Livereview: Testament - GurD

03. August 2012, Luzern - Schüür
By Rockslave

Eigentlich wäre die Ausgangslage klar gewesen: Testament kommen mit ihrem grandiosen neuen Album «Dark Roots Of Earth» nach Luzern! "Hell yeah" dachte sich der geneigte Fan und freute sich zu Recht auf eine geile Show mit einer der geilsten Thrash-Combos der Szene. Soweit so gut, aber im Vorfeld des Konzerts wurde bekannt, dass die Amis am Tag darauf in Wacken aufkreuzen müssen und sich deshalb eine frühere Abfahrt aus Luzern aufdränge. Darum würden sie ausnahmsweise als erste Gruppe des Abends auftreten und die Schweizer Hardcore-Groover GurD so zu einem unverhofften Headliner-Gig gelangen. Das "Gute" an der an sich ungewöhnlichen Situation war jedoch bloss, dass man damit soweit rechtzeitig an die Öffentlichkeit gegangen ist und man erwarten konnte, dass diese Nachricht im heutigen multimedialen Zeitalter die Runde machen würde. Was aber verschwiegen wurde, wiegte im Nachhinein schwerer, doch davon mehr im unten stehenden Livebericht. GurD nutzten auf jeden Fall die Gunst der Stunde, was ihnen letztlich trotz allem ganz sicher niemand übel nahm.

Testament

Sollte es Leute gegeben haben, die erst in Luzern erfuhren, dass die Reihenfolge des Billings gedreht hatte, könnte es dazu geführt haben, dass eine spätere Anreise (warum auch immer) zur schmerzlichen Erfahrung führte, dass der Headliner bereits mitten drin im Set oder gar schon durch war. Hoffen wir mal, dass dies möglichst wenigen Besuchern widerfahren ist. So zeigte die Uhr tatsächlich erst 20.30 Uhr an, als Testament auf die Bühne der Schüür stiegen und sich der Outdoor Bar-Bereich schlagartig entvölkerte. Als Opener wählten Chuck Billy & Co. mit «Rise Up» gleich den ersten Song vom aktuellen Album «Dark Roots Of Earth». Das zeugte von Selbstsicherheit, was aber bei so einem Killer-Track jedoch eh kein Thema war. Was auch gleich von Anfang an killermässig daher kam, war der vergleichsweise höllenlaute und trommelfellzerfetzende Sound, der mich im Fotograben vorne regelrecht malträtierte. Die Bass-Drum Schläge kamen sowas von brutal hart, dass es sich anfühlte, als würde einer einem ständig mit dem Fuss eins in die Plauze schlagen! Dem Vernehmen nach soll weiter hinten aber leider nur ein kruder Soundbrei geherrscht haben. Das kümmerte die Musiker aber keinen Deut und so powerten sie sich schlagkräftig durch ihre gestutzte (Festival-) Setliste hindurch. Dies wusste zu dem Zeitpunkt aber noch keiner im Innenraum der Schüür und darum entwickelte sich das Ganze erst mal zu einer ziemlich schweisstreibenden Angelegenheit. Dass vom eigentlich nach wie vor sträflich unterbewerteten 92er-Hammeralbum «The Ritual» nichts gespielt würde, war zu erwarten. Die abfeiernde Meute und meine Wenigkeit erfreuten sich derweil an all den alten geilen Schoten, die auf dem Götter Re-Release-Album «First Strike - Still Deadly» (2001) unverzichtbar sind und durch nichts zu toppen sind. Leider war das Konzert nach knappen 65 Minuten überraschend schon zu Ende und das Versprechen der Band, nebst der "Entschuldigung" bald wieder mit der vollen Show zurück zu kehren, gefiel nicht allen. Bei einem Ticketpreis in der Nähe von 50 Franken darf so etwas eigentlich nicht passieren, zumal der Tourbus dann erst gegen 23.30 Uhr abfuhr. Bei allem Verständnis blieb ein etwas schaler Nachgeschmack übrig, der wenigstens etwas durch die sehr preiswerte Merchandise abgefedert wurde.

Setliste: «Rise Up» - «The New Order» - «The Preacher» - «Native Blood» - «True American Hate» - «Into The Pit» - «More Than Meets The Eye» - «Dark Roots Of Earth» - «Practice What You Preach» - «Over The Wall» -- «D.N.R. (Do Not Resuscitate)» - «3 Days In Darkness».

