vorgetragenen Version von "Motorcycle Man". Als darauf Paul Quinn mit dem Intro zum neuen Live-Kracher "I've Got To Rock" (das dazugehörende Video wartet mit einer Version mit Gastperformance von Angry Anderson, Andi Deris und Lemmy auf), brach er dieses umgehend wieder ab verstimmte Gitarre! Biff, der sich an diesem Abend in Sachen Gequassel ziemlich zurück hielt, was der Heftigkeit des Konzertes nur dienlich war, konnte sich vor Lachen kaum mehr halten; gemütlich wurde die Gitarre ausgewechselt und weiter ging's im Programm. Mit "Princess Of The Night" verabschiedete man sich dann furios von der Bühne, die danach, nach wenigen Sekunden, sogleich in blutrotes Licht getaucht wurde. Ob die üppige Lightshow schon im März zur Verwendung kam? Dessen kann ich mich nicht mehr erinnern, aber auf jeden Fall überwältigten die Briten an diesem Abend mit einer beeindruckenden Beleuchtung, die dem harten Übertrack "Attila The Hun" erst den richtigen dramatischen Touch verlieh. Durch ein kurzes Drum-Solo leitete Nigel Glockler dann ins auffallend lockerere "Solid Balls Of Rock" über, das die Anwesenden von heftigem Bangen wieder in munteres Abfeiern zurück fallen lässt und mit welchem der erste Zugabenteil sein Ende findet. Doch obwohl die Original-Mitglieder schon langsam auf die 60 zugehen, dachten die erfahrenen Metal-Recken gar nicht daran, sich schon zu Bett zu begeben, sondern schickten erst einmal wieder Doug Scarrett alleine auf die Bühne, der mit reichlich Grimassen seine Gitarrenkünste zur Schau stellte, bevor zu "Wheels Of Steel" wieder die ganze Truppe die Bühne unsicher machte. Nibbs rauchte derweil gelassen eine Zigarette zu seinen Bassläufen und Paul entledigte sich seiner ansonsten obligatorischen Sonnenbrille Spielfreude pur! Nach dem Must "Demin & Leather" beendete man den Abend, wie schon beim ersten Saxon-Besuch 2007, mit "Ashes To Ashes" garantiert ein neuer Live-Kracher von Saxon, die auch beim dritten Mal in diesem Jahr bewiesen, dass es kaum eine traditionelle Metal-Kapelle auf diesem Planeten gibt, die den Briten in Sachen Live-Performance das Wasser reichen kann. Nach fast zwei Stunden ist die Entscheidung für 2008 klar: Auch im kommenden Jahr wird man wieder treu zu den Saxon Gigs pilgern! (Kis)

Setlist: "State Of Grace" "Dogs Of War" "Let Me Feel Your Power" "747 (Strangers In The Night)" "To Hell And Back again" "Red Star Falling" "Witchfinder General" "Strong Arm Of The Law" "Crusader" "Travellers In Time" "Broken Heroes" "Heavy Metal Thunder" "Motorcycle Man" "I've Got To Rock" "Princess Of The Night" -- "Attila The Hun" "Solid Ball Of Rock" --- "Wheels Of Steel" "Denim & Leather" "Ashes to Ashes".