Livereview: Scorpions
26. September 2008, Festival Schupfart (AG)
By El Tino (Z7) exklusiv für Metal Factory (Bericht & Pics)
Es wurde auch endlich wieder mal Zeit, dass DIE Rocklegende aus Deutschland in Helvetien den Beweis erbringt, dass sie noch immer zu den stärksten Vertretern ihres Faches gehört. Bis jedoch die Herren Meine, Schenker, Jabs, Maciwoda und Kottak das Haus rocken konnten, musste sich der geneigte Fan seine Idole hart ausharrend erkämpfen. Schon der Weg zum Festivalgelände entpuppte sich als rollende Karawane, die sich locker von den Fussgängern überholt sah. Nachdem den Blechkisten der entsprechende Parkplatz zugewiesen wurde, marschierte man gemütlich zum Gelände, wo sich schon diverse Fans am Eingang tummelten und von draussen den Klängen von Dada Ante Portas lauschten. Ehrlich gesagt, machte der Pop-Rock der Luzerner richtig Laune und konnte schon eine angewärmte Partystimmung verbreiten. Der erste Höhepunkt folgte dann für die Anwesenden in Form der Berner Züri West, die mit ihrem melancholischen Mundart-Rock das Publikum zum Tanzen und zum Singen brachten. Für mich als alten Hardrocker fehlt(e) jegliches Flair, auch nur ansatzweise etwas Gutes über diese Truppe schreiben zu können... - Da half selbst die Cover-Version von Robert Palmers «Johnny And Mary» nichts...

Scorpions
Das Adrenalin schoss dennoch in meine Adern und die Spannung stieg ins Unermessliche. Tausende von Fragen durchfluteten meine Gedankengänge. Würde Klaus Meine stimmlich eine vorzügliche Show bieten? Ist Rudolf Schenker noch immer so vital wie in den 80er-Jahren? Tritt Schlagzeuger James Kottak mit seinem Drumming noch immer dermassen Arsch? Gehört Matthias Jabs noch immer zu den besten Gitarristen? Hat sich Bassist Pawel Maciwoda vollkommen in die Band integriert? Wird der Skorpion eine Setliste spielen, die auf Nummer sicher geht, oder wird der Stachel richtig ausgepackt und es gibt einige Überraschungen? Während ich noch inmitten meiner Gedankenwelt herum turnte, erklangen schon die ersten Takte des Openers «Hour 1» und all meine Fragen und Befürchtungen wurden mit einem bodenständigen, erbarmungslosen und unüberwindbaren JA beantwortet. An diesem Abend machten die Skorpione alles richtig. Die Herren waren heiss auf diesen Auftritt und liessen nichts anbrennen. Als mit «Coming Home» die erste Überraschung den Weg in die Setliste, beziehungsweise zu den Fans fand, durfte man sich erleichtert zurücklehnen und auf einen gelungen Abend freuen. Insbesondere auch, weil mit «No Pain No Gain», «I'm Leaving You», «Loving You Sunday Morning», «Dynamite» und «When The Smoke Is Going Down» Tracks gespielt wurden, mit denen nicht unbedingt zu rechnen war. Hammer, meine Herren!!! HAMMER!

Neben den zu erwartenden Liedern wie «Bad Boys Running Wild», «The Zoo», «Holiday», den neuen Tracks «321», «Humanity» und dem schon angesprochenen Opener war es speziell die Bühnenpräsenz der Jungs, die zu offenen Kauleisten führte. Wenn man das Alter der Musiker berücksichtigt, ist nicht unbedingt zu erwarten, dass 60 Jahre jung gebliebene Musiker noch immer so aktiv auf der Bühne rumtanzen. Wie zum Beispiel Rudolf, der kaum stehen blieb und mit seinen Sprüngen immer wieder zum Hingucker wurde. Als der "Jungspund" bei «Send My An Angel» seine akustische Flying V auspackte, leuchteten auch zum ersten Mal die Augen der vermeintlichen Prominenz in Schupfart. Das Publikum war gut durchmischt mit alten Rockern, jungen Fans und in Leder gezwängten «Möchtegerns». Von Sehnsucht getrieben, mussten diese ausharren und halt auf die beiden Kassenschlager-Balladen warten. Alleine über die entgleisten Gesichtszüge dieser VIPs, die bei Knallern wie «Dynamite», «Coming Home» oder «Blackout» nicht einmal mit dicken Puder zu überschminken waren, könnte ich Bücher schreiben!

Ein Highlight war auch das Drumsolo von James. Dieser kleine Teufel hinter dem Drumkit vermöbelte sein Werkzeug nach bester Tradition. Als er sein mit Schweiss durchgetränktes T-Shirt auszog und sich auf seinem Rücken das gleiche Motiv wie auf seinem Kleidungsstück präsentierte, war allen die Lebenseinstellung des Schlagzeugers bekannt. Wo «Rock'n'Roll Forever» drauf steht, steckt das Gleiche auch drin! Zusammen mit seinen Mitmusikern, die jeweils an zwei Standtoms standen, beendete der Schwager von Tommy Lee unter frenetischem Jubel seine Solokünste. «It's great to be back in Switzerland! Three words! YOU KICK ASS!!!» Wo der blonde Stickschwinger Recht hat, hat er Recht. Nach diesem Solo, den Sprüchen von Mister Kottak («Klaus is in the house!», «Matthias go away from the bar!») gab es kein Halten mehr in Schupfart. Das Finale mit «Blackout», der Mitsing-Hymne «Big City Nights», den Zugaben in Form der balladesken O(h)rgasmen «Still Loving You» (Paare lagen sich in den Armen, liessen die Jugend wie einen Film an sich vorbei ziehen und konnten kaum warten, wieder zu Hause zu sein!), «Humanity» und «Wind Of Change», sowie dem alles vernichtenden «Rock You Like A Hurricane» folgte der definitive Rausschmeisser «When The Smoke Is Going Down». Jetzt entkrampften sich auch wieder die rockigen Falten, beziehungsweise die Gesichtszüge der Prominenz... - Man kann nur hoffen, dass sich die Jungs bald wieder in die Schweiz verirren, denn mit diesem Gig betrieben die Scorpions beste Werbung in eigener Sache. Was passt da besser als Schlusssatz als die folgende Textzeile: «Year after year, out on the road, it's great to be here, to rock you all!» aus dem Scorpions-Kracher «Coming Home»? Nichts!

Setlist: «Hour 1» - «Coming Home» - «Bad Boys Running Wild» - «The Zoo» - «No Pain No Gain» - «Coast To Coast» - «Send My An Angel» - «Holiday (full version)» - «Loving You Sunday Morning» - «I'm Leaving You» - «321» - «Dynamite» - «Solo James Kottak» - «Blackout» - «Big City Nights» - «Still Loving You, Humanity» - «Wind Of Change» - «Rock You Like A Hurricane» - «When The Smoke Is Going Down».