GurD
Erstens konnten sie nichts dafür und zweitens wird ihnen das ziemlich schnuppe gewesen sein! V.O. Pulver und seine Jungs nahmen die sich ihnen bietende Steilvorlage natürlich dankend an und bereiteten sich entsprechend auf ihren Auftritt vor. Wobei es da eigentlich ausser dem Austauschen der Setliste wohl nicht mehr viel anderes vorzunehmen gab. Kurz nach 22.30 Uhr und vor nicht mehr ganz so vielen Leuten wie zuvor, legten auch GurD ohne Scheuklappen gleich volle Pulle los. Persönlich habe ich sowieso ein gewichtiges Nachholbedürfnis für die Baselbieter Kult-Band, da ich erst spät so richtig auf GurD aufmerksam wurde. Das zuletzt erlebte Konzert anlässlich der 25-Jahr Feier für den "Outsider Shop" in Olten (27.08.11) war auf jeden Fall (auch meinem bemitleidenswerten Nacken) noch in bester Erinnerung! Es gibt mit Verlaub kaum eine andere Band, die so ein Brett im Schmelztiegel von Hardcore, Thrash und vor allem Groove ohne Ende auffährt. Dies tun sie eigentlich schon seit Jahren und sind dennoch immer noch sowas wie ein Geheimtipp. Mainman und Sänger V.O. Pulver ist nebst dem Musikerdasein auch als national bekannter Producer ein Ass und hat schon vielen aufstrebenden einheimischen Combos unter die Arme gegriffen. Als Ausgleich zum Job im Studio müssen Auftritte wieder dieser reinster Balsam für die Seele sein.

Die jetzige Besetzung mit Pat (g/v), Franky (b/v) und Steve (d) unterstützen wie ergänzen den Bandleader bestens und legen regelmässig alles in Schutt und Asche. Nicht selten werde ich beim Sound von GurD an die alten Merauder erinnert, dessen erste zwei Alben («Master Killer», 1995 und «Five Deadly Venoms», 1999) ich damals heiss geliebt habe. Die bis vor Kurzem einzige CD von GurD in meiner Sammlung war «D-fect» von 1997, die aber selten gespielt wurde, dabei ist doch «What Do You Live For» einer der geilsten Stampf-Songs überhaupt. Genau das, also wenn das Gebolze abgebremst wird und der gnadenlos nach vorne treibende Rhythmus das Zepter übernimmt, sind die Baselbieter schlicht unschlagbar. Dazu kommt, dass die ganze Band und vor allem V.O. Pulver als sehr bodenständig gilt. Deshalb wird er auch als Mensch sehr geschätzt und übt sich lieber in Dankbarkeit und Demut als den abgehobenen Rockstar raus zu hängen. Nach «Skin Up» war dann ein kurzer Break angesagt, ehe es dann noch drei Zugaben gab, wovon diesmal «United Forces» (Cover von S.O.D.) auf Nachfrage beim vor Schweiss durchnässten Publikum mehr Zuspruch als das Kiss-Cover «Warmachine» erhielt. Dieser Klassiker wird sonst auch immer wieder mal, wie in Olten, als Reminiszenz an die eine Lieblingsband von V.O. und Steve mit lavamässig zähen Riffs zum Besten gegeben und stellt das Original in Sachen Heavyness eigentlich in den Schatten. Zeitlich stand der heutige Headliner mit 85 Minuten Bühnenpräsenz schliesslich weitaus besser als die berühmteren Kollegen aus Übersee da. Dennoch wurden einige Stimmen laut, die sich insgesamt mehr für ihr Eintrittsgeld erhofft hatten. Mal sehen, wie nachtragend diejenigen Leute dann sein werden, wenn sich Testament für das nächste Schweizer Konzert, wo auch immer das stattfinden wird, wieder ankündigen.

Setliste: «Never Fail» - «Your Drug Of Choice» - «What Do You Live For» - «The Grand Deception» - «Learn» - «Down The Drain» - «Rule The Pit» - «A New War» - «I.O.U. Nothing» - «Bang!» - «Seven Starz» - «We Will Resist» - «Terminate» - «Skin Up» -- «Get Up» - « H.H.H.» - «United Forces».