Livereview: Sunn O)))
28.09.2011 – Fri-Son Fribourg
By El Muerte – Pics by Jeremy Küng / Cold Division http://www.flickr.com/photos/colddivision/
Vergiss die elend langen und mindestens so trockenen Physik-Lektionen in der Grundschule, Sunn O))) sind Verkörperung und Verfechter einer ganzen Wissenschafts-Branche zugleich – Die Band strapaziert den Begriff 'Konzert' mit ihrem Konzept zwar gewaltig, das Resultat ist aber unvergleichlich: Das Kernduo (Die beiden Klampfer Stephen O'Malley und Greg Anderson) konzentriert sich einzig und allein auf tieffrequente Gitarrenfeedbacks (Die Waffen der Wahl sind dann auch jeweils vier komplette Gitarrenstacks hinter ihnen), die sich streckenweise dermassen heftig in physikalische Grundsätze umwandeln, dass der Luftdruck dem Besucher das Atmen schwer macht (!). Das traurige daran ist dann auch nicht die schwer lastende Leere, die einen nach einer solchen Erfahrung heimsucht, sondern vor allem das Wissen, dass weder Worte, noch irgendein Medium dieser Welt die Live-Performance auch nur Ansatzweise korrekt repräsentieren kann…

Doch zurück zum Anfang der Show: Das Fri-Son ist bis zum Eingangsbereich des Clubs mit Rauch vollgepumpt, die Lichter gedimmt, Gestalten werden fast nur dank ihrer schwarzen Kleidung schemenhaft wahrgenommen. Sunn O))) plus ein weiterer Tastenmann schreiten in langen Roben auf die ehrwürdige Bühne, die Gesichter beinahe komplett im Schatten der Kapuzen verdeckt. Langsam und wabernd bauen sich kurz darauf die ersten Klänge auf, die Synthie-Sounds und die tiefen Gitarren verschmelzen zu einem einzigen undurchdringlichen Geflecht. Und auch wenn die Band sich zuerst noch zurückhält – Die Besucher grinsen in Erwartung zukünftiger Lautstärkenhöhenflüge hämisch. Die erste Auseinandersetzung mit der vollen Wucht des Trios wird dann auch dementsprechend wohlwollend entgegengenommen: Spontane Zurufe und gereckte Fäuste sind die Quittung für den akustisch plättenden Sound der Band.

Und entgegen meiner ursprünglichen Befürchtungen aufgrund des doch sehr simpel gestrickten Konzepts von Sunn O))) bleibe ich erst mal 30 Minuten lang gefesselt vor der Bühne stehen - So angenehm hat mir bisher noch keiner die Lungen durchmassiert. Beim Getränkefassen an der Bar realisiere ich dann auch erst den kompletten Umfang des Subbass-mässigen (Und übrigens quadrophon ausgelegten) Grössenwahns der Formation: Man kann ganz einfach nicht fliehen, die Vibrationen pflanzen sich durch das Gebäudefundament fort, und sogar an der Bar vibriert das Bier in bester Jurassic Park-Manier – Wie sich später herausstellte, gingen an diesem Abend rund 10 Beschwerden bei der lokalen Polizei ein… Was bei einem dermassen etablierten Club durchaus als Novum gelten kann. Die Band hat sich derweilen etwas gezügelt und ihr Wirkungsfeld um die eine oder andere Oktave hochgeschraubt: Jetzt werden im Vergleich zu vorhin schon fast filigrane Feedback- und Synthie-Flächen aus den Instrumenten geholt, die schon beinahe Postrock-artige Züge annehmen. All dies hat allerdings einen trieftigen Grund: Minuten später schreitet ein weiterer Kuttenmann auf die Bühne - Kein Geringerer als Mayhem-Fronter und Kultvokalist Atilla Csihar ist bei dieser Tour mit Sunn O))) unterwegs, und unterstützt sie mit seinen verblüffenden Sangeskünsten.

Die temporär runtergeschraubte Intensität der Musik war dann auch nur Einleitung in den eigentlichen Hauptteil des Sets, die Performance mit Atilla. Der Gute bleibt allerdings einfach zuerst mal zentral stehen, lässt sich von der Musik tragen, und schlussendlich sein Mikro von den Mitmusikern segnen, bevor er zur Tat schreitet - Dafür zieht er dann in den darauf folgenden vierzig Minuten sämtliche Register seiner Stimmband-Gymnastik, und bereichert die langsam wieder aufbrausende Musik unter anderem um rezitierendes Geflüster, tibetanischen Kehlkopfgesang, und natürlich Gekeife wie zu besten Mayhem-Zeiten (Wenn auch etwas spärlicher als erwartet). Nach über 70 Minuten entfesseln Sunn O))) ein letzes Mal ihre nun um das Talent eines Sangesgottes angereicherte tieffrequente Urgewalt, um darauf etwas unkoordiniert gestikulierend den definitiven Schlussstrich unter den Gig zu ziehen. Das völlig gefesselte Publikum erwacht erst mit den letzten Atemzügen der Show aus der stillen Anbetung, und applaudiert der Band überraschend kurz aber intensiv – Bei so extremer Mucke ist wohl die Präsenz desselben schon Aussage genug.

Fazit: Sunn O))) sind unfassbar, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, wie man solch extreme Musik über die Länge einer Tour jeden Abend auf's Neue heraufbeschwören kann (Da müssen mindestens ein paar Jungfrauen auf dem Altar gelandet sein), aber der Aufwand ist jede neue Druckwelle wert. Göttergleich!